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Parallel oder nacheinander?

30.11.2010 12:02 Uhr

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Fahrverbote

Parallel oder nacheinander?

Wenn einem Vielfahrer gleich mehrere Fahrverbote drohen, ist immer noch umstritten, in welcher Reihenfolge sie vollstreckt werden und unter welchen Voraussetzungen dies auch gleichzeitig geschehen kann.

Aus der Sicht eines mit Verkehrsrecht befassten Rechtsanwalts kommt es nicht selten vor, dass gerade beruflich bedingten Vielfahrern gleich mehrere Fahrverbote drohen. Im Vordergrund der Beratung steht immer die Frage nach der möglichen Vermeidung oder zumindest der Verkürzung der drohenden „führerscheinfreien Zeit“.

Dabei ist trotz mittlerweile grundsätzlich klärender Rechtsprechung die Frage der Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer Fahrverbote aus verschiedenen Bußgeldbescheiden immer noch umstritten. Gerade neuere Entscheidungen stärken die Position des Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Hierbei sind gleich mehrere Fallkonstellationen denkbar:

Mehrere Fahrverbote ohne Vier-Monats-Frist (§ 25 Abs. 2 StVG)

Nach als überwiegend zu bezeichnender Ansicht können mehrere bereits rechtskräftige, das heißt in Lauf gesetzte Fahrverbote parallel, also nebeneinander und zeitgleich vollstreckt werden. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber die Anschlussvollstreckung (also den Antritt der einzelnen Fahrverbote nacheinander) durch die Einführung des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG nur für Fahrverbote mit Vier-Monats-Frist wollte (wenn man dem Verordnungsgeber unterstellt, er hätte die zum Teil kaum nachvollziehbaren Folgen für einen rechtstreuen Ersttäter überhaupt einmal vorhergesehen); eine vergleichbare Regelung fehlt nämlich in § 25 Abs. 2 StVG für Wiederholungstäter.

Wiederholungstäter, also solche Betroffenen, die in den letzten fünf Jahren schon einmal ein Fahrverbot antreten mussten, haben nach dem (unterstellten) Willen des Verordnungsgebers nun die Möglichkeit, mehrere Fahrverbote zeitgleich abzugelten, sodass sie faktisch nur einen Monat ohne Führerschein auskommen müssen (OLG Celle ZfS, 1993,30; BayObLG DAR 1994, 74; AG Frankfurt/Main ZfS 1994, 227; AG Steinfurt, ZfS 1996, 36; AG Aurich, DAR 1998, 206; AG Herford DAR 2000, 133; AG Braunschweig ZfS 2002, 552).

Am deutlichsten hat dies bereits 1994 das BayObLG ausgedrückt: „Wird der Ausspruch über ein Fahrverbot während der Zeit rechtskräftig, in der der Führerschein des Betroffenen wegen eines anderen Fahrverbots amtlich verwahrt wird, so beginnt die Verbotsfrist zu diesem Zeitpunkt“ (DAR 1994, 74). Auch wenn der Sinn und Zweck des Fahrverbots als „Denkzettel und Besinnungsmaßnahme“ gegen eine gleichzeitige Vollstreckung sprechen, steht dem jedoch der Gesetzeswortlaut (rechtsdogmatische Bedenken einmal außer Acht gelassen) entgegen. Bei gleichzeitiger Rücknahme der Einsprüche gegen Bußgeldbescheide mit Fahrverbot werden die Fahrverbote aus den Bußgeldbescheiden gleichzeitig wirksam, sodass die Verbotsfrist aller Fahrverbote vom Tag der Ablieferung des Führerscheins an gerechnet werden muss.

Mehrere Fahrverbote mit Vier-Monats-Frist (§ 25 Abs. 2a StVG)

Werden gegen den Betroffenen (Ersttäter) mehrere Fahrverbote mit der Vier-Monats-Frist nach § 25 Abs. 2a StVG verhängt, ist trotz der eigentlich eindeutigen gesetzlichen Regelung umstritten, ob diese parallel oder nacheinander vollstreckt werden können.

Überwiegend gehen die Gerichte davon aus, dass die Fahrverbote nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG nacheinander vollstreckt werden müssen. Dies soll auch dann gelten, wenn die Rechtskraft der Fahrverbote zeitgleich eintritt, weil die Einsprüche (wie oben in der ersten Fallkonstellation) gleichzeitig zurückgenommen werden. Es wird aber ganz vereinzelt auch die Meinung vertreten, dass Fahrverbote mit Vier-Monats-Frist parallel vollstreckt werden können, wenn die Fahrverbote gleichzeitig rechtskräftig werden. So hat das AG Meißen (DAR 2010, 339) entschieden, dass mehrere (vorliegend: drei) zeitgleich rechtskräftig werdende Fahrverbote mit Vier-Monats-Frist parallel zu vollstrecken sind. Das Gericht führte aus, dass der zu entscheidende Fall nicht vom Wortlaut des § 25 Abs. 2a S. 2 StVG umfasst sei. Die Formulierung setze verschiedene Rechtskrafttermine voraus und erfasse somit nicht Fälle, bei denen Bußgeldentscheidungen gleichzeitig rechtskräftig werden.

