Jeden Einzelfall bewerten
Viele Flottendienstleister verbuchen derzeit eine wachsende Nachfrage nach Verlängerung von bestehenden Leasingverträgen. Mit dem Verzicht auf Neufahrzeuge wollen ihre Kunden Geld sparen – allerdings tritt der erhoffte Kosteneffekt nicht immer ein.
Verlängerungsverträge für Leasingfahrzeuge, die bereits drei oder vier Jahre auf dem Buckel haben – für Thomas Schmuck ist das beinahe ein Worst-Case-Szenario. „Wir wollen solche Fälle vermeiden“, betont der Vice President General Services der Software AG in Darmstadt. „Die zusätzlichen Kosten für Reparaturen und Inspektionen sind in der Regel höher als die eingesparten Ausgaben für Neufahrzeuge.“
Wenn ein Pkw vier Jahre gefahren wird oder 120.000 Kilometer auf dem Tacho hat, muss er ausgetauscht werden – so verlangt es die Car Policy für die rund 350 Dienst- und Motivationsfahrzeuge. Etwa ein halbes Jahr vor Eintritt dieser Kriterien wird der Fahrer mithilfe des Reportingsystems über den bevorstehenden Austausch informiert. „Die weitaus meisten Fahrzeugwechsel klappen mit einer Verzögerung von höchstens 14 Tagen“, sagt Schmuck. Allenfalls eine Handvoll „beratungsresistenter“ Mitarbeiter verweigern sich dem fristgerechten Wechsel vor allem deshalb, weil ihr favorisiertes Nachfolgemodell noch nicht auf dem Markt ist. Für diese Minderheit müssen Verlängerungsverträge abgeschlossen werden.
Was die Software AG nur widerwillig tut, ist für andere Flottenbetreiber längst eine Selbstverständlichkeit geworden. Wenn Leasingverträge auslaufen, wird zunächst einmal geprüft, ob wirklich in neue Fahrzeuge investiert werden muss. Die Alternative heißt Vertragsverlängerung: Vorausgesetzt, sie haben ein gewisses Alter nicht überschritten und die Reparaturanfälligkeit hält sich in Grenzen. Dann spricht wenig gegen einen nochmaligen Vertrag für ein oder zwei Jahre.
Solche Anfragen häufen sich in den letzten Wochen und Monaten, bestätigen unisono viele Leasinganbieter. „Jeder fünfte Leasingkunde erkundigt sich derzeit nach einer Vertragsverlängerung“, berichtet Karsten Rösel, Geschäftsführer von ALD AutoLeasing D. „Für einige Auftraggeber können gerade in der aktuellen Wirtschaftssituation Anschlussverträge kostengünstiger als Neuverträge sein.“ Andere Marktteilnehmer nennen sogar Verlängerungsquoten bis zu 30 Prozent. Kein Wunder – die internationale Finanzkrise hat die Leasingbranche hart getroffen. Weil viele Anbieter Kredite nur mit stark erhöhten Zinsen bekommen und bewährte Bankpartner wie die HSH Nordbank ersetzen müssen, haben sie die Raten für Neuverträge häufig um über zehn Prozent angehoben oder planen dies in naher Zukunft. Außerdem können steigende Neuwagenpreise und sinkende Restwerte für einen Kostenschub sorgen.
Mit der Verlängerung von bestehenden Verträgen geht der Kunde solchen Zusatzkosten häufig aus dem Weg: Wenn außerdem Laufleistungen und Restwerte neu angepasst werden, kann er sogar an der Leasingrate sparen. Deswegen sind verlängerte Laufzeiten gerade auch für Kunden, die selbst mit der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben, attraktiv, weswegen mancher Dienstleister solche Maßnahmen vom Ausgang der Bonitätsprüfung abhängig macht. Weitere Verlängerungsgründe sind neue Mitarbeiter, die in bereits bestehende Verträge einsteigen, sowie die Übernahme von Altfahrzeugen in Firmenwagenpools.
Wann eine Verlängerung lohnt
Ob eine Vertragsverlängerung wirklich sinnvoll ist oder nicht, hängt allerdings von vielen Faktoren ab. In jedem Fall muss die 40:90-Regelung beachtet werden. Weil Fahrzeuge maximal sechs Jahre lang abgeschrieben werden, können bestehende Verträge nicht über eine Gesamtlaufzeit von 64,8 Monaten hinaus verlängert werden. Ganz nebenbei verhindert diese Lösung, dass beim zweiten Vertragsende völlig überalterte Fahrzeuge in den Markt zurückkehren, weswegen viele Leasinganbieter und Fuhrparkmanagementdienstleister nur bei der Gesamtlaufleistung feste Limits ansetzen.
Weil zahlreiche Modelle auch nach 100.000 oder 150.000 Kilometern wenig reparaturanfällig sind, kalkulieren sie hier jedoch relativ großzügig – einige wie VR Leasing halten bis zu 220.000 Kilometer für vertretbar. Die Mehrheit macht jedoch spätestens bei 160.000 oder 180.000 Kilometern Schluss – mancher Dienstleister akzeptiert diese Volumina offenbar nur angesichts des hohen Konkurrenzdrucks.
So rät Arval grundsätzlich von Verträgen ab, die 140.000 Kilometer überschreiten. Wenn das Reparaturrisiko zu groß scheint, wird schon mal von der geschlossenen Abrechnung in die offene gewechselt oder manche Serviceleistung neu kalkuliert. Ob sich die Verlängerung dann für den Kunden noch rechnet, hängt vom Einzelfall ab.
