Abschleppen von Privatgrund
Streit um die Kosten | Bis zu welcher Höhe sind Abschleppkosten angemessen? Bislang existierte hierzu keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung. Nun gibt es eine neue BGH-Entscheidung.
— Häufig werden Fahrzeuge unerlaubt auf dem Privat- respektive Kundenparkplatz abgestellt. Spätestens beim Streit über die Frage, wer die Abschleppkosten zu tragen hat, wird auch um deren Höhe gestritten. Bislang gab es zur Angemessenheit der Höhe der Abschleppkosten keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Entscheidung vom 4. Juli 2014 insoweit zugunsten der Falschparker entschieden, als dass diese bei unbefugt auf Privatparkplätzen abgestellten Fahrzeugen zumindest keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten müssen (BGH, Az. V ZR 229/13).
„Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten für das Entfernen eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs bemisst sich nach den ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und für die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen“, so der BGH.
Der Fall | Folgendes war geschehen: Der Kläger hatte seinen Wagen unberechtigt auf einem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz abgestellt. Die Inhaberin des Parkplatzes beauftragte die Beklagte (Abschleppunternehmen) aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 Euro vereinbart worden. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger hatte die Inhaberin an das Abschleppunternehmen, wie oft üblich, abgetreten.
Nachdem die Beklagte das Fahrzeug des Klägers abgeschleppt hatte, teilte sie später dem Kläger telefonisch mit, der Standort des Fahrzeugs werde erst dann bekannt gegeben, wenn der Beklagten der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 Euro beglichen werde. Daraufhin ließ der Kläger die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 Euro mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 Euro beim Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag nunmehr mit 297,50 Euro (250,00 Euro netto zzgl. 47,50 Euro Umsatzsteuer). Daraufhin hinterlegte der Kläger weitere 177,50 Euro. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit. Der Kläger hielt den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch.
Urteile der Vorinstanzen | Lesenswert sind die sich widersprechenden Entscheidungen der Vorinstanzen, die das Dilemma für den jeweils beeinträchtigten Parkplatzinhaber gegenüber einem Falschparker verdeutlichen. Das Amtsgericht München (Urteil vom 23.08.2011, Az. 415 C 29187/10) hatte noch zugunsten des Klägers entschieden, dass dieser von den Abschleppkosten nur 100 Euro zu tragen habe und dass die Beklagte seine außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 Euro zu tragen habe.
Das Landgericht München I (Entscheidung vom 14.08.2013, Az. 15 S 19287/11) dagegen hatte in der Berufungsinstanz die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten auf 175,00 Euro abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es ging davon aus, dass die vom Kläger der Beklagten zu erstattenden Kosten für die Vorbereitung des Abschleppens gemäß § 287 Ab. 1 S. 1 ZPO sich pauschal auf einen Betrag von 75,00 Euro beliefen.
Ganz anders sieht dies der BGH. Zunächst geht er davon aus, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, seine außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten übernommen zu bekommen, da die Beklagte sich nicht in Verzug befunden hatte. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger die geschuldeten Abschleppkosten weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand dem beklagten Abschleppunternehmen an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, sodass es sich noch nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.
Aufgrund des bestehenden Zurückbehaltungsrechts musste der Standort des Fahrzeugs auch nicht bekannt gegeben werden. Mit der Nichtbekanntgabe wurden im entschiedenen Fall keine Eigentumsrechte des Falschparkers verletzt.
Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt nämlich eine Besitzstörung beziehungsweise eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt (BGH, Entscheidung vom 05.06.2009, Az. V ZR 144/08, DAR 2009, 461).
Erstattungsfähige Kosten | Der in seinem Besitz gestörte Inhaber kann auch schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen mit der (späteren) Beseitigung der Besitzstörung beauftragen (BGH, Entscheidung vom 02.12.2011, Az. V ZR 30/11, DAR 2012, 78).
Die durch das Abschleppen entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch Kosten für
die Zuordnung des Fahrzeugs in eine Fahrzeugkategorie,
das Anfordern eines geeigneten Lade- und Transportmittels,
die Ermittlung des Fahrzeughalters,
die visuelle Sichtung des Fahrzeugs auf Fahrzeugbeschriftung,
die visuelle Sichtung des Fahrzeuginneren von außen,
die Prüfung des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen,
die Prüfung auf StVO-Zulassung,
die Abschätzung des Transportgutes auf Länge, Breite, Höhe, Gewicht und Gewichtsverteilung,
die visuelle äußere technische Sichtung/Messung des Fahrzeugs hinsichtlich der Lademöglichkeiten und Ladungssicherung während des Transports sowie
die Prüfung des Fahrzeugs auf Sicherung gegen Wegrollen.