Allerdings geht die herrschende Meinung, zum Beispiel das AG Essen (DAR 2009, 658), davon aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Fahrverbote mit Vier-Monats-Frist grundsätzlich nacheinander zu vollstrecken sind. Im Verfahren kam es durch Rücknahme zweier Einsprüche zur gleichzeitigen Rechtskraft der Fahrverbote. Auch das AG Waiblingen (VRR 2008, 358) stellte fest, dass die Vollstreckung nacheinander zu erfolgen hat, wenn mehrere Fahrverbote gemäß § 25 Abs 2a StVG zeitgleich rechtskräftig werden. Die Reihenfolge der Vollstreckung richtet sich in diesen Fällen nach dem Datum der Bußgeldbescheide.

Fahrverbote mit und ohne Vier-Monats-Frist („Mischfälle“)

Nicht abschließend geklärt ist, ob in Mischfällen nacheinander oder parallel zu vollstrecken ist. Diese Fallkonstellation ist in der Praxis äußerst umstritten.Zur Begründung der Parallelvollstreckung wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Regelung in § 25 Abs. 2a S. 2 StVG um eine Ausnahmevorschrift handele, die eng auszulegen sei (so AG Münster DAR 2007, 409; AG Viechtach DAR 2007, 411; aktuell auch AG Bremen vom 20.08.2010, Az: 82 OW 660 J8 71222/09 (4/10)).

Zur Begründung der Nacheinander-vollstreckung wird angeführt, dass § 25 Abs. 2a S. 2 StVG nicht auf Fahrverbote nach § 25 Abs. 2a S. 1 StVG beschränkt sei. Durch eine Nacheinandervollstreckung soll eine Bevorzugung hartnäckiger Verkehrssünder vermieden werden (so AG Hamburg St. Georg DAR 2007, 408; AG Viechtach DAR 2007, 662; DAR 2008, 276).

Bleibt zum Schluss die Frage, welche Erkenntnis der beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesene Autofahrer aus diesem – zugegeben nicht ganz einfachen –Geflecht der Rechtsprechung ziehen soll: zuallererst natürlich, dass korrekte Fahrweise das Dilemma am besten vermeidet; aber auch, dass bei drohender Verhängung eines Fahrverbots frühestmöglich ein Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden sollte. Wie gezeigt, bestehen Lösungsmöglichkeiten nicht immer in der Diskussion um das Messverfahren, auch rechtliche und vor allem taktische Aspekte können helfen, ein Fahrverbot zu vermeiden.

Dr. Michael Ludovisy

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Haltereigenschaft des Arbeitgebers bei DW-Überlassung zu privaten Zwecken

Wird einem Arbeitnehmer ein Firmenwagen durch eine Dienstwagenklausel auch zu privaten Zwecken überlassen, so ist der Arbeitgeber weiterhin Halter des Kfz. Im Rahmen der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach fehlgeschlagener Ermittlung des Fahrzeugführers erfolgt gegenüber dem Halter eine Zurechnung der unterlassenen Mitwirkung der Identitätsfeststellung durch den Arbeitnehmer.

OVG Berlin-Brandenburg, Aktenzeichen 1 N 42/10, NJW 2010, 2743

Höhe des Stundensatzes bei fiktiver Abrechnung

Der Geschädigte muss sich bei einem Fahrzeug mit einem Alter von mehr als drei Jahren, das nicht scheckheftgepflegt ist, auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard „gleichwertige Reparaturmöglichkeit“ in einer mühelos und „ohne Weiteres zugänglichen freien Werkstatt“ verweisen lassen. Eine „gleichwertige Reparaturmöglichkeit“ weist folgende Merkmale auf: zertifizierter Meisterbetrieb, Verbandsmitgliedschaft, Qualitätskontrolle durch TÜV oder DEKRA, Verwendung von Originalersatzteilen sowie drei Jahre Garantie. Für die tatrichterliche Beurteilung der Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeit gilt auch im Rahmen des § 254 Absatz 2 Satz 1 BGB das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO. „Ohne Weiteres zugänglich“ ist eine Werkstatt zumindest dann, wenn sie in 21 Kilometern Entfernung vom Wohnort des Geschädigten oder aber im unmittelbaren Einzugsbereich einer Großstadt liegt, wenn der Geschädigte dort seinen Wohnort hat.

BGH, Aktenzeichen VI ZR 259/09, DAR 2010, 577

Verweis auf Stundensätze einer freien Fachwerkstatt

Der Geschädigte darf im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Unfallschadens die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt nur dann nicht geltend machen, wenn der Schädiger ihm eine billigere gleichwertige freie Fachwerkstatt nennt, die für den Geschädigten ohne Probleme erreichbar ist. Eine Verweisung ist nur dann möglich, wenn die Werkstatt ohne Verhandlungen aufgrund der vom Schädiger mitgeteilten Geschäftsbedingungen die Reparatur durchführen würde und der Geschädigte problemlos und v. a. ohne eigene Erkundigungen einholen zu müssen, von einer gleichwertigen Reparatur ausgehen kann. Der Schädiger muss dem Geschädigten Informationen über die Werkstatt zukommen lassen, so beispielsweise, ob diese ein Meisterbetrieb ist, über Zertifikate verfügt, nur originale Ersatzteile einbaut oder auch, wie oft sie schon verunfallte Fahrzeuge repariert hat. Andernfalls kann der Geschädigte eine Gleichwertigkeit nicht erkennen.

