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Der richtige Turnus

28.03.2013 12:02 Uhr

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Der richtige Turnus

Teil 2 | Die größte Unsicherheit für Fuhrparkbetreiber liegt darin, wie häufig die Führerscheinkontrolle durchzuführen ist. Wir räumen mit hartnäckigen Gerüchten auf und schaffen Transparenz.

— Wer als Halter (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 StVG) eines Kraftfahrzeuges einem anderen, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, sein Auto überlässt, macht sich wegen Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar. § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG als zentrale Norm ist folglich ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Bedroht mit gleicher Strafe ist damit nicht nur der Fahrer, sondern auch der Halter, der anordnet oder zulässt, dass jemand sein Kfz führt, der die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder infolge eines Fahrverbotes nicht ausüben darf. Er ist verpflichtet, sich, notfalls durch Einsichtnahme in den Führerschein, zu vergewissern. Andernfalls macht er sich strafbar.

Das Delikt kann in folgenden Varianten verwirklicht werden:

1. Bei einem Fahren ohne Fahrerlaubnis

2. Bei einem Fahren trotz Fahrverbots (auch mit ausländischer Fahrerlaubnis, obwohl die deutsche entzogen wurde)

3. Bei einem Fahren trotz eines verwahrten, sichergestellten oder beschlagnahmten Führerscheins

Fahrlässigkeit reicht | Das Gefährliche an der Vorschrift ist, dass der Verstoß nicht vorsätzlich begangen werden muss, denn fahrlässiges Verhalten des Halters ist ausreichend. Fahrlässig handelt derjenige Halter, der das Fahren ohne Fahrerlaubnis infolge eines erheblichen Mangels zumutbarer Sorgfalt ermöglicht hat.

In der Regel ist davon auszugehen, dass sich der Halter vom Fahrer den Führerschein zeigen lassen muss, wenn er nicht sicher weiß, dass der andere einen solchen besitzt.

Die Gerüchteküche | In einer Vielzahl von Zeitschriften und einschlägigen Internetforen liest man, dass der Fuhrparkleiter mindestens zweimal im Jahr die Original-Führerscheine kontrollieren müsse, um vor einer Verurteilung wegen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gefeit zu sein. Oftmals wird sogar eine vierteljährliche Kontrolle gefordert. Hohe Geldstrafen, Fahrverbote und sogar Haftstrafen sollen angeblich die Folge bei unterlassener regelmäßiger Führerscheinkontrolle sein.

Doch hierbei wird oftmals die Problematik aus den Augen gelassen und die Urteile selbst werden nicht gelesen. Denn wie so oft steckt der Teufel auch hier im Detail.

Gerücht Nr. 1 | „Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass das Bestehen der Fahrerlaubnis zweimal jährlich zu kontrollieren ist.“ Diese pauschale und über Jahrzehnte lang (blind) zitierte Behauptung ist ein reines Gerücht, das sich hartnäckig hält.

Ein Gesetz oder eine herrschende Rechtsprechung, dass mindestens zwei Mal pro Jahr Einsicht in die Führerscheine genommen werden muss, gibt es nicht. Konkrete Zeitabschnitte werden weder durch das Gesetz, noch durch die Gerichte festgelegt, denn es kommt auf die Umstände an.

Hintergrund des Gerüchts ist eine Entscheidung des BGH (Az. 4 StR 365/67) vom 5. Januar 1968. In dieser 45 Jahre alten Entscheidung hat der 4. Strafsenat des BGH überhaupt nichts dergleichen gesagt. Richtig ist, dass sich das Urteil mit der Thematik der fahrlässigen Überlassung eines Kraftfahrzeugs an einen Nichtberechtigten befasst hat.

In dem zu entscheidenden Fall hat ein privater Fahrzeughalter seinen Pkw einem ihm persönlich nicht weiter bekannten Jugendlichen überlassen, von dem er nie einen Führerschein gesehen hat, geschweige denn Kenntnis hatte, ob dieser eine Fahrerlaubnis überhaupt besitzt. Er hatte den 20-Jährigen lediglich einmal vier oder fünf Monate vor dem streitgegenständlichen Unfall „mit Kraftfahrzeugen fahren sehen“.

Hieraus hat man dann im Laufe der Jahrzehnte eine halbjährliche Prüfpflicht für Fuhrparks „gesponnen“. Zur Klarstellung: Der BGH hat keine Aussagen über Prüfintervalle getroffen, schon gar nicht für Firmenwagen!

Gerücht Nr. 2 | „Mit einem Fuß im Knast.“ Lässt der Halterverantwortliche einen Fahrer ans Steuer, obwohl dieser die erforderliche Fahrerlaubnis nicht besitzt oder von der Fahrerlaubnis vorübergehend keinen Gebrauch machen darf, kann er als Fuhrparkverantwortlicher Halter dafür strafrechtlich mit Geld- oder Freiheitsstrafe belangt werden (§ 21 I Nr. 2 StVG). Dies ist soweit korrekt.