All dies dient der Vorbereitung des Abschleppvorgangs, sowohl im Hinblick auf den Transport selbst als auch auf den Verbringungsort.
Letztlich sind auch die Kosten für die visuelle äußere Sichtung auf bereits vorhandene Schäden und deren Protokollierung ersatzfähig. All diese Positionen sind selbstverständlich unter Beweis zu stellen.
Nicht ersatzfähige Positionen | Nicht ersatzfähig sind dagegen Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs sowie etwaige Kosten für die Überwachung des Grundstücks im Hinblick auf Falschparker.
Kosten aus etwaigen Rahmenverträgen zwischen Grundstücksbesitzer und Abschlepper hat der Falschparker also nicht zu tragen, also insbesondere keine Kosten für
die Überprüfung/Kontrolle der Objekte/Flächen hinsichtlich widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge sowie
die Beweissicherung vor Ort; Datum und Zeitpunkt der Besitzstandsstörung durch das unberechtigt abgestellte Fahrzeug.
Wirtschaftlichkeitsgebot | Der BGH stellt damit in seiner aktuellen Entscheidung klar, dass die Ersatzpflicht des Falschparkers durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt wird. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers des Parkraumes machen würde. Danach hat der geschädigte Grundstücksbesitzer unter mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten im Rahmen des ihm Zumutbaren und unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage grundsätzlich den wirtschaftlichsten Weg zu wählen.
Ortsübliche Kosten | Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen sind. Dabei scheidet nach Ansicht des BGH ein unmittelbarer Vergleich mit den Gebühren, die etwa die Polizei oder die zuständige Verwaltungsbehörde nach einem Parkverstoß im öffentlichen Verkehrsbereich für Umsetzung eines verkehrswidrig abgestellten Fahrzeugs verlangen, aus.
Da der BGH die Angelegenheit zur Klärung der Höhe der angemessenen Abschleppkosten an das Landgericht zurückverwiesen hat, muss dieses nun die Höhe der Ersatzpflicht durch einen Preisvergleich oder sogar durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären.
Die überdies erfolgte pauschale Schätzung des Landgerichts hinsichtlich der Kosten für die Vorbereitung des Abschleppens in Höhe von 75 Euro lehnt der BGH gänzlich ab, da eine Schätzung gemäß § 287 ZPO schon dann ausgeschlossen ist, wenn die jeweiligen Grundlagentatsachen für eine Ausübung des richterlichen Ermessens nicht schlüssig dargelegt sind. Willkürliche Schätzungen ohne nachvollziehbare Grundlagen sind unzulässig.
An der aktuellen Entscheidung des BGH vom 4. Juli 2014 ist neu, dass die Ersatzpflicht des Falschparkers dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unterliegt.
Erfreuliche und ebenfalls damit neue Nebenwirkung der Entscheidung ist, dass in den letzten Jahren zunehmende Geschäftsmodelle zum Abschleppen von Falschparkern nun auch für den Störer nur nachvollziehbare und adäquate Folgekosten auslösen dürfen. Der BGH hat damit der privaten Parkraumbewirtschaftung eindeutige wirtschaftliche Grenzen gesetzt.
Der Hinweis des BGH auf die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen verhindert, dass Falschparker mit überzogenen Abschlepp- und Vorbereitungskosten belegt werden.
| Dr. Michael Ludovisy
Nachbesserung | Entbehrlichkeit der Fristsetzung
– Beim Pkw-Kaufvertrag ist für den Rücktritt eine Fristsetzung zur Nachbesserung nur dann entbehrlich, wenn mindestens zwei fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche vorgelegen haben und der Mangel im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch bestand.
OLG Koblenz, Az. 3 U 751/13; zfs 2014, 267
Verkauf zum Gutachtenrestwert | Restwertangebot nicht erforderlich
– Bei Vorliegen von drei Restwertangeboten, die der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige auf dem regionalen Gebrauchtwagenmarkt eingeholt hat, muss sich der Geschädigte nicht mehr ein Restwertangebot von der (gegnerischen) Haftpflichtversicherung einholen. Er kann zu dem höchstbietenden Restwert laut Gutachten verkaufen, ohne der Haftpflichtversicherung des Schädigers Gelegenheit zur Abgabe eines eigenen Restwertangebotes geben zu müssen.
AG Kulmbach, Az. 70 C 678/13; DAR 2014, 473
Fahrerwechsel | Kenntnisnahme vorangegangener Verkehrsschilder
– Bei einem Fahrerwechsel muss sich der neue Fahrer grundsätzlich nicht nach vorausgegangenen Verkehrsschildern, hier: Überholverbot, erkundigen. Ebenso wenig gilt für Bei- oder Mitfahrer die Pflicht, auf Verkehrsschilder zu achten. Eine Fahrlässigkeit des neuen Fahrers, weil sich dieser nicht beim bisherigen erkundigte, kann nicht unterstellt werden.
