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Rechte bei Rufbereitschaft

28.11.2014 12:02 Uhr

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Rechte bei Rufbereitschaft

Schadensersatz | Welche Ansprüche hat der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber, wenn er während einer Rufbereitschaft mit seinem Privatfahrzeug in einen Unfall verwickelt wird?

— Rufbereitschaft ist den meisten Autofahrern nur im Zusammenhang mit Ärzten im Bereitschaftsdienst bekannt. Dabei wird häufig übersehen, dass es eine klassische Rufbereitschaft auch in vielen anderen Berufen geben kann, so zum Beispiel bei handwerklichen oder technischen Notdiensten.

Bereits 2011 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu möglichen Erstattungsansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bei Unfallschäden am Privatfahrzeug während einer Rufbereitschaft Stellung bezogen (Entscheidung vom 22. Juni 2011, Az. 8 AZR 102/10).

Ein Arbeitnehmer, anlässlich seiner Rufbereitschaft bei der Fahrt von seinem Wohnort zur Arbeitsstätte mit seinem Privatwagen verunglückt, hat grundsätzlich Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Ersatz des an seinem Pkw entstandenen Schadens. Die Höhe dieses Ersatzanspruchs bemisst sich nach den Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs; soweit das BAG.

Da diese Grundsätze für eine Vielzahl von Berufen relevant sind, verdient dieses Urteil durchaus entsprechende Beachtung. Insbesondere, weil die vom BAG dargestellten Grundsätze nicht nur für den Fall einer Rufbereitschaft herangezogen werden können, sondern bei jeder dienstlichen Fahrt mit dem Privatfahrzeug. Das BAG hat seine grundlegenden Erwägungen zum Ersatz von Aufwendungen gemäß § 670 BGB im Zusammenhang mit der (dienstlichen) Nutzung von Privatfahrzeugen dargelegt.

Der Fall | Der Entscheidung lag folgender Vorfall zugrunde: Der Kläger ist als Oberarzt in einer Klinik beschäftigt. Er wohnt einige Kilometer von seinem Arbeitsort entfernt. An einem Sonntag war er zum Rufbereitschaftsdienst eingeteilt und hielt sich in seiner Wohnung auf, als er wegen eines Notfalls ins Klinikum gerufen wurde. Bei dieser Fahrt mit dem Privatfahrzeug kam er bei Straßenglätte von der Fahrbahn ab und beschädigte dabei seinen Pkw. Mit der Klage verlangte er die Erstattung des entstandenen Schadens von seinem Arbeitgeber.

Zunächst wurden die Ansprüche des Klägers abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, dass jeder Arbeitnehmer seine Aufwendungen für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte grundsätzlich selbst zu tragen habe. Dazu gehören in der Regel auch Schäden am eigenen Fahrzeug. Dies ist die grundsätzliche Rechtslage.

Dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen | Allerdings hat der beauftragte Arbeitnehmer nach § 670 BGB gegen den Auftraggeber respektive Arbeitgeber einen Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die er zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gemacht hat und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Ein Arbeitnehmer hat in entsprechender Anwendung des § 670 BGB Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen.

Voraussetzung der Ersatzfähigkeit eines Eigenschadens ist, dass der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muss, weil er dafür etwa eine besondere Vergütung erhält.

Sachschäden des Arbeitnehmers, mit denen nach Art des Betriebs oder der Arbeit zu rechnen ist, insbesondere Schäden, die regelmäßig entstehen können, sind arbeitsadäquat und im Arbeitsverhältnis keine Aufwendungen im Sinne des § 670 BGB.

Aufwendung nach § 670 BGB | Handelt es sich dagegen um außergewöhnliche Sachschäden, mit denen der Arbeitnehmer nach der Art des Betriebs oder der Arbeit nicht ohne Weiteres zu rechnen hat, so liegt eine Aufwendung nach § 670 BGB vor.

Man wird davon ausgehen können, dass Arbeitnehmer auf der Fahrt zum Arbeitsort nicht regelmäßig mit durch Verkehrsunfälle eintretenden Schäden „ohne Weiteres“ rechnen müssen.

Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sich die Fahrzeit des Arbeitnehmers zu seinem Einsatzort rechtlich als Arbeitszeit darstellt.

Es besteht dabei weder der Grundsatz, dass Eigenschäden eines Arbeitnehmers während der Arbeitszeit immer die Erstattungspflicht des Arbeitgebers auslösen, noch ist eine Erstattungspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich ausgeschlossen, nur weil der Schaden außerhalb der Arbeitszeit eingetreten ist.

