Argumente gegen die Kürzung
Aktuelle Rechtsprechung | Viele Versicherer versuchen, Sachverständigenrechnungen nur teilweise zu bezahlen. Doch Kürzungsabsichten werden von Gerichten häufig zugunsten der Geschädigten entschieden.
— Diesen oder so ähnlich lautende Textbausteine erhalten Geschädigte häufig, nachdem sie ein Gutachten nebst Gutachterrechnung nach einem Verkehrsunfall beim Versicherer eingereicht haben: „Die Sachverständigenrechnung haben wir nur teilweise ausgeglichen, da das Honorar nach unserer Auffassung den ,erforderlichen‘ Aufwand zur Schadenbeseitigung gemäß § 249 BGB übersteigt.“ Doch mit derartigen Kürzungen dringen die Versicherer immer weniger durch. Die aktuellsten Gerichtsurteile liefern wichtige Gegenargumente.
Ein häufiges Argument für die Kürzung sind überhöhte Nebenkosten: „Die Nebenkosten haben wir auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung (zum Beispiel LG Coburg vom 25. Februar 2011, Az. 32 S 26/10; LG Saarbrücken vom 22. Juni 2012, Az. 13 S 37/12) auf 100 Euro gekürzt.“
Ein weiteres Kürzungsargument: „Hinsichtlich der Bemessung des Honorars folgen wir den Empfehlungen des Berufsverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen (BVSK) und legen das Gesprächsergebnis BVSK 2009 – HUK-Coburg als Maßstab zu Grunde.“
Gegenargument: aktuelle Urteile | Eine Erstattung der Sachverständigengebühren kommt nur dann teilweise nicht in Betracht, wenn der Geschädigte eine unangemessen überhöhte Forderung des Sachverständigen hätte erkennen können und deswegen die Bezahlung eines Teilbetrages innerhalb seiner Schadenminderungspflicht hätte ablehnen müssen (§ 254 BGB).
Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht zu einer Marktforschung zugunsten des Schädigers verpflichtet. Der Einwand, die Kosten des Sachverständigengutachtens seien überhöht, kann daher nur dann zu einer Kürzung seines Anspruchs führen, wenn für ihn als Laien erkennbar war, dass der Sachverständige ein überhöhtes Honorar nehmen wird und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und dem Geschädigten insoweit ein Auswahlverschulden zur Last fällt (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 20. Februar 2014, Az. 29 C 3085/13).
Für die Frage der üblichen Vergütung ist nicht auf die Einzelpositionen, sondern auf die gesamte Vergütung des Sachverständigen abzustellen, weswegen es auf Einwände gegen die einzelnen Nebenforderungen nicht ankommt.
BGH-Urteil | Ein Verweis auf die BVSK- Honorarbefragung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem aktuellsten Urteil vom 11. Februar 2014 (Az. VI ZR 225/13) dem bloßen Verweis auf die BVSK-Honorarbefragung eine klare Absage erteilt. Im Einzelnen führt er dort aus: „Zu einer Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot war der Kläger gegenüber der Beklagten nicht verpflichtet. Dem Kläger musste auch nicht das Ergebnis der Umfrage bei den Mitgliedern des Sachverständigenverbandes über die Höhe der üblichen Honorare bekannt sein.“
„Ortsübliche Vergütung“ zieht nicht | Folgenden Satz haben die meisten Kürzungsschreiben noch draufgesetzt: „Sollten Sie die Kostenrechnung durch unsere Zahlung nicht als angemessen ausgeglichen ansehen, legen Sie bitte schriftlich dar, warum die geltend gemachten Kosten, die für die Sachverständigenleistung ortsübliche Vergütung der Region darstellen. Wir nehmen insoweit Bezug auf die Entscheidung des BGH vom 4. April 2006 – C ZR 80/05 und X ZR 122/05“.
Auch dieses Argument geht ins Leere. Die Ansprüche der Geschädigten nach einem Schadensersatzanspruch unterliegen ausschließlich dem Schadensersatzrecht. Die Überprüfung der Angemessenheit des Sachverständigenhonorars im Schadensersatzprozess ist schlichtweg falsch. Zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen ist in der Regel eine konkrete Preisvereinbarung (Honorarvereinbarung) getroffen worden. Damit steht fest, dass die Abrechnung am Maßstab der Schadenhöhe werkvertraglich in Ordnung geht. Dem muss das Schadensersatzrecht folgen.
Für die Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwandes im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB ist nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, dass weder der Schädiger noch die Gerichte im Schadensersatzrecht berechtigt sind, eine Preiskontrolle durchzuführen, sofern der Geschädigte jedenfalls den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt (BGH-Urteil vom 23. Januar 2007, Az. VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450, Tz. 13). | Inka Pichler