OLG Hamm, Az. 1 RBs 89/14
Vorfahrtsrecht | Im gesamten Kreuzungsbereich gültig
– Der Benutzer einer bevorrechtigten Straße ist gegenüber Verkehrsteilnehmern, die auf einer einmündenden, nicht bevorrechtigten Straße herankommen, so lange vorfahrtsberechtigt, bis er die Vorfahrtsstraße mit der ganzen Länge seines Fahrzeugs verlassen hat. Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich auf die gesamte Fläche der Kreuzung oder des Einmündungsbereiches. Der Vorfahrtsbereich wird bei rechtwinklig einmündenden Straßen von den Fluchtlinien der Fahrbahnen beider Straßen gebildet.
Deshalb hat ein im Kreuzungsbereich überholendes Fahrzeug Vorrang auch auf der Gegenfahrbahn gegenüber einem wartepflichtigen Einfahrenden.
BGH, Entscheidung vom 27.5.2014, Az. VI ZR 279/13
Handy am Steuer | Auch Draufschauen gilt als Benutzen
– Ein Verstoß gegen das Handyverbot gemäß § 23 Abs, 1 a StVO liegt schon dann vor, wenn der Autofahrer ein auf der Ablage vor seiner Windschutzscheibe liegendes Handy, das aufblendet und hierdurch anzeigt, dass der Akku aufgeladen werden muss, wegen der Blendung beim Fahren in die Hand nimmt, draufschaut und es zur Seite legt, um eine weitere Blendung zu vermeiden.
Die Entscheidung setzt zwar konsequent den Gedanken des „Handheld-Verbotes“ um; dennoch darf man sich fragen, was denn noch alles von Amtsgerichten lebensfremd sanktioniert werden soll. Vielleicht folgt als Nächstes ein amtsrichterliches generelles Verbot für Handys im Fahrraum?
AG Lüdinghausen, Az. 19 OWi-89 JS 86/14, zfs 2014, 414
Kaskoschaden? | Reifenplatzer durch Bordsteinüberfahrt
– Das Befahren eines Bordsteines in ungünstigem Winkel stellt einen Betriebsvorgang dar. Ein Personenkraftwagen wird typischerweise im gewöhnlichen Fahrbetrieb dem Risiko ausgesetzt, beim Überfahren von auch abgesenkten Bordsteinen Reifenschäden zu erleiden.
Der Versicherungsschutz umfasst gemäß den AKB Beschädigungen „durch Unfall, das heißt durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis. Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden“.
OLG Hamm, Az. I-20 U 83/13, DAR 2014, 459
Unfallunabhängige Schäden | Recht auf Nachbesichtigung
– Der zum Eintritt verpflichtete Versicherer ist berechtigt, eine Nachbesichtigung vorzunehmen, wenn der Verdacht gegeben ist, dass das durch den Geschädigten vorgelegte Gutachten Instandsetzungskosten für Schäden aufführt, die keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen aufweisen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind dem Geschädigten Pflichten zur Rücksichtnahme auf den Haftpflichtversicherer bei der Schadenfeststellung auferlegt, die auch eine Nachbesichtigung umfassen können.
AG Düsseldorf, Az. 36 C 1991/12, SP 2013, 264
Mietwagen | Schätzung des Normaltarifs nach Mittelwert
– Gemäß § 287 ZPO kann der ortsübliche Normaltarif vom Gericht aus dem arithmetischen Mittel von Schwacke und Fraunhofer ermittelt werden. Maßgebend sind die Postleitzahlengebiete.
Bei der Anmietung eines klassengleichen Ersatzfahrzeugs kann der vorzunehmende Abzug für ersparte Eigenaufwendungen mit vier Prozent der Mietwagenkosten angesetzt werden.
OLG Köln, Az. 15 U 186/12, NZV 2014, 314
„TÜV-neu“ | Beschaffenheitsvereinbarung beim Verkauf
– Soll beim Verkauf eines Kraftfahrzeuges mit der Formulierung „TÜV-neu“ auf eine kurz vorher durchgeführte TÜV-Prüfung hingewiesen werden, so ist diese Beschreibung dahingehend zu verstehen, dass bei der TÜV-Prüfung keine erheblichen Mängel festgestellt wurden bzw. dass ein vom TÜV möglicherweise festgestellter erheblicher Mangel, den der Käufer nicht kennt, vom Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrags beseitigt wurde.
OLG Karlsruhe, Az. 9 U 233/12, DAR 2014, 387