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Da geht noch mehr

02.11.2020 06:00 Uhr

Fast zehn Jahre nach Einführung von E10 fristet die Benzinsorte nach wie vor ein stiefmütterliches Dasein im deutschen Kraftstoffmarkt. Kommt nun vielleicht sogar E20?

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Herr Walter, Ende April hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Marktdaten von Bioethanol für 2019 veröffentlicht. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse?

Stefan Walter: Insgesamt ist der Absatz von Ottokraftstoffen wieder leicht um ein Prozent gestiegen. Grundsätzlich stagniert der Benzinmarkt aber seit Jahren. Wir haben zwar mehr Fahrzeuge auf den Straßen, aber die Verbräuche sind durch effizientere Motorentechnik stetig gesunken. Erfreulich ist aber, dass der Marktanteil von E10 innerhalb der drei Benzinsorten um einen Prozentpunkt auf 13,7 Prozent zugenommen hat, obwohl der Absatz von Bioethanol insgesamt leicht gesunken ist.

Kurz vor Beginn der Corona-Krise hat Aral Mitte Januar für etwa drei Wochen den Preis von E10 auf das Niveau von E5 angehoben. Hat Sie das überrascht?

S. Walter: Ja. Warum Aral das gemacht hat, weiß ich natürlich nicht. Was schnell klar wurde, ist, dass die anderen Marktteilnehmer nicht mitmachen wollten und die bisher übliche Preisdifferenz zwischen E10 und E5 von durchschnittlich zwei bis vier höchstens leicht um ein, zwei Cent reduziert haben. Die Begründung von Aral lautete damals, dass der Einkauf von Bioethanol teurer geworden ist und die Mehrkosten auf den Verbraucher umgelegt werden mussten. Die Preise von Ethanol sind zum Jahresende 2019 zwar tatsächlich gestiegen, aber nicht in dem Maße, dass das die deutliche Preiserhöhung von E10 gerechtfertigt hätte. Was ich aus der Branche gehört habe, ging es wohl einfach darum, im Benzinmarkt eine höhere Marge aufzubauen. Das hat wohl aber nicht funktioniert, denn inzwischen hat sich der Preisabstand zwischen E5 und E10 bundesweit wieder auf vier Cent je Liter eingependelt.

Halten Sie den Abstand für sinnvoll?

S. Walter: Ja, denn er soll die Autofahrer an der Zapfsäule dazu motivieren, sich statt für E5 für das spürbar günstigere und umweltfreundliche E10 zu entscheiden, das wegen seines höheren Bioethanolanteils weniger CO2 verursacht. Das ist für die Mineralölwirtschaft wichtig, denn die Gesellschaften müssen wie alle anderen Unternehmen Vorgaben zur Senkung der CO2-Emissionen erfüllen. Diese Vorgaben sehen seit 2020 eine Treibhausgasminderungsquote von sechs statt vorher vier Prozent vor. Der Einkauf von mehr Bioethanol oder anderen Biokraftstoffen, um diese CO2-Senkung zu erreichen, ist in jedem Fall billiger als Strafzahlungen bei Nichterfüllung der Quote. Von daher erschien mir die Argumentation der Aral bei der Preiserhöhung von E10 nicht schlüssig, dass Umweltschutz jetzt teurer wird.

Trotzdem wählen die Fahrer in Deutschland seltener E10 als Autofahrer in anderen Länder wie Frankreich, wo E10 einen Anteil von über 50 Prozent hat.

S. Walter: Ich denke, dass bei der Einführung von E10 in Deutschland in der Kommunikation Fehler gemacht wurden, die noch immer in den Köpfen mancher Autofahrer stecken. Damals beherrschte das Thema Motorenverträglichkeit von E10 die öffentliche Debatte. Hinzu kam die Diskussion über das Schlagwort Tank-Teller. Gemeint war die vermeintliche Konkurrenz zwischen dem Anbau von Energiepflanzen zur Erzeugung von Bioenergie und dem Anbau von Nahrungsmitteln. Fakt ist, dass mehr als 95 Prozent des aktuellen Fahrzeugbestands und alle Neufahrzeuge die Benzinsorte E10 ohne Probleme vertragen. Dazu haben wir eine Datenbank aufgebaut, die alle Modelle und ihre Verträglichkeit nach Herstellerangaben enthält. Insgesamt ist die öffentliche Meinung zu E10 aber deutlich besser und sachlicher geworden als noch vor einigen Jahren.

Was ist mit der Aussage, dass der Verbrauch bei E10 höher liege?

