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Wenn der Tesla-Fahrer rennt

17.08.2020 06:00 Uhr

Polestar nennt sich ein neuer schwedisch-chinesischer Automobilhersteller mit Volvo-Feeling. Mit dem Polestar 2 kommt nun deren erster Elektroflitzer nach Deutschland und ist für Flotten interessant.

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Ja, da haben die Polestar-Leute um CEO Thomas Ingenlath einiges richtig gemacht. Denn dass ein Tesla-Fahrer an der rot leuchtenden Ampel aus seinem Auto hastet und begeistert den Polestar anstarrt und sich dafür entschuldigt, Tesla zu fahren, ist: selten. Die Ampel springt auf Grün, er hechtet ins Auto und steht, und steht, und steht. Irgendwann "stehen" alle Funktionen auf "Fahren" und: die Ampel ist rot. Mit dem Polestar 2 wäre das vielleicht nicht passiert, doch dazu später mehr.

Kein Tesla 2.0

Hilfe, sodass ein Polestar qualitativ kein Tesla 2.0 wird, kam von Volvo. Und Volvo-Fans könnten Polestar bereits seit 2013 kennen, als die Schweden den Volvo S60 Polestar zeigten. Man wollte den"AMG-","M-" und"S-Modellen" etwas entgegensetzen. Bis heute kennzeichnet Volvo die sportlichen Modelle mit dem Polestar-Logo. 2020 kommt nun das erste Großserienmodell auf den Markt. Polestar 2 heißt es. Polestar 1 ist eine Kleinserie. Für mindestens 130.000 Euro gibt es (noch immer) ein 600-PS-Prestige-Coupé mit Plug-in-Technik. Superschön. Super weit weg.

Näher an der Realität ist der Polestar 2. Eine elektrisch betriebene 4,60-Meter- Limousine mit "Avantgarde-Design", wie Ingenlath beim Event verkündet und Deutschlandchef Alexander Lutz bekräftigt:"Wir stehen für die Vision der Umweltverbesserung durch die Elektromobilität."

0,25%-Versteuerung möglich

Der Polestar 2 kostet übrigens geschmeidige 85.000 Euro weniger als das Coupé. Subventionen nicht eingerechnet. Ebenso profitiert der Dienstwagenberechtigte von der 0,25-Prozent-Versteuerung - sofern sie oder er es nicht mit den Extras übertreibt.

56.440 Euro kostet der 2 mindestens - "online bestellbar - innerhalb von drei Minuten", wie Lutz betont. Als sinnvolles Extra könnte die Anhängerkupplung gelistet werden - Seltenheit beim Stromer. Immerhin dürfen 1.500 kg an den Haken, der bei Nichtgebrauch im glatten Fahrzeugboden verschwindet. Dennoch ist der 2 mit einem cw-Wert von 0,28 nur durchschnittlich windschlüpfig. Für die Endgeschwindigkeit muss er aerodynamisch auch nicht besser sein. Bei 205 km/h kommt das imaginäre Gummiband. Zirka 18 Sekunden benötigt der Polestar 2 für den Sprint. Auf 200! 100 km/h fallen in 4,7 Sekunden. Zwischenspurts werden meist mit einem Klaps auf den Hinterkopf quittiert - bei allen Insassen. 408 PS und 660 Newtonmeter sind monstermäßig. Die Kraft wird im "Extremfall mit 25 Prozent pro Rad verteilt. Da steht Polestars 2 dem Model 3 in keinster Weise nach.

Kopffreiheit eingeschränkt

Vielleicht aber beim Platzangebot. Zumindest hinten wird es schnell eng. Das serienmäßige Glasdach, das sich weder öffnen noch verdunkeln lässt, kostet Kopffreiheit. Spezielle UV-Filter lassen Sonne rein, Hitze und Strahlen angeblich draußen. Auch die Schulterfreiheit ist im Fond weniger Jogging- als vielmehr Maßanzug. Vorne geht es luftiger zu. Auf komfortablen, aber recht wenig Seitenhalt bietenden Fauteuils schmeichelt feines Leder und passt nicht so ganz ins Ökoauto. Daher lieber die "veganen" Varianten wählen - Spießer würden Stoffsitze dazu sagen.

