Streit um die Mietwagenkosten
Welcher Fuhrparkleiter kennt das nicht: Nach einem fremdverschuldeten Unfall mit einem Firmenfahrzeug ist kein Ersatzwagen aus der Flotte verfügbar, sodass der Mitarbeiter für seine Dienstreisen kurzerhand ein Mietauto in Anspruch nehmen muss. Doch das böse Erwachen kommt meist mit der Abrechnung der Mietwagenkosten mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers.
Bei den Versicherern hat sich neuerdings die Praxis eingeschlichen, „im Sinne einer schnellen und unkomplizierten Schadensabwicklung“ Mietwagenpreislisten an die Geschädigten zu schicken. Reichen diese nun die eigene Mietwagenrechnung ein, so wird sie um den Betrag gekürzt, der die Preisvorgaben der Versicherer übersteigt. Zu Recht?
Genau mit dieser Frage hatten sich zunächst das Amtsgericht und später im Berufungsverfahren das Landgericht Weiden zu beschäftigen. Die Versicherung hatte dem Geschädigten ein schriftliches Vermittlungsangebot zu einem Tagespreis von 39 Euro netto unterbreitet. Sie vertrat demzufolge die Ansicht, dass im Rahmen der sogenannten Schadenminderungspflicht der Geschädigte verpflichtet gewesen wäre, dieses günstigere Angebot anzunehmen.
Mit Urteil vom 12. November 2008 (Aktenzeichen 22 S 59/08) wurde schließlich die HUK-Coburg als Haftpflichtversicherung des Schädigers zur Zahlung der restlichen Mietwagenkosten verurteilt. Die Entscheidung des Landgerichtes Weiden beschäftigt sich mit bemerkenswerten Erwägungen. Diese haben nicht nur auf Mietwagenkosten, sondern auch auf eine Vielzahl weiterer Schadensersatzpositionen Auswirkungen, nicht zuletzt auf die Wahl der Werkstatt.
Grundsatz Geldersatz
Das Gesetz geht im Schadensersatzrecht zunächst vom Grundsatz der Naturalrestitution aus. Der Schädiger ist danach verpflichtet, den ursprünglichen Zustand der Sache wiederherzustellen. Anders aber beim Verkehrsunfall: Hier ist der Anspruch des Geschädigten auf Geldersatz gerichtet. Das Bemühen des Versicherers, die zu ersetzenden Kosten möglichst gering zu halten, ist nach Ansicht des Gerichtes verständlich, kann aber nicht dazu führen, dass der Geschädigte in der Wahl seines Vertragspartners für ein Mietfahrzeug eingeschränkt wird.
Demzufolge kann es dem Geschädigten nicht zur Last gelegt werden, dass er sich an einen Vertragspartner seines Vertrauens vor Ort wendet.
Objektiv erforderliche Mietwagenkosten
Für Fuhrparkbetreiber bedeutet das im Tagesgeschäft, dass sie die objektiv erforderlichen Mietkosten verlangen dürfen. Dies sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (zuletzt BGH vom 9.10.2007, Aktenzeichen VI ZR 27/07). Man muss innerhalb des Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten Weg der Schadenbehebung wählen.
Wettbewerbswidrigkeit
So weit nichts Neues. Aber das Landgericht Weiden stützte seine Entscheidung auf einen noch viel wesentlicheren Gesichtspunkt. Es ging nämlich davon aus, dass die Preisvorgaben der Versicherer möglicherweise wettbewerbswidrig und damit bereits nicht als Grundlage der Erstattungsfähigkeit anzusehen sind. Entscheidend – aus Sicht der Richter – ist, dass dieser günstigere Tarif dem Geschädigten ohne die vermittelnde Tätigkeit der Versicherung des Schädigers nicht zugänglich gewesen wäre. Hierin liegt aus Sicht der Kammer ein Verstoß gegen § 3 i. V. m. § 4 Nr. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), da es das Gericht als maßgeblich angesehen hat, dass die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers dadurch eingeschränkt wird, dass ihm suggeriert wird, er müsse einen Vertrag mit einer der in der Liste der Versicherung auftauchenden Firmen schließen. Hierin sah das LG Weiden eine nicht unerhebliche Verzerrung des Wettbewerbs. Auch das OLG Düsseldorf hatte bereits entschieden, dass es für einen gegnerischen Kfz-Versicherer verboten sei, nach einem Verkehrsunfall auf einen Verbraucher mit Angeboten zu Mietwagen oder Reparaturwerkstätten einzuwirken.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass im Verkehrsunfallrecht die Geldentschädigung vorrangiges Ziel ist. Damit hat das Gericht der Praxis der Naturalrestitution eine deutliche Absage erteilt. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsprechung auch durch Urteile anderer Gerichte diese Tendenz stärken wird. Inka Pichler
Preisvorgaben der Versicherung
Praxistipp
Entscheiden Sie sich im Zweifel für ein Fahrzeug einer niedrigeren Klasse und vergleichen Sie mindestens zwei Anbieter. Achten Sie darauf, dass Sie keinen Vertrag über einen sogenannten Unfallersatztarif abschließen.
In der nächsten Ausgabe
Teil 2: Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten trotz Fraunhofer-Marktpreisspiegels