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Ressourcen nutzen

02.11.2020 06:00 Uhr

Braucht es eine Wallbox, wenn die Ladezeit oft nicht drängt? "chargeBIG" plädiert hier für kostengünstige Ladepunkte, die intelligent agieren und die vorhandene Infrastruktur nutzen.

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Welche Spuren der Umbruch in der Mobilität hinterlässt, liest sich am deutlichsten in der Bilanz der Automobilzulieferer ab. Umsatzrückgang, Kurzarbeit, Transformation. So auch bei Mahle. Vor ziemlich genau 100 Jahren (1921) brachten die beiden Tüftler-Brüder Hermann und Ernst Leichtmetallkolben auf den Markt, eine Dekade später folgten Kraftstoff-, Öl- und Luftfilter. Produkte, die weiterentwickelt wurden, aber in der Urform noch immer in fast jedem konventionellen Auto ihre Heimat finden. Noch. "Unsere Abhängigkeit vom Pkw-Verbrennungsmotor ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken und nähert sich mittlerweile der 40-Prozent-Marke", erklärt Mahle-CEO Jörg Stratmann. Das heißt, das Gros des Umsatzes erwirtschaften die Schwaben bereits mit zukunftssicheren Produkten.

Dass die Elektromobilität hier ihren Anteil hat, ist selbstverständlich; dass man dafür ein eigenes Start-up ins Leben rief, eher ungewöhnlich. Wie eng auch räumlich alt und neu verbandelt sind, verdeutlicht der kurze Fußweg vom Mahle Stammwerk nahe des Stuttgarter Zoos zu "chargeBIG" - so der Name des Spin-offs. Keine hundert Meter trennen die beiden Welten, die sich stärker ergänzen, als man es bei anderen Ausgründungen kennt. Was gute Gründe hat.

Woran das Team von einem knappen Dutzend Innovativer in Vollzeit forscht und entwickelt, verrät der Name bereits, wobei man "big" besser durch "smart" ersetzen könnte. Denn bei der Mahle-Ladelösung geht es nicht um die größtmögliche Leistung und das schnellstmögliche Batterie-Refresh, sondern um eine preisgünstige, anwenderfreundliche, sichere und problemlos skalierbare Variante für den Weltmarkt, wie Teamleiter Sebastian Ewert erklärt. So weit, so vertraut in dem Umfeld, in dem sich Start-ups schnell gründen, dann lernen müssen, dass gerade der Flottenmarkt durchaus einer eigenen Dynamik folgt - und man mühsam Kontakt zu den Autoherstellern und zu den Fuhrparks aufbauen muss. Mahle hat diesen Kontakt zu den OEMs seit jeher, was aber nicht heißt, dass man hier das Hauptgeschäft erwartet. "Die Autohersteller haben gerade in ihren Handelsorganisationen zahlreiche Einzelprojekte mit jeweils wenigen Ladepunkten an vielen Standorten. Da unsere Lösung erst ab zirka 18 Ladepunkten greift, haben wir diesen Kontakt nie so forciert, wie man denken mag. Viele Kunden denken in puncto Ladeinfrastruktur noch nicht groß genug. Das wollen wir ändern", sagt Ewert und meint damit die Zielgruppe, die statt mehrerer Wallboxen am besten viele Ladepunkte in eine bestehende Parkplatz-Infrastruktur integrieren möchte. Das "big" erfüllt hier also doch wieder seinen ursprünglichen Sinn.

Denn obwohl es nur viele Kabel und ein Schaltkasten sind, die es zum Laden braucht, braucht es differenzierte Technik, um jene Strommengen, die über diese Kabel verwaltet werden, intelligent einsetzen zu können. "Zwei Ladepunkte beim Händler zu installieren ist etwas anderes, als hundert Ladepunkte in ein Parkhaus zu bringen", bringt es Ewert auf den Punkt.

Was Ewert damit meint, wird deutlich, wenn man sich die Ressourcen vor Augen führt - sprich das Netzwerk an Kabeln, Steckern und smartem Taktgeber fürs Laden. Das alles braucht Platz und besteht zuweilen aus teuren Komponenten (wie Kupfer). Also sollte man zu Beginn der Planung haushalten und den bestehenden Stromanschluss optimal nutzen. Da der Onboard-Lader des E-Autos oft nur 7,4 kW im AC-Netz annehmen kann, ist manche 22-kW-Wallbox wie das Schießen mit Kanonen auf Spatzen, finden die Stuttgarter.

