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Ein Pilotbetrieb mit deutscher Diskussion

19.12.2019 06:00 Uhr

Section Control, zu Deutsch "Abschnittskontrolle", ist seit vielen Jahren ein in Deutschland von Verkehrsexperten kontrovers diskutiertes Verkehrssicherheits-Instrument. Section Control ist eine Methode zur Geschwindigkeitsmessung, bei der Geschwindigkeiten über eine längere Strecke gemessen werden, angeblich sehr zuverlässig. Die Zulässigkeit war lange umstritten.

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Dieses Messverfahren wird bisher vor allem in Österreich, der Schweiz und Italien angewandt, aber auch in Großbritannien, Niederlanden und Polen. Section Control kommt besonders häufig in Autobahntunneln zur Anwendung. Dafür werden an bestimmten Streckenpunkten Kontrollgeräte positioniert, um dort die Geschwindigkeit zu messen. Über eine Strecke von bis zu einigen Kilometern gibt es dann mehrere dieser Geräte. Aus den ermittelten Werten wird der Durchschnitt berechnet und mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit abgeglichen. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Durchschnitt vom Fahrer überschritten, erfolgt die Ahndung durch die Behörde.

Für die Messung ist es notwendig, bei Ein- und Ausfahrt in die respektive aus der überwachte(n) Strecke die Kennzeichen aller Fahrzeuge unabhängig von der gefahrenen Geschwindigkeit zu erfassen. Dies geschieht mit Hilfe von zwei Überkopfkontrollpunkten, die mit Kameras ausgestattet sind. Das Fahrzeug wird sowohl beim ersten wie auch beim zweiten Kontrollpunkt fotografiert. Die Identifizierung der Fahrzeuge erfolgt anhand des Kfz-Kennzeichens mittels automatischer Nummernschilderkennung.

Genau darin sehen in Deutschland Datenschützer ein Problem. Das Thema wurde erstmals Ende Januar 2009 auf dem Verkehrssicherheitstag in Goslar diskutiert. Ende 2018 wurde eine Section Control-Anlage auf der B6 zwischen Gleidingen und Laatzen in Betrieb genommen. Die Einfahrtskamera zu Beginn der Messstrecke erfasst das Kennzeichen und das System speichert weitere fahrzeugbezogene Daten wie Fahrtrichtung, Ort und Zeit. Mithilfe der Ausfahrtskamera wird ermittelt, ob der Fahrer die zulässige Geschwindigkeit überschritten hat oder nicht.

Spurloses Löschen der Bilder

Ermittelt das System eine Geschwindigkeitsübertretung, erfasst eine dritte Kamera den Fahrzeugführer, um ein Bußgeld verhängen zu können. Lag kein Verstoß vor, werden die Daten "spurenlos" gelöscht. Nach einer Testphase war die Anlage vom Januar 2019 bis März 2019 in Betrieb und Bußgelder wurden verhängt. Der Datenschutz in Niedersachsen forderte unter Bezug auf das Bundesverfassungsgericht den Betrieb sofort zu beenden. Das Gericht hatte zu Kennzeichenlesegeräten entschieden, dass die ausnahmslose Erfassung aller Autokennzeichen eine Datenerhebung und damit einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen darstellt. Es folgte in Niedersachsen ein Rechtsstreit. Unterdessen wurde eine Rechtsgrundlage für das Messverfahren im Landes-Polizeigesetz geschaffen.

Kein Datenschutz-Konflikt

"Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen." (§ 32 Abs. 7 NPOG). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat nun durch Urteil vom 13. November 2019 (Az. 12 LC 79/19) die Messung mittels Section Control als zulässig erachtet. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist wohl nach Ansicht des Gerichts mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gewahrt. Die Anlage wurde daher noch im November 2019 wieder in Betrieb genommen; zur umfänglichen Beurteilung der Wirkung dieser Pilotanlage auf die Verkehrssicherheit voraussichtlich für mindestens 12 Monate. An dieser Stelle werden somit auch wieder Bußgelder verhängt.

Dr. Michael Ludovisy

Das ausnahmslose Erfassen der Kennzeichen als Knackpunkt.

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