LG Krefeld, Aktenzeichen 3 S 30/09, NJW 2010, 3040

Steckenlassen des Autoschlüssels auf Privatgrundstück nicht grob fahrlässig

Die Kaskoversicherung ist von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Fahrzeugdiebstahl grob fahrlässig herbeiführt. Davon kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn er den Fahrzeugschlüssel im Zündschloss stecken lässt und sich vom Fahrzeug entfernt. Dieser Grundsatz greift jedoch nicht, wenn das Fahrzeug dergestalt gesichert war, dass es sich in einem umzäunten Privatbereich befand, der zusätzlich durch ein Eisentor geschlossen war.

OLG Düsseldorf, Aktenzeichen I-4 U 102/09, SP 2010, 331

Herstellerübergreifender Vergleich bei Feststellung eines Mangels

Das Ruckeln des Getriebes bei einem Pkw stellt selbst dann einen Mangel im Sinne von § 434 I BGB dar, wenn alle Vergleichsfahrzeuge derselben Baureihe über ein solches Ruckeln verfügen, dieses aber bei vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller nicht auftritt.

OLG Köln, Aktenzeichen 15 U 185/09, ASR 2010, Heft 10, 3

Keine Altersvereinbarung beim Kauf eines Vorführwagens

Mit der Beschaffenheitsangabe „Vorführwagen“ ist – anders als mit den Bezeichnungen „fabrikneu“ oder „Jahreswagen“ – ein bestimmtes Alter des Fahrzeugs nicht vereinbart. Die Kennzeichnung eines Fahrzeugs als Vorführwagen enthält keine Aussage über die Dauer seiner Nutzung als Vorführwagen. Eine zeitliche Beschränkung auf weniger als zwei Jahre ist ihr nicht zu entnehmen. Auch ein zwei Jahre alter Vorführwagen ist ein Vorführwagen. Dies schließt nicht aus, dass der Käufer eines Vorführwagens aufgrund besonderer Umstände im konkreten Fall erwarten darf, dass ein als Vorführwagen angebotenes Fahrzeug ein bestimmtes Alter nicht überschreitet.

BGH, Aktenzeichen VIII ZR 61/09, BB 2010, 2381

Verschweigen des Kfz-Standorts nach Abschleppen von Supermarktparkplatz

Wird auf einem – mit eindeutigen Hinweisschildern zur Abschleppandrohung versehenen – Supermarktparkplatz ohne Einkauf, zudem über eine Stunde, geparkt, so liegt eine Besitzentziehung nach § 858 BGB vor, bei der abgeschleppt werden darf. Wird vom Abschleppunternehmer, an den die Ansprüche vom Parkplatzbesitzer abgetreten worden sind, die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert beziehungsweise dessen Standort im öffentlichen Verkehrsbereich, zu dem dieses im Rahmen der Abschleppmaßnahme verbracht worden ist, verschwiegen, so ist dies durch § 986 I S.1 BGB bzw. § 273 BGB gedeckt. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bis zur Zahlung, jedenfalls der Abschleppkosten, ist im Hinblick auf § 273 III BGB nicht unverhältnismäßig, da der Kfz-Eigentümer die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung – Hinterlegung der Geldsumme – abwenden kann.

LG Berlin, Aktenzeichen 9 O 150/10, DAR 2010, 645

Vertragswerkstattklauseln in Kaskoversicherungsverträgen

Eine Vertragswerkstattklausel in einem Kaskoversicherungsvertrag ist wirksam und führt damit zu keinen unbilligen Ergebnissen, da der Versicherungsnehmer (VN) bei seiner Versicherung den Standort der nächsten Vertragswerkstatt erfragen kann. Es bestehen keine Bedenken gegen die entsprechende Klausel. Eine solche ist in fast jedem entsprechenden Versicherungsvertrag enthalten. Sie ist im beiderseitigen Interesse, denn die Versicherung gibt die hierdurch erlangten Vorteile mittels niedriger Prämien jedenfalls teilweise an den VN weiter. Die Klausel führt auch zu keinen unbilligen Ergebnissen, wenn eine Vertragswerkstatt im Schadensfall nicht in der Nähe ist. Die Versicherung hat ihrerseits aus § 93 a ihrer AGB die Verpflichtung für jeden Fall eine Vertragswerkstatt zu benennen oder die Reparatur bei einer freien Werkstatt freizugeben.

G Berlin-Mitte, Aktenzeichen 15 C 466/09, SP 2010, 336

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