Betätigungsbereiche | In Anwendung dieses Grundsatzes hat es das BAG für einen Entschädigungsanspruch wegen eines Schadens an einem vom Arbeitnehmer benutzten Privatwagen als allein entscheidungserheblich angesehen, ob ein Vorgesetzter den Arbeitnehmer angewiesen hatte, das eigene Fahrzeug für die Fahrt zur Arbeitsstelle (im entschiedenen Fall eine Baustelle) zu benutzen. Ist die Nutzung auf Verlangen des Arbeitgebers erfolgt, fällt die Fahrt – auch wenn diese außerhalb der Arbeitszeit stattfindet – in den Risikobereich des Arbeitgebers.

Ist es dem Arbeitnehmer hingegen freigestellt, ob er zur Arbeitsstelle zu Fuß geht, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt oder im eigenen Interesse sein Fahrzeug nutzt, erfolgt die Nutzung des Pkw nicht im Betätigungsbereich des Arbeitgebers. Für die Ersatzpflicht spielt die Frage, ob der Schaden während der Arbeitszeit eingetreten ist, damit keine Rolle. Entscheidend ist ausschließlich, ob der Schaden im Betätigungsbereich des Arbeitgebers eingetreten ist.

Auf schnellstmöglichem Weg | Rufbereitschaft zeichnet sich dadurch aus, dass der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort so wählen muss, dass er auf Abruf die Arbeit innerhalb einer Zeitspanne aufnehmen kann, die den Einsatz nicht gefährdet. Damit stellt sie keine Freizeit des Arbeitnehmers im eigentlichen Sinne dar. Dies sehen übrigens oft auch die Tarifvertragsparteien.

Während der Rufbereitschaft hat der Arbeitnehmer – wie während seiner eigentlichen Arbeitszeit – die Verpflichtung, Weisungen seines Arbeitgebers nachzukommen. So hat er sich auf dessen Aufforderung zur Arbeitsstelle zu begeben und dort seine Arbeitsleistung zu erbringen.

Da es im Regelfalle nicht in seinem Belieben steht, wann er diese vom Arbeitgeber „abgerufene“ Arbeitsleistung erbringt, sondern weil er dies innerhalb einer den Arbeitseinsatz nicht gefährdenden Zeit tun muss, steht es ihm somit auch nicht frei, wie er sich zur Arbeitsstelle begibt. Er hat regelmäßig die Pflicht, sich auf „schnellstmöglichem Wege“ dorthin zu begeben.

Freie Entscheidung beim Arbeitsweg | Damit unterscheidet sich der Weg zur Arbeitsstelle während der Rufbereitschaft grundlegend von dem allgemeinen Weg zur Arbeit. Bei Letzterem ist der Arbeitnehmer frei, wann, wie und von wo aus er diesen antritt. Der Arbeitgeber hat lediglich ein berechtigtes Interesse daran, dass der Arbeitnehmer pünktlich an der Arbeitsstelle erscheint.

Bei der Rufbereitschaft hat der Arbeitgeber dagegen deren Dauer angeordnet und hat Anspruch auf Mitteilung, wo sich der Arbeitnehmer aufhält, und bestimmt den Zeitpunkt, ab welchem dieser sich auf den Weg zur Arbeitsstelle machen muss. Daraus ergibt sich ein besonderes Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer angemessenen Zeitspanne ab dem Abruf der Arbeit dieselbe aufnimmt. Wäre dies nicht der Fall, hätte der Arbeitgeber keine Rufbereitschaft angeordnet.

Wenn nach alledem der Arbeitnehmer entscheidet, mit seinem privaten Pkw zur Arbeit zu fahren, dann handelt er in der Regel auch im Interesse seines Arbeitgebers. Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen die Benutzung des privaten Fahrzeugs ausschließlich den Interessen des Arbeitnehmers dient (etwa dann, wenn er den Arbeitsplatz genauso gut oder sogar schneller zu Fuß erreichen könnte).

Diese Rechtsauffassung ist auch sinnvoll; es soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber sein Schadenrisiko nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen kann, wenn er sich dessen privaten Fahrzeugs als Arbeitsmittel bedient. | Dr. Michael Ludovisy

Beweislast | Schäden in Waschanlagen mit Schleppeinrichtung

– Bei Waschanlagen, in denen das Fahrzeug mit einer Schleppeinrichtung durch die Waschstraße gezogen wird und der Kunde währenddessen darin sitzen bleibt, kann eine Schadensursache auch aus dem Verantwortungsbereich des Kunden herrühren. In solchen Fällen kann nicht von einer Darlegungs- und Beweislastumkehr zu Lasten des Waschanlagenbetreibers ausgegangen werden.

Vielmehr ist der Kunde in dieser Konstellation darlegungs- und beweispflichtig für seine Behauptung, dass der Schaden durch einen Fehler der Waschanlage verursacht wurde.