S. Walter: Wir haben im vergangenen Jahr noch einmal fünf Pkw-Modelle einem Rollenprüfstandtest beim ADAC unterzogen und dabei keinen Mehrverbrauch festgestellt. Das hat mehrere Gründe: Der Energiegehalt in Bioethanol ist im Vergleich zu reinem fossilen Benzin zwar niedriger. Der so genannte thermodynamische Effekt im Motor sorgt aber dafür, dass Ethanol mit Benzin effektiver verbrennt, was wiederum die Motorleistung in einem gewissen Umfang erhöht. Der geringere Energiegehalt von Bioethanol wird durch diesen Effekt aufgehoben. Außerdem sind die Neufahrzeuge seit einigen Jahren für den Einsatz mit E10 optimiert und nicht mehr für E5.

Der nächste logische Schritt wäre E20. Wie ist hier der Stand?

S. Walter: Aktuell gibt es in 13 europäischen Staaten E10, wobei mehrere Länder komplett auf E5 verzichten. Für ältere Fahrzeuge, die kein E10 vertragen, bieten sie nur eine Schutzsorte mit einem Bioethanolanteil von bis zu fünf Prozent an. Das wäre auch hierzulande denkbar: Wir verzichten auf E5, behalten Super Plus und der freie Tank an der Tankstelle stünde für eine neue Benzinsorte zur Verfügung. Aktuell finden auf europäischer Ebene Gespräche über die Einführung von E10+ statt, wobei es wahrscheinlich auf Benzin mit einem Bioethanolanteil von 20 Prozent hinausläuft. In den USA gibt es seit Jahren E15, über E30 wird dort intensiv debattiert.

Und wann fließt der neue Kraftstoff in deutsche Tanks?

S. Walter: Das wird noch einige Zeit dauern. Wir benötigen eine Kraftstoffnorm. Zuerst sind hierfür auf europäischer Ebene viele technische Fragen zu klären, zum Beispiel wie die Verträglichkeit der Motoren mit E20 sichergestellt werden kann oder welche Anforderung die Benzinsorte erfüllen muss. Ich hoffe, dass es im nächsten oder übernächsten Jahr Klarheit über die notwendigen technischen Anforderungen gibt. Dann muss das CEN ( Anm. d. Red.: französisch Comité Européen de Normalisation) auf europäischer Ebene die Normierung anpassen, die anschließend das Deutsche Institut für Normung (DIN) in nationale Vorgaben umsetzt. Das braucht alles Zeit, aber ich bin optimistisch, dass das kommen wird. Deutschland ist ja keine Insel. Viele Länder haben ein Interesse an der Einführung von E20. Selbst wenn Deutschland der Entwicklung erneut hinterherläuft wie bei der neuen Kraftstoffkennzeichnung, besteht eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen Mineralölwirtschaft, Automobilindustrie und uns, dass wir die Klimaschutzziele im Verkehrssektor nur mit mehr erneuerbaren Kraftstoffen erreichen können.

Sind die OEMs darauf vorbereitet?

S. Walter: Die Hersteller wären wohl relativ schnell dabei, die nächste Motorengeneration auf E20 umzustellen. Das ist keine große Ingenieursleistung mehr. So ist BMW beispielsweise schon sehr weit: Deren Neufahrzeuge könnten jetzt schon bedenkenlos mit E20 betankt werden.

Herzlichen Dank, Herr Walter, für das Gespräch.

Umfrage: Wer tankt E10?

Wer ist eigentlich der "klassische" E10-Tanker? Dieser Frage geht das Marktforschungsunternehmen Kantar in regelmäßigen Abständen im Auftrag des BDBe nach. In der jüngsten repräsentativen Umfrage wurden dafür im September 2019 knapp 1.530 Personen per Telefoninterview befragt. 36 Prozent der Haushalte mit einem Benziner gaben an, schon einmal Super E10 getankt zu haben. Dabei griffen leicht mehr Männer (37 Prozent) als Frauen (35 Prozent) zur E10-Zapfpistole. Auch bei den Altersstufen gab es Unterschiede: 43 Prozent der Befragten zwischen 35 und 49 Jahren haben bereits E10 getankt, in der Altersgruppe 18 bis 34 waren es 30 Prozent (50 bis 64 Jahre: 34 Prozent, 65+: 36 Prozent). Während 25 Prozent der Umfrageteilnehmer mit niedriger Bildung schon mal E10 getankt haben, waren es 42 Prozent mit einer höheren Bildung. Für 62 Prozent war der Preisvorteil das entscheidende Argument für die Entscheidung pro E10, auf Platz zwei folgt mit großem Abstand "Umweltgründe/geringerer CO2-Ausstoß" (28 Prozent) und auf Platz drei "Auto dafür zugelassen/steht in der Klappe am Tankdeckel" (17 Prozent). 39 Prozent wählen immer beziehungsweise so gut wie immer E10, 14 Prozent ab und zu und 16 Prozent eher selten. Als Argument gegen E10 gaben 74 Prozent der Nicht-E10-Tanker an, dass sie technische Bedenken haben. 23 Prozent halten den Kraftstoff für "nicht umweltfreundlich" und 20 Prozent nannten es "unethisch, Lebensmittel zu tanken". Annika Beyer

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