Rechtskräftige Urteile, wonach ein Fuhrparkverantwortlicher aufgrund unterlassener regelmäßiger Führerscheinkontrolle eine Haftstrafe erhalten hat, sind mir hingegen nicht bekannt.

Um das Maß der Schwere einer Pflichtverletzung, die überhaupt zu einer Haftstrafe führen kann, zu verdeutlichen, weisen wir auf ein Urteil des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth (Az. 2 Ns 915 Js 144710/2003) hin.

Hier wurde ein Spediteur, in dessen Firma die Routen seiner Fahrer so geplant wurden, dass sie nur unter Verstößen gegen die vorgeschriebenen Ruhezeiten zu schaffen waren, zu zwei Jahren und drei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, als ein Fahrer wegen Übermüdung einen tödlichen Unfall verursachte: „Als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Gesellschafteranteil von 90 Prozent hatte der Angeklagte die organschaftliche Verpflichtung, das ihm bekannte rechtswidrige System der Lenkzeitüberschreitung mit Tachographenscheibenmanipulation zu unterbinden und für die Einhaltung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 in seinem Betrieb zu sorgen.“

Die echten Fakten | Der Halterverantwortliche muss sich beim erstmaligen Überlassen eines Fahrzeuges die sichere Überzeugung verschaffen, dass der Fahrer im Besitz der erforderlichen uneingeschränkten Fahrerlaubnis ist. Ob es sich hierbei um einen fest überlassenen Dienstwagen oder ein Poolfahrzeug handelt, ist unerheblich.

Wenn bei Einstellung des neuen Mitarbeiters der Führerschein vorgelegt wurde, geht ein weiter Teil der Rechtsprechung davon aus, dass dies ausreichend ist. Im Anschluss darf sogar nach Jahren ohne Stichproben darauf vertraut werden, dass der Fahrer die Fahrerlaubnis noch hat.

Viele Urteile, die eine einmalige Kontrolle bei erstmaliger Überlassung von Kraftfahrzeugen ausreichen lassen, betreffen kleine Fuhrparks oder Privatpersonen, wie zum Beispiel das Urteil des BGH vom 16. Mai 1966 (Az. II ZR 79/64) zeigt. Danach kann ein Kraftfahrzeughalter entschuldigt sein, der sein Fahrzeug einem anderen in der irrigen Annahme überlässt, dieser habe die vorgeschriebene Fahrerlaubnis, wenn der andere ein guter Bekannter ist, dem zu misstrauen kein Anlass besteht und der, wie der Halter weiß, seit längerer Zeit ein eigenes Fahrzeug derselben Klasse ständig benutzt.

So hat als weiteres Beispiel das Thüringer Oberlandesgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2006 (Az. 1 Ss 111/06) den angeklagten Halter freigesprochen, obwohl dieser von der Fahrerlaubnis des Fahrers – zu dem nur wenig Kontakt bestand – zuletzt vor vier Jahren anlässlich einer Polizeikontrolle Kenntnis hatte. Auf dieser Linie ist eine Vielzahl der Gerichte (siehe Kasten).

Auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag hat sich im Jahre 2008 mit der Führerscheinkontrolle befasst und ausdrücklich die Empfehlung ausgesprochen, die Anforderungen an Halter nicht zu überspannen. Man hat sich grundsätzlich der Auffassung angeschlossen, dass nach einer erstmaligen Kontrolle rechtlich gesehen weitere Kontrollen erst dann notwendig werden, wenn Auffälligkeiten festgestellt werden. Nichtsdestotrotz empfiehlt man gerade bei größeren Fuhrparks wiederkehrende Kontrollen.

Ausnahme: konkreter Verdacht | Sobald konkrete Verdachtsmomente vorliegen, muss gehandelt und Einsicht in den Führerschein genommen werden (Urteil des BayObLG vom 19. Oktober 1977, Az. 1 St 269/77).

Tauchen also Umstände auf, die Grund zur Befürchtung geben müssen, dem Fahrer könnte zwischenzeitlich die Fahrerlaubnis entzogen oder es könnte ein Fahrverbot verhängt worden sein, so muss sich der Halter den Führerschein dieses Mitarbeiters (erneut) vorlegen lassen – wenn ein Fuhrparkverantwortlicher zum Beispiel bemerkt, dass einer seiner Dienstwagenfahrer plötzlich von seiner Ehefrau zur Arbeitsstelle gefahren wird, obwohl er ansonsten immer selbst mit seinem Auto kam.

Oder wenn er plötzlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt, obwohl er früher immer mit dem Auto vorfuhr.