AG Radolfzell, Az. 2 C 214/11, NZV 2014, 460

Unfallflucht | Regress der Haftpflichtversicherung

– Im Fall einer besonders schwerwiegenden Verkehrsunfallflucht ist der Kfz-Haftpflichtversicherer zu einem Regress von 5.000 Euro berechtigt.

Im entschiedenen Fall lag nach Ansicht des Gerichts eine besonders schwerwiegende Obliegenheitsverletzung vor. Der Versicherungsnehmer hatte als Unfallbeteiligter den Unfallort verlassen, obwohl er aufgefordert worden war, aus dem Fahrzeug auszusteigen.

AG Wiesloch, Az. 2 C 67/13; MDR 491

Kostenerstattung | Nachbesichtigung durch einen Sachverständigen

– Die Kosten des Sachverständigen für die Teilnahme an einer Nachbesichtigung sind zu erstatten, wenn die Versicherung des Schädigers Zweifel an der Höhe der kalkulierten Reparaturkosten hat, einen Besichtigungstermin verlangt und der Geschädigte möglicherweise aufkommenden Beanstandungen des gegnerischen Gutachtens nicht sachgerecht entgegentreten kann.

AG Kaiserslautern, Az. 11 C 416/14, zfs 2014, 559

Unerlaubte Privatnutzung | Dienstwagennutzer haftet bei Brandstiftung

– Ein Bundeswehroffizier erhielt für eine Lehrgangsteilnahme ein Dienstfahrzeug mit deutlich erkennbarem Schriftzug „Bundeswehr“. Privatfahrten waren nicht gestattet. Gleichwohl fuhr der Kläger damit privat nach Berlin. In der Nacht wurde darauf ein Brandanschlag verübt – Schaden: rund 12.000 Euro. Die Täter wurden nicht ermittelt. Die Klage gegen die Schadensersatzforderung des Arbeitgebers wurde abgewiesen: Der Kläger habe vorsätzlich die ihm obliegenden Pflichten verletzt und hierdurch sei ein adäquat kausaler Schaden eingetreten. Dieser sei nicht komplett unwahrscheinlich gewesen, weil es in Berlin seit mehreren Jahren häufig zu Autobrandstiftungen – vermehrt an Behördenfahrzeugen – gekommen sei.

Regelmäßiger Halterbegriff | Einheitliche Bestimmung

– Der Halterbegriff ist im Straßenverkehrsrecht wie in § 7 StVG und § 31a StVZO einheitlich zu bestimmen. In der Regel ist der Inhaber der Zulassung und der Versicherungsnehmer eines Fahrzeugs auch dessen Halter. Für diese Deutung sprechen bereits die Vorschriften über das Fahrzeugregister, namentlich § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 33 Abs. 1 Satz 2 StVG.

Die aus diesen Indizien abgeleitete Vermutung kann jedoch widerlegt werden.

OVG Lüneburg, Az. 12 ME 243/13, NZV 2014, 485

Fiktive Abrechnung | Kein Anspruch auf Nutzungsausfall

– Ein Anspruch auf Nutzungsausfall kann nicht fiktiv abgerechnet werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass Nutzungsausfall nur für den tatsächlichen Verlust einer Nutzungsmöglichkeit bei bestehendem Nutzungswillen des Fahrzeugs auszugleichen ist.

AG Obernburg/Main, Az. 1 C 139/12, SP 2014, 341

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Verkehrsunfall | Erforderliche Sachverständigenkosten

– Die Kosten für die Begutachtung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen. Voraussetzung ist, dass die Begutachtung zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche notwendig und zweckmäßig ist.

Einer Schätzung der Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten durch das Gericht nach § 287 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen.

Die losgelöst von den Umständen des Einzelfalles erfolgte Beurteilung des Richters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu seinem Grundhonorar berechneten Nebenkosten seien grundsätzlich mit 100 Euro zu veranschlagen und jeder höhere Betrag sei „erkennbar überhöht“, ist nicht akzeptabel und entbehrt einer objektiv nachvollziehbaren Grundlage.

BGH, Az. VI ZR 357/13, SP 2014, 348

Gestellter Unfall | Indizien, die nach richterlicher Auffassung dafür sprechen

– Für einen verabredeten Unfall sprechen:

Fahrmanöver der beteiligten Fahrzeuge begründen nach Auskunft eines Sachverständigen einen hinreichenden Manipulationsverdacht

Kfz des Geschädigten gehört zur Oberklasse

hohe Reparaturkosten

fiktive Abrechnung

Schädiger-Kfz ist ein gemieteter Klein-Lkw

Schädiger räumt seine Schuld unmittelbar am Unfallort ein

keine unbeteiligten Zeugen

Unfall am späten Abend

Schädiger hat wiederholt der Anordnung seines persönlichen Erscheinens zur mündlichen Verhandlung keine Folge geleistet

OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 122/13; SP 2014, 327

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