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Diesel-Gipfel: Neue Software für fünf Millionen Autos

03.08.2017 09:15 Uhr
Diesel-Gipfel: Neue Software für fünf Millionen Autos
Über fünf Millionen Diesel sollen mit neuer Software sauberer werden.
© Foto: picture alliance / Axel Schmidt/POOL/dpa

Hat der Diesel in Deutschland eine Zukunft? Der Gipfel von Herstellern und Politik in Berlin war mit Spannung erwartet worden. Nun gibt es erste Ergebnisse.

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Neue Abgas-Software in rund 5,3 Millionen Dieselautos soll den Ausstoß des Atemgiftes Stickoxid zurückdrängen und drohende Fahrverbote in Städten verhindern. Das ist das Kernergebnis des Dieselgipfels von Politik und Autobranche am Mittwoch in Berlin. Es gab aber auch massive Kritik daran. Die Autokonzerne versprachen bei dem Spitzentreffen Updates der Abgasreinigung, aber keine Umbauten am Motor.

Autofahrern sollen dadurch keine Kosten entstehen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte die Beschlüsse "eine sinnvolle Basis" für eine schnelle Reduzierung von Emissionen. Dagegen gab es harsche Kritik von Umweltverbänden, denen die Ergebnisse nicht weit genug gehen. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bewertete die Gespräche mit der Branche deutlich skeptischer. Die Debatte um mögliche Diesel-Fahrverbote in großen Städten dürfte weitergehen.

Dobrindt erklärte, neben der zugesagten Software-Umrüstung - enthalten sind 2,5 Millionen Fahrzeuge von VW, für die schon Abgas-Nachbesserungen angeordnet sind - würden sich die deutschen Hersteller an einem Bundes-Fonds für umweltfreundlichere Mobilität in Städten beteiligen. Er kritisierte es als "vollkommen inakzeptabel", dass ausländische Anbieter sich bisher nicht in gleicher Weise verpflichtet hätten. Der Bund werde zudem seine Förderung für die Umrüstung von Bussen und Taxis sowie für Radwege erhöhen.

Hardware-Nachrüstungen ausgeschlossen

Laut Branchenverband VDA soll die Software-Nachrüstung für Autos der Emissionsklassen Euro 5 und teilweise Euro 6 keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch oder Lebensdauer haben. Angeboten wird sie von BMW, Daimler, Opel und dem VW-Konzern. Der VDA rechnet mit Kosten für die Hersteller von insgesamt von 500 Millionen Euro. Ziel sei eine Stickoxid-Reduzierung von 25 bis 30 Prozent der nachgerüsteten Wagen. Ungefähr 8,6 Millionen Fahrzeuge aus diesen Klassen sind derzeit in Deutschland insgesamt zugelassen. VW-Konzernchef Matthias Müller sagte: "Wir halten es für ausgeschlossen, Hardware-Nachrüstungen vorzunehmen."

"Wir setzen darauf, den Diesel zu verbessern, anstatt ihn zu verbieten", sagte Daimler-Boss Dieter Zetsche. Ein Fahrverbot wäre aus seiner Sicht ein "klimapolitisches Eigentor". "Denn solange E-Autos noch einen geringen Marktanteil haben, ist die Optimierung des Dieselantriebs einer der wirksamsten Hebel zur Erreichung der Klimaziele durch weniger CO2 im Straßenverkehr." Europaweit ruft Daimler rund drei Millionen Fahrzeuge für ein Software-Update in die Werkstätten.

Hendricks begrüßte die Vereinbarungen insgesamt - mahnte aber auch weitere Maßnahmen an. "Natürlich reicht das heute erzielte Ergebnis am Ende noch nicht aus", sagte sie. Die zugesagten Software-Updates seien ein erster, wichtiger Schritt. Um deren Wirksamkeit nachzuweisen, seien künftig aber Messfahrten vorgesehen. Für eine Verringerung der Stickoxid-Belastung sei dies allein nicht ausreichend. Deshalb sei sie froh über zugesagte Kaufprämien von Herstellern für umweltfreundliche Autos. Gleichzeitig könne sie "nicht verhehlen, dass der Duktus der von der Automobilindustrie verbreiteten Erklärung zu wenig von Einsicht und Demut geprägt" sei.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer äußerte sich zufrieden mit den Ergebnissen, die einen "beachtlichen Fortschritt" darstellten. Die deutschen Unternehmen hätten "deutlich zu ihrer Verantwortung gestanden". Der CSU-Chef machte sich zugleich für eine stärkere Differenzierung bei der Kfz-Steuer nach Schadstoffklassen stark. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einem "ordentlichen Ergebnis in der Sache".

Politiker nicht ganz zufrieden

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bewertete die Ergebnisse als "ersten, sehr wichtigen Schritt". Die Industrie habe gezeigt, "dass sie auch erkennt, dass jetzt dringlicher Handlungsbedarf besteht", sagte die SPD-Politikerin. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) sprach ebenfalls von einem "ersten Schritt". Beide hoben hervor, dass die deutschen Autohersteller die Kosten von Software-Umrüstungen übernehmen werde und auch selbst Anreize für den Kauf abgasärmerer Fahrzeuge finanzieren wollen.

Dem Sender Phoenix sagte Dreyer: "Es gab einen großen Konsens, dass alles getan werden muss, um Fahrverbote zu verhindern." Laut Dreyer wollen Bund und Länder sich zugleich noch darüber unterhalten, ob es über Software-Updates hinaus "andere technologische Weiterentwicklungen" für gute Abgaswerte gebe. Darüber solle in Expertenrunden gesprochen werden. Laschet sagte: "Das Schlimmste, was jetzt passieren könnte, wäre, dass immer mehr Menschen keinen Diesel mehr kaufen und auf einen Benziner umsteigen." Dies wäre für die CO2-Bilanz in Deutschland "eine Katastrophe".