Auf pauschale Aussagen, dass grundsätzlich jedes Fahrzeug, das die genannten Kriterien erfüllt, für einen Verlängerungsvertrag in Frage kommt, will sich kein Dienstleister festlegen. „Ab 54 Monaten Gesamtlaufzeit oder 160.000 Kilometer Gesamtlaufleistung sind Einzelfallbetrachtungen unumgänglich“, urteilt Mark Thielenhaus, Vorstand der Sixt Leasing AG. Wenn jedoch der Vertrag verlängert wird, bleiben die bisherigen Services im vollen Umfang erhalten – in diesem Punkt herrscht Konsens im Markt.
Die weitaus spannendste Frage gilt jedoch der Wertentwicklung. Weil die nationale wie internationale Nachfrage nach Gebrauchtwagen derzeit daniederliegt, sind Verlängerungsverträge auch für die Dienstleister selbst attraktiv geworden. Obwohl oder gerade weil die Restwerte während der Verlängerung weiter sinken, sind die Vermarktungschancen in ein oder zwei Jahren möglicherweise besser als heute. Die Prognosen der einschlägigen Marktinstitute machen in diesem Punkt allerdings nicht allzu viel Hoffnung: 2009 ist bereits als schwieriges Jahr abgehakt, für 2010 sind noch viele Fragen offen. „Viel hängt vom Image der Marken ab“, sagt Siegfried Trede, Hauptabteilungsleiter Marktforschung der DAT in Stuttgart. Wenn vor allem Audi und BMW ihr derzeit gutes Standing im Markt weiter festigen können, wird die Nachfrage nach ihren Modellen bald wieder anziehen.
Als sicher gilt, dass die CO2-Emissionen für die künftige Wertentwicklung maßgeblich sein werden. Viele SUV und Sechs- wie Achtzylinderfahrzeuge sind demnach auf dem besten Weg, zu Ladenhütern zu werden, zumal auch die osteuropäischen Märkte als Folge der Wirtschaftskrise zunehmend dichtmachen.
Mancher Dienstleister wie ALD macht Verlängerungsverträge mittlerweile auch vom Schadstoffausstoß abhängig. Als offen gilt die Wertentwicklung von Kleinwagen. Wenn jedoch infolge der Abwrackprämie die Nachfrage nach Neufahrzeugen auch in dieser Kategorie steigen wird, könnte es mit den derzeit relativ guten Restwerten von Corsa, Fiesta oder Polo schnell vorbei sein.
Ansonsten ist nicht ausgeschlossen, dass auch noch 2010 mancher überhöhte Restwert nach unten korrigiert werden muss. „Spätestens ab 2011 sehen wir jedoch – wenigstens unter Berücksichtigung der heute bekannten Einflussfaktoren – keinen Grund, von den heutigen 36-Monats-Prognosen Abstand zu nehmen“, sagt Dieter Fess, Inhaber von Bähr & Fess in Saarbrücken.
Anderweitig Kosten reduzieren
Weil die meisten Verlängerungen auf ein oder zwei Jahren befristet sind, ist dies freilich zu spät. Ein pauschales Mittel zur Kostenreduzierung sind Vertragsverlängerungen sicher nicht, weswegen die einzelnen Markteilnehmer entsprechende Angebote mit unterschiedlichem Engagement bewerben. So sieht sich Sixt Leasing als „hundertprozentiger Dienstleister“ gefordert. „Unsere Kundenbetreuer prüfen regelmäßig die Eckdaten der Leasingverträge wie Laufzeit und Laufleistung und empfehlen den Kunden bei Bedarf individuelle Vertragsanpassungen“, versichert Thielenhaus.
Deutlich zurückhaltender agiert die Deutsche Leasing AG. Im Zweifelsfalls passt der Sparkassen-Ableger, der mit einer relativ niedrigen Verlängerungsquote von unter 15 Prozent auffällt, lieber bestehende Verträge innerhalb des bestehenden Zeitraums neu an, wenn beispielsweise die Laufleistungen geringer ausfallen. „Grundsätzlich müssen unter Gesichtspunkten des Total Cost of Ownership mit Verlängerungsverträgen nicht unbedingt Einsparungen einhergehen“, betont Geschäftsführer Michael Velte. „Gerade in der jetzigen Phase können auch mit neuen Fahrzeugen Kosten reduziert werden.“ Eine Anspielung auf die Prämien und Werkstatt-Servicepauschalen, mit denen viele Hersteller derzeit den Absatz von Neufahrzeugen pushen.
Aber das kann dann zum Eigentor werden, wenn die Mitarbeiter einen höheren geldwerten Vorteil in Kauf nehmen oder einen höheren Eigenanteil entrichten müssen. „Außer den Fuhrparkverantwortlichen warten zunehmend auch die Fahrer ab und nutzen sogar aus eigenem Antrieb ihr altes Dienstfahrzeug weiter, um dem drohenden Kostenanstieg zu entgehen“, registriert Rösel. Oder sie schlagen von sich aus den Wechsel in eine niedrigere Fahrzeugkategorie vor. Entsprechende Erfahrungen machte der Dokumentenmanagementhersteller Océ Deutschland in Mühlheim. Rund zehn Mitarbeiter wünschten in den letzten Wochen kleinere Fahrzeuge, lediglich einer regte eine Vertragsverlängerung an. Wenn gespart werden muss, wollen auch Angestellte auf der sicheren Seite stehen.
stefan bottler