Erdgas als Belohnung
Nach erfolgreichen Feldtests stellt der Hygieneprofi CWS-boco International seine 1.400 Transporter große Logistikflotte auf Erdgas um – zur Freude der Servicefahrer.
Dieser Mann ist zu beneiden. Weil Michael Durst seinen rechten Fuß besonders gut im Griff hat, wird er von seinem Arbeitgeber, der CWS-boco, "befördert": von Diesel auf Erdgas.
Seit rund sechs Jahren ist der Servicefahrer beim Hygienespezialisten an Bord, zuletzt war sein Nachname, was das Thema Tagesverbrauch angeht, alles andere als Programm. Ein Vorteil beim internen Verbrauchsvergleich. "Sprecht miteinander", dieser Hinweis von Serviceleiter Klaus Lücke hat das spritsparende Fahren ins Bewusstsein der Fahrer gerufen. Jeder möchte ganz vorne sein, schließlich sind die über 500 Touren in Deutschland vergleichbar.
"Wie liege ich wohl heute im Erdgas-Rennen? Und was hat deiner geschluckt?" Solche Fragen beschäftigen die Fahrer. Wenn Klaus Lücke am Standort Solingen die Tankbelege täglich einsammelt, blicken sie ihm neugierig über die Schulter. Das Ergebnis der Kollegen im Blick. Ein Wettstreit, der gut ist für die Haniel-Tochter: Die neuen bivalenten Mercedes-Benz-Sprinter NGT und monovalenten Iveco Daily CNG sparen bares Geld.
Wie es so seine Art ist, begegnet Michael Durst dem Vergleich relativ gelassen. Er hat mit dem neuen Sprinter NGT Kasten (3,5 Tonnen) schon mal als Springer 8,5 Kilogramm Erdgas pro 100 Kilometer geschafft. Normal sind knappe 10 Kilogramm im Schnitt. Jetzt darf er also zur Belohnung Erdgasfahrzeug Nummer acht am Standort Solingen übernehmen, einen 1,8-Liter-Sprinter-NGT (156 PS) von Mercedes-Benz mit Spezial-Koffer der Firma Gossler in Oberhausen.
Vollgas in Deutschland
Insgesamt will CWS-boco International seine 1.400 Transporter große europäische Serviceflotte komplett auf Erdgas umstellen. Nach erfolgreichen Feldtests mit Sprinter NGT und Daily CNG – Kasten und Koffer – beginnt jetzt laut Michael Seddig, Head of Corporate Logistics, "der Rollout früher als gedacht". Allein hierzulande sollen dieses Jahr noch über 100 weitere Erdgas-Einheiten den Fuhrpark verstärken. "In Deutschland geben wir Vollgas", sagt der Logistikchef. "Schon der Sprinter NGT Kasten hat unsere Erwartungen übertroffen." Aber auch beispielsweise in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich laufen die Vorbereitungen für den Erdgas-Rollout.
Wirtschaftlich vertretbar, ökologisch sinnvoll, so lautet Michael Seddigs Erdgas-Credo. Umfangreiche Studien und Tests hatten bereits im Vorfeld der Feldversuche eindeutige Vorteile für Erdgas gegenüber dem herkömmlichen Diesel ergeben.
Erdgas-Briefing
Michael Durst dreht den Zündschlüssel um. Ein akustisches Signal warnt den Servicefahrer beim Start vor dem teureren Benzin-Modus. Einfach per Knopfdruck auf Erdgas-Fahrt umstellen und den ersten Gang des manuellen Sechsganggetriebes einlegen – schon könnte der Erdgas-Pionier seine Tour beginnen. Etwa schmutzige Handtuchrollen abholen, Seifen und Duftspender montieren oder frische Berufskleidung zum Kunden bringen. Als Hintergrund: Weltweit wäscht CWS-boco jährlich rund 35 Millionen Handtuchrollen.
Doch statt der täglichen Tour steht heute die Einweisung in das Erdgas-Fahrzeug auf dem Programm. Und so informiert Guido Wiebel, Verkauf Transporter Großkunden der Daimler-Niederlassung Duisburg, den Servicefahrer über Besonderheiten des Erdgas-Aggregats, des Fahrverhaltens und der Betankung sowie über sicherheitsrelevante Themen. Dann ist Denis Gossler mit dem Fahrzeugkoffer dran: Der Junior-Chef zeigt Michael Durst ausführlich, wie die Ladebordwand funktioniert, wie die Ladung ordnungsgemäß gesichert wird und wie man die Rückfahrkamera bedient.
Michael Durst hört genau zu, bevor er "seinen" neuen Fünf-Tonner zum ersten Tankstopp fahren darf. "Der fährt sich wie jeder andere Transporter auch – nur leiser. Und das Tanken ist eine saubere Sache", so das Fazit des Servicefahrers. Angenehmer Nebeneffekt: Verglichen mit dem Diesel-Pendant sei die Erdgas-Zapfsäule meistens frei.
Dort macht sich auch der Spezial-Kofferaufbau von Gossler bemerkbar. 150 Kilo haben die Oberhausener noch mal abgespeckt, was eine Ersparnis von mindestens 0,1 Kilogramm Erdgas bringt. Vergangenes Jahr unterzeichneten CWS-boco International, Gossler und Mercedes-Benz einen internationalen Rahmenvertrag. Seitdem stattet der lokale Lieferant Goss-ler mit seinen 25 Mitarbeitern den Transporter-Fuhrpark mit speziellen Aufbau-Lösungen aus. Nur gut, dass sich Inhaber Hans-Erich Gossler mit Spezialaufbauten auskennt. 1987 hat seine Firma das legendäre Papa-Mobil von Papst Johannes Paul II. gebaut.
"Die Art der Zusammenarbeit beeindruckt mich", sagt Michael Seddig. Serviceleiter Klaus Lücke nickt zustimmend. Auch Hans-Erich Gossler und Sohn Denis loben die "auch menschlich gute Partnerschaft".
Fünf-Tonner-Premiere
Vor rund 20 Jahren das Papa-Mobil, heute ein alternativer Fahrzeugpionier: das erste 5,0-Tonnen-Fahrgestell eines Sprinter NGT, das Mercedes-Benz überhaupt an einen Kunden übergibt. Die Erdgas-Sprinter von CWS-boco sind bei CharterWay geleast, die Laufzeit beträgt 60 bis 72 Monate.
Genügend Zeit für Michael Durst, sich an seinen neuen "Arbeitsplatz" zu gewöhnen. Vielleicht gelingt ihm noch der eine oder andere Verbrauchsrekord. Logistikchef Michael Seddig ist schon auf die ersten Auswertungen gespannt – Michael Dursts Kollegen bestimmt auch. Patrick Neumann