Auch für Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sind die Ergebnissen nur ein erster Schritt hin zur besseren Luft. "Das wird aber leider nicht reichen, um die Grenzwerte in den belasteten Städten unter die gesetzlichen Vorgaben zu bringen", teilte Kretschmann am Mittwoch mit. Weitere Schritte müssten schnell und in einem verbindlichen Zeitrahmen folgen. Ein Baustein könne dabei sein, dass die Hersteller den Verbrauchern eine Prämie dafür anbieten, um alte Diesel-Autos durch moderne Fahrzeuge zu ersetzen. "Hier ist die Automobilindustrie eindeutig in der Bringschuld und nicht der Staat."

Auch der Deutsche Städtetag hält Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Innenstädten für noch nicht ausgeschlossen. "Falls die Grenzwerte weiterhin nicht eingehalten werden, ist zu befürchten, dass Gerichte für einzelne Städte Fahrverbote verlangen", erklärte die Präsidentin des Städtetags, Eva Lohse (CDU), zugleich Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen. "Entscheidend wird jetzt sein, ob die Schadstoffbelastung durch Diesel-Fahrzeuge schnell genug und stark genug sinkt." Die Zeit dränge wegen laufender Gerichtsverfahren zum Gesundheitsschutz der Menschen.

BMW plant Umweltprämie

BMW kündigte eine "Umweltprämie" von bis zu 2.000 Euro an für Kunden mit einem Dieselfahrzeug mit Euro-4-Abgasnorm oder älter. Bedingung ist demnach der Erwerb eines BMW-Elektroautos i3, eines Plug-in-Hybrids oder eines Dieselwagens mit der Euro 6-Norm. Die Aktion soll bis Ende 2017 laufen.

Vorstandschef Harald Krüger forderte die Rückkehr zu einer sachlichen Debatte über den Diesel. Zum Umweltschutz gehöre auch der Kampf gegen den Klimawandel. Der moderne Diesel stoße weniger CO2 aus als der Benziner und sei auch bei Feinstaub, Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid gleich gut oder besser. Scharf wies Krüger Verdächtigungen zurück, BMW hätte bei Dieselabgasen geschummelt. Die BMW-Technik unterscheide sich deutlich von anderen im Markt. "Die Ergebnisse nationaler und internationaler behördlicher Untersuchungen haben bestätigt, dass Fahrzeuge der BMW Group nicht manipuliert werden", betonte Krüger.

BMW, Daimler und VW wollen sich an einem geplanten Fonds des Bundes für umweltfreundliche Mobilität in Städten beteiligen.

Kfz-Betriebe stehen bereit

Für die Umsetzung des Software-Updates benötigen die Hersteller die Unterstützung des Handels. "Die bayerischen Kfz-Betriebe stehen bereit für das auf dem Diesel-Gipfel in Berlin beschlossene  Software-Update bei den rund fünf Millionen Dieselfahrzeugen der Emissionsklassen Euro-5 und Euro-6 in unserem Land", sagte Klaus Dieter Breitschwert, Präsident des Bayerischen Kfz-Gewerbes. "Unsere Kfz-Betriebe haben die hierzu notwendigen Werkstattkapazitäten. Dies haben wir zum Beispiel über Jahre hinweg bei der öffentlich geförderten Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern und der praktischen Bewältigung der dabei aufgetretenen Probleme auf Industrieseite gezeigt."

Breitschwert hofft, dass die nun beschlossenen Maßnahmen rasch umgesetzt, die versprochenen Reduzierungen der Stickoxid-Emissionen erreicht und somit die Debatte um die Zukunft der Dieseltechnologie beendet werden könne, ohne dass Fahrverbote ausgesprochen werden müssten.

ADAC vermisst Hardware-Update

Auch der ADAC bewertete die Ergebnisse des Dieselgipfels als "ersten Schritt in die richtige Richtung" bewertet, sieht aber noch erhebliche Lücken. Gut sei die klare Vereinbarung, "dass Verfehlungen der Hersteller nicht auf Kosten von Millionen Diesel-Besitzern in Deutschland gehen sollen". Mit der Beschränkung auf Software-Updates für Dieselautos sei die Politik jedoch vor der Industrie eingeknickt, kritisierte der Autofahrer-Verein am Mittwoch in München.

Mit Hardware-Nachrüstungen ließe sich der Stickoxid-Ausstoß nicht nur um 25 Prozent, sondern um bis zu 90 Prozent senken, hieß es beim ADAC. Solche Umbauten an der Motor- oder Abgasanlage gelten aber als deutlich teurere Maßnahme - und sie passen womöglich nicht für einige alte Modelle.

Die Absichtserklärungen zur Förderung von Elektroantrieben in Bus- und Taxiflotten und zum Ausbau der Ladeinfrastruktur seien positiv - "allerdings fehlt aus Sicht des ADAC ein klarer Zeitplan". Daneben könnten auch grüne Wellen und intelligente Verkehrssteuerung die Stickoxid-Belastung erheblich reduzieren. "Das Potenzial, das die Verflüssigung des Verkehrs bietet, wird immer noch verkannt", kritisierte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. "Neben den technischen Optimierungen an den Autos lässt sich damit am meisten erreichen." (dpa)

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