Weg zur Arbeit
Die Gerichtsbarkeit bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht, Finanzverwaltung und Gesetzgeber liefern sich seit Jahren einen erstaunlichen Kampf um die steuerliche Behandlung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Aktuell steht wieder eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes aus.
Auf der Seite des Steuerabzugs war ein Urteil des Verfassungsgerichts notwendig, um klarzustellen, dass dem Arbeitnehmer ein pauschaler Steuerabzug (von derzeit 30 Cent) für jeden Entfernungskilometer und für jeden tatsächlich unternommenen Weg zwischen Wohnung, Arbeitsstätte und Wohnung zusteht. Die höchst komplizierten und bis in den letzten denkbaren Sonderfall hinein getroffenen Regelungen zu den dabei maßgebenden Begriffen der „Wohnung“, „Arbeitsstätte“, „Entfernung“ etc. würden den Rahmen dieses Beitrags bei Weitem sprengen. Außerdem soll es hier um die andere Seite der Medaille, nämlich um den steuerlichen Hinzurechnungsbetrag aufgrund der Überlassung eines Dienstwagens gehen, wenn der Arbeitnehmer mit diesem den Weg zur Arbeit zurücklegen darf, was ja dem Regelfall entspricht.
Der Vorteil, den der Arbeitnehmer aus der Dienstwagenüberlassung für die Bewältigung der Entfernung zwischen seiner Wohnung und Arbeitsstätte hat, wird bekanntlich pauschal mit 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises pro Monat angesetzt. Zur Frage des Umfangs der Pauschalierung tobt ein verwirrender Streit: Die Finanzgerichte sind der Auffassung, der Gesetzgeber wollte mit der 0,03-Prozent-Komponente in der Ein-Prozent-Methode nur die Höhe des Werts des Entfernungskilometers pauschalieren, während die Anzahl der Fahrten, die zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt werden, nicht pauschaliert werden sollten.
Dazu muss man wissen, dass der Satz von 0,03 Prozent durchschnittlich 15 Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pro Monat unterstellt. Das heißt: Der Wert eines tatsächlich mit dem Dienstwagen gefahrenen Kilometers wird per Einkommensteuergesetz mit 0,001 Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs pauschaliert (0,03 Prozent dividiert durch 15 = 0,002 Prozent für den Doppelkilometer, da Entfernungskilometer, also 0,001 für den einfachen Kilometer). Im Ergebnis läuft die Auffassung der Gerichte darauf hinaus, dass die Anzahl der steuerpflichtigen Kilometer derjenigen entspricht, auf die sich umgekehrt der Steuerabzug durch die Entfernungspauschale bezieht.
Entscheidungen des Bundesfinanzhofes
Der Bundesfinanzhof hat bereits in zwei Fällen entschieden, dass der Steuerpflichtige nur die tatsächlichen Arbeitswege versteuern muss, also bei zehn Fahrten 0,02 Prozent (0,002 Prozent mal zehn Fahrten) und nicht 0,03 Prozent des Bruttolistenpreises zusätzlich zu dem einen Prozent versteuern muss. Zweimal hat sich das Bundesfinanzministerium durch die Herausgabe eines Nichtanwendungserlasses gegen die Anwendung des entsprechenden Urteils gewehrt.
Nun scheint die Sache – wie nicht anders zu erwarten – in eine Endlosschleife zu münden: Das Finanzgericht Köln hat unter dem Aktenzeichen 10 K 1476/09 entschieden, dass in solchen Fällen, in denen die Anzahl der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Monatsdurchschnitt deutlich von 15 abweicht, nur die tatsächlichen Fahrten versteuert werden müssen. Damit hat abermals ein Steuerpflichtiger im Sinne des Bundesfinanzhofs recht bekommen; er ist im Streitjahr 100-mal, also durchschnittlich 8,3-mal im Monat zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hin- und hergefahren. Das Finanzamt ist eselsstur in Revision gegangen, meines Erachtens ohne Aussicht auf Erfolg. Die Sache liegt derzeit unter der Nr. VI R 57/09 beim Bundesfinanzhof. Es bleibt bei dem höchst ärgerlichen Ergebnis, dass der Arbeitnehmer, der an weniger als 15 Tagen im Monat für den Weg zur Arbeit auf seinen Dienstwagen zurückgreift, den Weg zum Finanzgericht gehen muss, wenn er so besteuert werden will, wie es der seit Jahren geltenden Auslegung des Gesetzes entspricht.
Es tut sich allerdings die Hoffnung auf eine gesetzgeberische Lösung dieser ärgerlichen Situation auf: Das Jahressteuergesetz 2010 sieht in der momentanen Fassung eine Saldierung von Nutzungswert und Entfernungspauschale vor – sind wir mal gespannt, was daraus wird ...
Hans-Günther Barth
- Ausgabe 10/2010 Seite 71 (142.8 KB, PDF)