Exakt 170 Kilometer über Land, über Autobahnen und im Stadtverkehr misst die Strecke, die Transporter im Profi-Test unserer Schwesterredaktion VerkehrsRundschau absolvieren müssen. Eine Distanz, die kaum der Rede wert ist, es sei denn, man will sie mit einem Stromer samt 500 Kilogramm Testballast schaffen. Dann wirken 170 Kilometer plötzlich bedrohlich, Stichwort Reichweitenangst.
Mit dem Nissan NV 200 wagen wir es trotzdem, schließlich verpasste Nissan seinem E-Transporter jüngst eine verstärkte 40-kW/h-Batterie. Bis zu 300 Kilometer sollen dank der nun problemlos drin sein, verspricht der Hersteller. Die Reichweitenanzeige weist bei Antritt der Testfahrt dann auch beruhigende 277 Kilometer aus. Nur wird es sofort heiß im Fahrerhaus, die ungewohnt warmen Herbsttemperaturen machen sich bemerkbar. Also Klimaanlage einschalten, was die Anzeige mit verschmerzbaren minus sieben Kilometern quittiert.
Klimaanlage ist kein Problem
Ansonsten zeigt sich die unterhalb des Tachos angeordnete Reichweitenanzeige von der ersten Etappe weitgehend unbeeindruckt. Denn die führt durch reinen Stadtverkehr, entsprechend niedrige Geschwindigkeiten und zahlreiche Rekuperationsgelegenheiten schonen die Akkus. Das macht die Sinne frei für anderes, beispielsweise dafür, dass die 109-Strom-PS und die 254 Newtonmeter Drehmoment, die der Elektromotor an die Vorderräder leitet, mit den 500 Kilogramm Testballast im Laderaum gut zu tun haben.
Vor allem beim Ampelstart vermisst man im E-NV 200 etwas den von E-Fahrzeugen gewohnten kraftvollen Antritt aufgrund des sofort voll anliegenden Drehmoments, selbst wenn man den leistungsbeschneidenden Ecomodus per Kickdown überstimmt. Vielleicht ein Grund dafür, dass die Nutzlast des Stromers niedriger ausfällt als beim vergleichbaren NV 200 mit Verbrennungsmotor. Die Nutzlast des leer 1,72 Tonnen schweren Testfahrzeugs ist mit den 500 Kilogramm Ballast voll ausgeschöpft.
Mit Ende der ersten Stadtetappe geht es über Land weiter, mit folglich höherem Geschwindigkeitsprofil. Die Reichweitenanzeige korrigiert sich sogleich nach unten: 220 Kilometer sind nach 30 gefahrenen noch übrig. Darüber hinaus offenbart das höhere Tempo: Ein komfortabler Gleiter ist der Nissan nicht gerade. Zwar bleibt die Geräuschkulisse in allen Lebenslagen angenehm niedrig - typisch E-Fahrzeug eben. Dafür stolpert der Stromer über jede Bodenwelle und in jedes Schlagloch und gibt die daraus resultierenden Stöße weitgehend ungefiltert an seine Insassen weiter. Woran sicher auch die dürr anmutenden Sitzpolster ihren Anteil haben.
Ein Elektro-Transporter ist eben in erster Linie für den Stadtverkehr gedacht, den wir auf der dritten Etappe wieder unter die 15-Zoll-Räder nehmen. Worüber sich auch die Anzeige freut. Während der Etappe erholt sich die Reichweite immerhin um sechs Kilometer.
Die Präferenz bleibt die Stadt
Und die werden wir auf der jetzt folgenden Autobahnstrecke benötigen. Mit 174 Kilometern Restreichweite nimmt der Japaner die Auffahrt, das sollte für die letzten 80 Kilometer doch locker genügen? Tut es, aber wir stellen wieder einmal fest: Hohes Tempo kostet Kilometer, und wir reden hier von höchstens Tempo 120, denn mehr lässt die Elektronik des Nissan sowieso nicht zu. Wir gehen auf Nummer sicher und begnügen uns mit etwas mehr als Lkw-Tempo. Denn sich von einem 40-Tonner überholen zu lassen, steigert im E-NV 200 nicht gerade das Wohlbefinden.
Mit 57 Kilometer Restreichweite kommen wir wieder am Ausgangspunkt an. Mission also problemlos erfüllt! Trotzdem bleiben wir und auch Nissan der Meinung, dass das vorherrschende Terrain des E-NV 200 die Stadt bleibt. Vor längeren Ausflügen muss man aber keine Angst mehr haben.
Messwerte
Nissan E-NV 200 KastenwagenGrundpreis: 28.660 EuroE-Motor | 80 kW/109 PS 254 Nm | stufenloses Übersetzungsgetriebe | 14,1 s | 120 km/h 20,64 kW/h (100 km) 4.560 x 1.755 x 1.858 mmLeergewicht: 1.720 kg (inkl. Fahrer)Testballast/Nutzlast: 500 kgAnhängelast: 410 kgGarantie: 5 Jahre/100.000 km (Fahrzeug); 8 Jahre/150.000 km (Batterie)