Es gibt sicherlich nur ein paar dutzend Mobilitätsmanager, die wie Ulrich Stautner von BMW (siehe S.33), die dienstlichen Wege von über 25.000 Mitarbeitern gestalten müssen. Dass man dabei nicht das Rad neu erfinden muss, sondern bewährte Konzepte einfach in die digitale Welt überführt - was herausfordernd genug ist -, kann auch Bernhard Edmaier unterschreiben. Edmaier ist Gründer von B2Ride, einer Plattform für die Bündelung von Dienst- und Pendelfahrten.
B2Ride setzt auf einen Mix aus Carpool sowie Shuttlefahrten und ist gleichzeitig mit den Themen Parkplatz und neuerdings auch Ladeinfrastruktur vernetzt. Also eben jene Bereiche, die aktuell auch die Autohersteller oder Dienstleister als"Mobility as a Service" lancieren. Der Weg scheint hier schnell klar, nur das "Wie" unterscheidet sich.
Peer-to-Peer-Lösungen
Einige der ersten B2Ride-Kunden stammen aus einer Kooperation mit der Privatuniversität Schloss Seeburg in Salzburg. Dort wird im Rahmen des "LEADER"-Projekts Ride-Sharing-Zentrum Salzburger Seenland ein Netzwerk aufgebaut. Ziel des öffentlich geförderten Projekts ist die Schaffung einer nachhaltigen Mobilitätsalternative für junge Auszubildende einer Handelsakademie, Angestellte mehrerer Unternehmen und Teilnehmer von Veranstaltungen. Das Ride-Sharing steht dabei nicht im Wettbewerb mit anderen nachhaltigen Mobilitätsformen, sondern wird als Ergänzung, insbesondere zum öffentlichen Personennahverkehr, gesehen.
Nach einer achtwöchigen Vorbereitung ging es mit dem Fahrtenteilen los. "Dabei bieten wir neben dem Peer-to-Peer-Carpool (flexible Fahrgemeinschaften) unter anderem Peer-to-Peer-Shuttle (Mitarbeiter als fixe Fahrer in Privat- oder Poolfahrzeugen) an." Das funktioniert wie folgt: Fahrer und Mitfahrer registrieren sich mit ihrer Firmen-E-Mail oder einem persönlichen Token, installieren eine App oder nutzen einen Browser oder Online-Kalender und speichern ein Fahrtangebot oder eine Mitfahranfrage. Die SAP-Software"TwoGo", ermittelt nach der Suchanfrage automatisch die optimale Fahrgemeinschaft und es erfolgt umgehend ein Match. "Wir vermitteln dabei Fahrgemeinschaften innerhalb eines Unternehmens oder auch firmenübergreifend. Jedes Unternehmen kann hier teilnehmen", betont Edmaier.
Bis zu 80 Prozent vermittelt
Je mehr Mitarbeiter teilnehmen, desto besser funktioniert es, für jede Anfrage das passende Angebot zu finden.
In einem Fall, der exemplarisch die Möglichkeiten zeigt, besteht das Unternehmen aus vier Standorten mit rund 2.000 Mitarbeitern - die Hälfte davon ist am größten Standort zu finden. "Hier sind wir zunächst mit 20 Peer-to-Peer-Shuttlenutzern gestartet, um bereits vor dem offiziellen Start Fahrtangebote auf den großen Fahrplantafeln in der Kantine und am Eingangsbereich sichtbar zu machen. Nach der Freigabe des Systems für alle Angestellten konnten wir mit Peer-to-Peer- Carpool schnell auf über 200 Nutzer steigern." Also jeder zehnte Mitarbeiter (Tendenz steigend) teilt mittlerweile Platz im Privat- oder Dienstwagen oder im Poolfahrzeug. Am größten Standort mit etwa 1.000 Angestellten liegt laut Edmaier die Vermittlungsrate bei über 80 Prozent, insgesamt liegt sie bei 50 Prozent.
Diese gut zehn Prozent an Mitarbeitern, die am Programm teilnehmen, klingen zunächst wenig, aber diese Größenordnung ist laut dem Manager absolut die Regel und kann auch schnell auf 15 Prozent gesteigert werden. Zu groß sind anfangs oft die Bedenken, den freien Platz rechts neben dem Fahrersitz anzubieten, wie der Manager weiß: "Fahrgemeinschaften bieten eine Menge Unsicherheiten für Fahrer und Mitfahrer. Darauf hat man auf dem Weg zur Arbeit keine Lust, so ein gängiges Vorurteil." Ist eine Firma zu klein, um selbst genügend Verkehre zu generieren, wird in der Nachbarschaft gefragt, ob man sich als Pool zusammentun möchte. So ein Projekt startet B2Ride gerade in Fulda.