Ebenso können Anhaltspunkte sein, wenn von einer Ladung eines Kollegen zu einem Gerichtstermin die Rede ist oder aber Gerüchte über Führerscheinschwierigkeiten zu Ohren kommen. Wer als Fuhrparkmanager für einen Mitarbeiter in kurzer zeitlicher Abfolge mehrere Anhörungsbögen wegen Ordnungswidrigkeiten erhält, sollte ebenso hellhörig werden.

Liegen derartige Anhaltspunkte vor – ebenso können bestimmte Anlässe wie Silvester, Karneval oder ähnliche hinzukommen –, ist dringendes Handeln angesagt! Eine zusätzliche Einsichtnahme in die Führerscheindokumente ist unumgänglich.

Fazit | Ein Gesetz oder eine herrschende Rechtsprechung, dass mindestens zweimal pro Jahr Einsicht in die Führerscheine genommen werden muss, gibt es nicht. Konkrete Zeitabschnitte werden weder durch Paragraphen noch durch die Gerichte festgelegt, denn es kommt auf die Umstände an.

Hierbei muss aber darauf geachtet werden, dass die Altersgrenzen für bestimmte Fahrerlaubnisklassen im Auge behalten und zusätzlich kontrolliert werden.

Die Fülle der Rechtsprechung zeigt, dass es sich um Einzelfälle handelt und die Umstände maßgeblich sind.

Gerade in größeren Fuhrparks, in denen der Fuhrparkleiter die Mitarbeiter womöglich nur flüchtig kennt, sollte man sich nicht auf die einmalige Führerscheinkontrolle verlassen, sondern regelmäßig Prüfungen vornehmen. Gerade aufgrund der zunehmenden Anonymität in Firmen hat der Fuhrparkleiter nämlich teilweise gar keine Möglichkeit, Zweifel an der Fahrerlaubnis zu erhalten.

Praxistipp | Je nach Unternehmensgröße, Fahrzeugzahl oder Art der Vergabe sind unterschiedliche Maßstäbe an die Führerscheinkontrolle anzusetzen. Wir raten, mindestens einmal im Jahr eine routinemäßige Führerscheinkontrolle durchzuführen, um auf der „sicheren Seite“ zu sein. So sollten Sie in Ausübung Ihrer Tätigkeit alles Erforderliche getan haben, um weder strafrechtliche noch versicherungsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. | Inka Pichler

Urteile | An der Lebenswirklichkeit vorbei: prüfen vor jeder Fahrt

– „Zwar muss der Fahrzeughalter, der einem anderen ein Kraftfahrzeug zur Führung überlässt, grundsätzlich vorher prüfen, ob dieser im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. Er ist deshalb grundsätzlich verpflichtet, sich zunächst den Führerschein zeigen zu lassen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn er bereits vorher sichere Kenntnis davon erlangt hatte, dass der andere über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte. In einem solchen Fall darf er grundsätzlich vom Fortbestehen der einmal erteilten Fahrerlaubnis ausgehen. Dass diese dem anderen inzwischen entzogen worden sein könnte, braucht er nur dann in Rechnung zu stellen, wenn besondere Umstände, die er kennt oder bei pflichtgemäßer Sorgfalt kennen könnte und müsste, auf eine solche Möglichkeit hindeuten. Solange Letzteres nicht der Fall ist, muss der Halter nicht prüfen, ob die ihm bekannte Fahrerlaubnis des anderen noch fortbesteht. Er muss sich deshalb auch nicht, bevor er diesem das Kraftfahrzeug zur Führung überlässt, (erneut) dessen Führerschein vorlegen lassen. Dies wird besonders deutlich in Fällen, in denen – beispielsweise im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – einer Person die Führung eines Kraftfahrzeugs wiederholt überlassen wird. Es wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflicht und würde an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen, würde man vom Halter verlangen, er müsse sich vor jeder Fahrzeugüberlassung erneut den Führerschein vorlegen lassen (vgl. BayObLG DAR 1978, 168 [juris]; BayObLG DAR 1988, 387 [juris]; s. auch OLG Koblenz VRS 60, 56; Hentschel, StVR 38. Aufl., StVG § 21 Rdnr. 12). Diese Rechtsgrundsätze gelten auch für den vom Fahrzeughalter nach § 14 II Satz 1 Nr. 2 StGB Beauftragten.“

Kammergericht (KG),

Beschluss vom 16.09.2005 – (3) 1 Ss 340/05 (86/05)

– „Ein Fahrzeughalter, der einem Dritten die Führung seines Kraftfahrzeuges gestattet, muss vorher prüfen, ob der Dritte im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Hierbei sind an seine Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen zu stellen. (...) Es wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflicht und würde an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen, würde man von ihm verlangen, er müsse sich vor jeder Fahrzeugüberlassung erneut den Führerschein vorlegen lassen; vielmehr genügt es grundsätzlich, wenn er dies vor der ersten Fahrzeugüberlassung tut.“

OLG Jena, Beschluss vom 18.07.2006 – 1 Ss 111/06

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