Problemfall Poolfahrzeug
Ende 2009 hat das Bundesministerium der Finanzen seine Meinung zur Anwendung der Ein-Prozent-Nutzungswertbesteuerung in solchen Fällen geändert, in denen einem Unternehmer mehrere Fahrzeuge zur Nutzung zur Verfügung stehen. Auch wenn diese Nutzung eher theoretischer Natur ist.
Bislang blieb diese Änderung in der Praxis ohne größere Beachtung. Allerdings mehren sich in letzter Zeit aus der Mandantschaft besorgte Anfragen hierzu. Betroffen ist der Mittelstand im Sinne inhabergeführter Unternehmen, die in einer typischen Variante der Personengesellschaft geführt werden.Dabei geht es um eine Konstellation, die man wie folgt skizzieren kann: Der Fuhrpark umfasst 50 Einheiten, je zur Hälfte Nutzfahrzeuge wie Lkw, Zugmaschinen, Werkstattwagen etc. und handelsübliche Pkw. Von Letzteren sind 15 fest an Außendienstmitarbeiter vergeben, drei sind Dienstwagen leitender Angestellter. Diese 18 Fahrzeuge werden von ihren Nutzern auch für Privatfahrten eingesetzt, von den leitenden Angestellten sogar überwiegend. Die Privatnutzung wird auf den Lohnsteuerkarten der 18 Mitarbeiter erfasst und versteuert. Fünf Pkw bilden einen Pool, zwei weitere dienen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und dessen Ehefrau. Eines der Kinder des Inhaber-Ehepaares hat ein privat angeschafftes und unterhaltenes Auto, die anderen Kinder haben altersbedingt keinen Führerschein. Fahrtenbücher werden für keines der 51 (einschließlich des privaten) Kraftfahrzeuge geführt.
Bislang hat die oberste Finanzbehörde das Einkommensteuergesetz so interpretiert, dass die drei teuersten der sieben nicht fest zugeordneten Fahrzeuge beim Gesellschafter-Geschäftsführer nach der Ein-Prozent-Methode versteuert werden müssen. Trotz Existenz des Privatfahrzeugs wurde die Ein-Prozent-Regel auf jedes Mitglied der Unternehmerfamilie, das eine Fahrerlaubnis besitzt, angewendet.
Jetzt neu: Alle Poolfahrzeuge unterliegen der Pauschalversteuerung
Seit Anfang 2010 verlangt das Bundesministerium der Finanzen im beschriebenen Fall die Versteuerung aller sieben Autos nach der Ein-Prozent-Regelung. Dieser Meinungsumschwung ist mit Blick auf das Ergebnis der Besteuerung nicht verständlich. Im Beispielsfall werden die Poolautos von einem hierfür Verantwortlichen nur an Mitarbeiter herausgegeben, die einen betrieblichen Fahrzweck darlegen können (Filial-/Kundenbesuch, Besorgungs-/Servicefahrt, als Ersatz für fest zugeteilte Dienstwagen etc.). Für private Fahrten ist der Schlüssel der Poolfahrzeuge, die deutlich bescheidener als die Cheflimousine sind, nicht zu bekommen.
Die Neuregelung führt zu einer absurd hohen Steuerbelastung für die Inhaberfamilie. Diese ist auch nicht vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass deren Mitglieder im Unterschied zu den Mitarbeitern vermutlich immer Möglichkeiten finden werden, ein Poolfahrzeuge zum Abtransport von Gartenabfall oder für ähnliche sporadische Privatfahrten zu nutzen.
Sollte der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Auto-Freak sein, der sich für jeden erdenklichen Anlass das passende Luxusgefährt hält, würde es gar nicht erst zur Anwendung der Ein-Prozent-Regelung kommen, da diese eine betriebliche Nutzung von mehr als 50 Prozent voraussetzt, und zwar für jedes einzelne Fahrzeug. Also wären je nachdem fünf bis sechs oder sogar alle sieben Fahrzeuge aus dem Betriebsvermögen herauszunehmen, und zwar ganz ohne Rückgriff auf die Interpretationen des Bundesfinanzministeriums, durch schlichte Anwendung des Gesetzestextes.
Kopfzerbrechen bereitet jedoch der erstgenannte, der völlig unverdächtige Normalfall, in dem die nach Gesetz und gesundem Menschenverstand richtige Lösung lautet: Ein-Prozent-Regelung für den Chef, bezogen auf das von ihm genutzte Auto, kein Betriebsausgabenabzug und folglich keine Ein-Prozent-Versteuerung für den Wagen seiner Frau und keine Nutzungswertbesteuerung für die fünf Poolfahrzeuge. Die Patentlösung, eine stringente Fahrtenbuchführung für die Poolfahrzeuge, ist bürokratisch und teuer, weil die Anforderungen an die Qualität des Fahrtenbuchs bekanntlich sehr hoch sind. Die Unterstellung der Poolfahrzeuge unter die Verantwortung eines Mitarbeiters schützt zwar die übrigen Mitarbeiter, nicht aber den auf einer höheren Autoritätsebene stehenden Unternehmer vor der Ein-Prozent-Versteuerung.
Vielleicht setzt die Finanzverwaltung ja einfach darauf, dass es bei Prüfungen angesichts der indiskutabel lange dauernden und teuren Gerichtsverfahren zu den altbekannten Kuhhandel-„Lösungen“ kommt, und zwar zugunsten der Finanzverwaltung. Ein Skandal.
Hans-Günther Barth
- Ausgabe 7/2010 Seite 60 (131.0 KB, PDF)