So liegt die maximale Ladeleistung der einzelnen Ladepunkte bewusst bei 7,2 Kilowatt. Und sie sind in der Regel nur einphasig. "Das klingt erstmal wenig, reicht aber bei sehr vielen Kunden aus", begründet Ewert."Wir können damit das Maximale aus dem vorhandenen Netzanschluss herausholen, ohne dass die Installationskosten zu hoch werden oder die Stromkosten des Kunden durch ungewollte Stromspitzen steigen." Erst klingt es bescheiden, dann allerdings logisch und vernünftig.

Standzeit von vier bis 14 Stunden

Sebastian Ewert, seit zwölf Jahren bei Mahle, Teil des "chargeBIG"-Gründungsteams, das vor drei Jahren aus dem konzerneigenen Inkubator ins Leben geführt wurde, verteidigt diese Begrenzung und verweist auf das Henne-Ei-Problem der E-Mobilität. "Wallboxen sind wichtig für das Laden zu Hause, Schnelllader sind wichtig an der Autobahn, aber wir können weder jedes E-Auto ständig schnellladen noch eine Wallbox jeweils zu Hause und beim Arbeitgeber vorhalten. Das ist weder effektiv, noch kostenseitig darstellbar."

Denn für das Gros der Fahrzeuge mit Stecker bleibt mehr als genügend Zeit, diese mit neuer Energie zu versorgen. Zwischen vier und 14 Stunden stehen die Fahrzeuge der Charge-Big-Kunden im Schnitt, rechnet Nicole Heinrich vor. "Da kurzfristige Strompeaks schnell zum Kostenproblem für die Kunden werden können und die meisten E-Modelle momentan maximal 7,4 kW per Wechselstrom aufnehmen, baut unser Ladesystem auf diesem Wert auf", betont auch die Sales- und Marketing-Managerin.

Die beiden Komponenten dafür - die Hardware und die Software für das Lastmanagement, das Backend sowie die Abrechnung - stammen hier aus Stuttgart Bad Cannstatt. "Wobei wir bei einigen Komponenten auf Partner zurückgreifen, die diese zuverlässig und in hoher Stückzahl fertigen. Andere Teile, wie der Ladekopf, der als Spritzgussteil zur Kernkompetenz von Mahle zählt, fertigen wir selbst", berichtet Ewert.

Zu den Besonderheiten zählt auch der Controller. Dieses Herzstück kann nicht nur mit einem, sondern gleichzeitig mit bis zu sechs Fahrzeugen kommunizieren. Das Zusammenspiel orchestriert ein unscheinbarer grauer Kasten, in dem die Steuergeräte der einzelnen Ladepunkte zusammengefasst sind. Und dieses Orchester folgt einer fixen Partitur."Um die Grundlast möglichst niedrig zu halten, checkt das System, welche weiteren Verbraucher auf den Stromanschluss zugreifen. Zieht beispielsweise die Großküche in der Firma viel Strom, wird die Ladeleistung der angeschlossenen E-Fahrzeuge gedrosselt", erzählt Ewert.

Wie man es von den Schnellladern kennt, ist auch bei der AC-Lösung von "chargeBIG" das Ladekabel stets am Ladepunkt fest angeschlagen. Mit 3,5 Metern oder fünf Metern sind zwei Längen wählbar, was kurz klingt, aber Vorteile bringt, wie Ewert ausführt:"Die Ladekabel sind so kompakt wie möglich gehalten, was dem Arbeitsschutz dient, da sich keine unnötigen Schlaufen und damit Stolperfallen bilden können. Außerdem spart dies natürlich auch Kosten." Gut 1.800 Euro fallen pro Ladepunkt an - zuzüglich der Montage. Neben einer Wandinstallation gibt es Ladesäulen. Diese haben wahlweise eine Sollbruchstelle am Fuß des Sockels, um bei einer Beschädigung schnell und kostengünstig ausgetauscht werden zu können.