Bonuspunkte, Premium-Parken
Das Ganze funktioniert allerdings nur durch die Kombination aus Information und Motivation. Der erste Teil wird über Mitarbeitertreffen abgedeckt und durch Aktionstage mit Leben gefüllt. Beim zweiten Teil ist die Firma gefragt. "Indem Sie beispielsweise spezielle Parkplätze für die B2Ride-Nutzer anbietet oder diese incentiviert", erklärt Edmaier, der immer vertriebsunterstützend und nah am Kunden gearbeitet hat. Bei der British Telecom (BT Technology, Services and Operations) in Deutschland kümmerte er sich um neue Technologien und Dienste für Kunden wie "Network as a Service", "Infrastructure as a Service" und jetzt eben in Eigenregie um "Mobility as a Service". So kennt er beide Seiten in der Firma."Das Ganze ist deutlich komplexer, als beispielsweise Corporate Carsharing einzuführen. Nur die Software anzubieten, das läuft nicht. Man muss ein Ökosystem schaffen, um die Mitarbeiter mitzunehmen." Also genügend starke Anreize schaffen. So können alle Teilnehmer Bonuspunkte sammeln und später gegen Prämien eintauschen. Die passenden Partner dafür wie Fitnessketten oder Fahrradanbieter akquiriert B2Ride gleich mit. Hinzu kommen Vorzüge vor Ort wie der reservierte Parkplatz oder künftig die smarte Lademöglichkeit für E-Fahrzeuge.
Denn wenn man schon jemanden mitnimmt, und dafür vielleicht länger unterwegs ist, will man keine Nachteile bei der Stellplatzsuche in Kauf nehmen. Also können Firmen entsprechende Parkflächen für ihre Gemeinschaftspendler reserviert halten. Unternehmen, die das Mobilitätsangebot mit der Nachfrage geschickt kombinieren, können große Effekte erzielen. Und nicht nur die CO2-Bilanz, sondern den Auslastungsgrad der gesamten Flotte positiv beeinflussen. Höhere Auslastung gleich weniger Fahrten heißt dabei die Gleichung, die oft mit dem Peer-to-Peer-Ansatz beginnt. B2Ride organisiert hier sowohl feste wie auch flexible Routen mit Hilfe der Firmenmitarbeiter oder mit professionellen Fahrern von Drittanbietern.
Vom Carpool über das Shutteln mit Privat- oder Poolfahrzeugen bis zum professionellen Shuttleservices ist alles möglich. "Professioneller Shuttleservice heißt hier bis hin zum Bus mit 50 Sitzplätzen, der die Mitarbeiter vom Wohnort oder auch von einem Park & Ride-Parkplatz zum Unternehmen und wieder zurückbringt", berichtet Edmaier. Gerade was die Anforderungen an die Mobilität betrifft, liegen Welten zwischen städtischen und ländlichen Standorten. Anhand der unterschiedlichen Vorteile wird das Mitarbeiter-Marketing aufgebaut, um nicht nur die technischen Fragen zu erklären, sondern die Mitarbeiter zum Teilnehmen zu animieren.
Als zentraler digitaler Helfer agiert die Ridesharing-App. Falls während der Fahrten etwas passiert, greift künftig die zusätzliche Versicherung. Grundsätzlich sind die Mitfahrer über die Haftpflichtversicherung des Fahrers mitversichert (siehe Autoflotte 7/2019, S. 51). "In Not-oder Pannenfällen erhalten Sie sofort Unterstützung und eine Mobilitätsalternative, um Ihr Ziel schnellstens zu erreichen. Bei Ausfällen von Fahrgemeinschaften erhalten Sie eine Mobilitätsalternative, um Ihr Ziel schnell und günstig zu erreichen", konkretisiert der Manager. Dies betrifft unter anderem auch den Fall, dass ein Mitarbeiter mit einer Mitfahrgelegenheit ins Büro gefahren ist, dann aber einen Notruf erhält und dafür eventuell ein Taxi nehmen muss. Diese Kosten würde dann die neue Versicherung übernehmen.
Geld fürs Fahren
Welche Elemente des Mobilitätspakets für die einzelnen Firmen sinnvoll sind, wird in den Vorgesprächen geklärt. Hier kommen auch die relevanten Schnittstellen zwischen Arbeitgeber (Einkauf, Rechtsabteilung, IT, Datenschutz) und Arbeitnehmer (Betriebsrat, Personalabteilung) dazu, denn Teilhabe heißt, vorab die nötigen Absprachen zu treffen."Diese Gespräche führen wir meist mit einem eigenen Mobilitätsteam, das sich dafür im Unternehmen gegründet hat", weiß der B2Ride-Gründer.
Spätestens hier kommt das Budget zur Sprache. B2Ride gibt sogenannte Jahrestickets (ab 19,99 Euro ab 100 Jahrestickets) an das Unternehmen, das jeweils einem Teilnehmer entspricht. Für zehn Prozent der Mitarbeiter sollte das System im ersten Jahr aufgebaut werden, um den nötigen Schwung zu entfalten. So legt man mit diesem Pool im ersten Jahr los und zahlt im zweiten Jahr dann nur noch für die aktiven Nutzer. Es ist damit auch Teil des Jobs des B2Ride-Teams, Analysen zu ziehen und Maßnahmen zu initiieren, um die Zahl der Nutzer zu erhöhen. Ein Anreiz ist dabei ein monetärer.
So zahlt beispielsweise der Mitfahrer dem Fahrer bei der morgendlichen privaten Pendelfahrt einen Obolus. "Dieser berechnet sich in Deutschland mit 20 Cent pro Fahrkilometer geteilt durch die Anzahl der Insassen. Bei einem Mitfahrer sind es dann zehn, bei drei sind es dann fünf Cent pro Kilometer. Das passiert aber alles auf freiwilliger Basis". Bei Dienstreisen fließt natürlich kein Geld an den Fahrer, der nicht mehr alleine reist.
- Ausgabe 08/2019 Seite 36 (121.3 KB, PDF)