Das skandinavisch Kühle empfängt einen vorne zum ersten Mal. Reduziert, klar, einfach. So schauen Armaturenträger, Displays und auch alles andere hochwertig aus. Bedient wird meist per Touch oder Sprache. Android Automotive nennt sich das Betriebssystem - erstmals in einem Auto. Apple Carplay ist erst ab Mai 2021 kompatibel - rückwirkend für ausgelieferte 2. Als Navi ist Google Maps an Bord. Immerhin für E-Autos optimiert. So werden potenzielle Ladestopps direkt in der aktiven Routenführung angezeigt - theoretisch ähnlich gut wie bei Tesla.

Geradewegs klassisch können Lautstärke und die Scheibenheizungen eingestellt werden. Auch übers Lenkrad lässt sich einiges erledigen und bereitet kaum Hausaufgaben. Der Clou ist der Schalthebel der Ein-Gang-Automatik. Das Handy sagt beim Annähern "Hallo" und öffnet den Wagen - Motorstartknopf ist so 2019. Nun den Gangwählhebel nach hinten ziehen und: los geht's. Das hätte sich der Tesla-Pilot vom Anfang sicherlich gewünscht, wieso auch immer es nicht geklappt hat.

One-Pedal-Driving für alle

Wir wünschen uns One-Pedal-Driving für alle. Denn dann muss die Bremse fast nie genutzt werden, dafür wird ordentlich Energie rekuperiert. Vielleicht hat Polestar deswegen die kompletten Inspektionskosten für drei Jahre inkludiert, Bremsen müssen wahrscheinlich nicht erneuert werden. Ein Polestar 2 mit Zweiradantrieb soll übrigens 2021 folgen - für unter 40.000 Euro brutto. Der dürfte dann etwas weniger als die 2,2 Tonnen des Allradlers auf die Waage bringen, der - klar - sehr satt liegt und dennoch zielsicher in Kurven agiert. Wirkt er innerstädtisch etwas hölzern und so, als ob man ihm zu viel Reifendruck spendiert hätte, wird er auf der Landstraße souverän.

Damit potenzielle Kunden - im Speziellen auch Firmenkunden - am Polestar schnuppern können, werden hierzulande sieben Polestar Spaces aufgebaut - Flagship-Stores in City-Bestlage. Ende August soll der erste in Düsseldorf die analogen Pforten öffnen. Denn komplett digital geht es auch bei Polestar nicht. Volvo-Händler betreiben (und finanzieren) die Polestar Spaces. Weitere 24 Volvo-Händler fungieren im ersten Schritt als reine Service-Partner. Das bietet sich an, ist aber kein Zwang, wie Flottenchef Alex Han bekräftigt. Han geht außerdem davon aus, dass nach der Einführungsphase rund 70 Prozent der Kunden gewerblich sein könnten.

Wirklich viel gegen den Polestar haben Kritiker nicht in der Hand. Ein Knackpunkt: Außer-Haus-Laden. Denn 470 WLTP-Kilometer animmieren zur Langstrecke. Polestar verlässt sich dabei auf Ladedienstleister Plugsurfing. Theoretisch klappt das. Geladen wird mit bis zu 150 kW an CCS-Ladern und mit bis zu 11 kW an der Wallbox. Wer jetzt bestellen möchte, hat es in drei Minuten erledigt. Geliefert wird noch im Oktober (2020).

Polestar 2

Preis: ab 48.655 Euro (abzüglich Umweltbonus)2x Valeo-Siemens Permanentmagnetmotoren: 2 x 150 kW/2 x 204 PS 2 x 330 Nm | 205 km/h | 4,7 s WLTP 19,3 kWh/100 kmReichweite WLTP: 470 - 560 km (Stadt) Lithium-Ionen-Akku | 400 Volt | 78 kWh 324 Zellen in 27 ModulenLadezeit CCS (DC/150 kW, 80%): 40 min. Ladezeit Wallbox (AC/11 kW): 8 Stunden 4.606 x 1.985 (mit Spiegel) x 1.479 mm 405 - 1.095 Liter + 35 Liter vorneHK: 18 | VK: 25Wartung: 3 Jahre inklusiveGarantie: 2 Jahre/Akku: 8 Jahre/160.000Alle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer

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