Die Skalierung beginnt bei 18 Ladepunkten. So viel leistet der kleinste Ladeschrank, der Sicherheit, Abrechnung und Komfort verbindet. "Unser meistgefragtes Produkt ist der 30 plus zwei Steuerkasten, in dem 30-mal einphasig mit 7,2 kW und zweimal dreiphasig mit 22 kW geladen werden kann", berichtet Heinrich und hat für die Platzierung der Schnelllader einen ungewöhnlichen Tipp parat. "In der Regel wollen Firmen diese prestigeträchtigen Ladeplätze sehr prominent platzieren. Wir raten dazu, diese ans Ende des Parkhauses zu packen und die vorderen Plätze aus Rücksichtnahme beispielsweise als Mutter-Kind oder Behindertenparkplätze auszulegen. Denn wer auf diese Leistung angewiesen ist, nimmt den kleinen Extra-Weg erfahrungsgemäß gern mit."

Ein Extra wird bald auch in der Lade-App zu finden sein: die Priorisierung des Ladepunktes - aufgrund der Sicherheitsbedenken gegenüber RFID-Karten und der leichten Einbindung weltweit akzeptierter Bezahlsysteme setzt "chargeBIG" auf eine Lade-App statt auf eine Lade-Karte. Mit der Priorisierung kann man zwischen Eco (2,3 bis 7,2 kW) und Premium (immer 7,2 kW) wählen. Getestet wird dies bereits in der eigenen Test-Flotte. 100 Ladepunkte wurden in einem Parkhaus von Mahle installiert - zudem wurde ein Zwischenspeicher (Batterien zweier BMW i3) angeschlossen.

Da bei Mahle der E-Anteil in der Dienstwagenflotte steigt, kann "chargeBIG" direkt vor Ort neue Features ausprobieren und Langzeitbeobachtungen durchführen. "Die Bereitschaft der Kollegen unsere Ladepunkte zu testen, ist hoch, da wir nur einen Cent pro Kilowattstunde abrechnen", freut sich Ewert und verweist auch auf eine der Erkenntnisse aus der Praxis. So vergilben einige der weißen Stecker im UV-reichen Tageslicht. Diese wurden mittlerweile durch schwarze ersetzt.

Tücken des Eichrechts

Die Regularien am immer noch jungen Markt der E-Mobilität sind ein wichtiger Taktgeber. Die Eichrechtskonformität verlangt zum Beispiel, dass an jedem Ladepunkt Kilowattstundengenau abgerechnet werden muss. Hier kommen die unterschiedlichen Längen der Kabel zwischen Zähler und Ladepunkt ins Spiel. "Bei Strecken von bis zu 50 Metern und 32 Ampere Strom fallen bis zu drei Prozent Ladungsverluste an, die wir separat ausweisen müssen. So wird an jedem einzelnen Ladepunkt dieser Ladeverlust nachgerechnet und in der Abrechnung kompensiert", erklärt Ewert.

Zu den Profiteuren dieses Nachjustierens wird dann auch der Betreiber des Stuttgarter Flughafens zählen. Dieser ist "chargeBIG"-Kunde und hat sowohl einen Teil der öffentlich zugänglichen, als auch der internen Parkflächen elektrifiziert. Wie bei den anderen Kunden üblich - momentan umfasst der Kundenpool fünf Standorte mit 250 Ladepunkten -, wurden vor allem bestehende Parkflächen nachgerüstet, aber man ist auch mit Betreibern in Gesprächen, die neu bauen und dabei die Vorgaben an öffentlich zugänglichen Ladepunkten erfüllen müssen. Der Markt bildet sich also gerade. Und "chargeBIG" setzt neben seinem Ladepunkte-Ansatz auch auf das Renommee des Mutterkonzerns.

"Mit Mahle im Rücken profitieren wir von der Reputation des Unternehmens. Wir als 'chargeBIG' wiederum erschließen für Mahle neue Zielgruppen, so dass sich beide Welten sehr gut ergänzen - das internationale Know-how und unser junges Team", findet Heinrich. Entscheidend wird aber sein, dass auch die Fuhrparkverantwortlichen künftig differenzieren, betont sie:"Wir glauben, dass es einen Sinneswandel geben muss. Für die Langstrecke heißt es tanken gleich laden, für alle anderen Anwendungen heißt es parken gleich laden." Klingt eigentlich logisch.

Die Zeit wird also nach wie vor nicht für jeden Autofahrer der entscheidende Faktor sein. Dies gilt gerade für das anbrechende E-Zeitalter.

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