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Die Bier-Formel

16.08.2021 06:00 Uhr
Die Bier-Formel

Geschmäcker wandeln sich - auch was die Form des Dienstwagens betrifft. Der Alleskönner namens SUV ist oft eine CO2-Schleuder, was ihn erst bremsen, dann aber auch wieder beschleunigen wird.

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Während der vergangenen EM-Wochen werden viele Fußball-Fans zu Hause zum Bier gegriffen haben, denn irgendwie gehört das ja zusammen. Einige davon werden statt der üblichen "Halben" die etwas kleinere Craft-Bier-Variante genossen haben. Diese oft 0,33-Liter-Flaschen fielen vor einigen Jahren nicht nur ob ihrer schmalen Größe, sondern vor allem ob ihres unterschiedlichen Geschmacks auf. Der Craft-Trend wurde größer und aus Produkten von "Brauereien aus dem Hinterhof" wurden Ableger bekannter Marken. Kurzum: Eine neue Idee kommerzialisiert sich im Schnelldurchlauf und wurde dabei oft verwässert.

Parallelen gibt es zum Automobil. Das ursprüngliche Craft-Bier war vor einer Dekade noch der Offroader. Jene kantigen Ungetüme, deren Bodenfreiheit einem Tunnel für Bobby-Car-Rennen gleichkamen. Dass man dadurch automatisch mehr Platz zwischen sich und dem Asphalt bringt und eine bislang unbekannte Weitsicht genießen kann - sofern A-, B- und C-Säulen nicht zu wuchtigen Pfeilern mutieren - sprach sich schließlich langsam rum. Die etablierten Auto-Marken kopierten diese Exoten - verwässerten die 4x4-Idee bisweilen -, aber machten sie so preislich massentauglich. Der SUV-Boom ergriff die Autowelt und hält sie bis dato fest im Griff.

Gewicht und Cw-Wert

Als Show-Stopper, also Störenfried, könnte nun aber, wie für viele Gewohnheiten im Leben, die CO2-Bilanz des Guts sorgen. Denn der SUV liebt den Diesel oder den Benziner. Die Elektrifizierung des Autos, die einst abgeleitet von strengeren Vorgaben an die Autohersteller ins Rollen kam und nun dank des massiven Ausbaus der Ladeinfrastruktur und hoher Rabatte auch in der Käuferschicht ihren Nachhall findet, verschiebt die Matrix, nach der die Fahrzeug-Designer ein Auto zeichnen.

Im E-Zeitalter sind zwei Eigenschaften eines Fahrzeugs deutlich prägender als bisher: der Luftwiderstand (Cw) und das Leergewicht. Beides bremst die Hochbeiner im wahrsten Wortsinn aus. Also müssen sich diese wandeln, wobei ihnen dabei gerade die Elektrifizierung wiederum hilfreich sein kann. Denn mit dem Siegeszug des Elektromotors schwindet der Bauraum für Antrieb und Getriebe und lässt im Fahrzeuginneren für alle Insassen neue Welten entstehen.

Einen Ausblick auf die zu erwartende Dynamik geben die Zahlenexperten von Dataforce. Laut deren fundiertem Blick in die Kristallkugel werden zwar bis 2022 die Zulassungen von batterieelektrischen Modellen und Plug-in-Hybride weiter stark wachsen. Dennoch werde es ohne neue Impulse anschließend zu einer vorübergehenden Marktsättigung kommen, so die Prognose der Frankfurter. "Die Förderung erreicht ein Plateau. Da schon bald in jedem Fahrzeugsegment eine gute Auswahl an Elektroautos besteht, können Modellneuheiten die Nachfrage nicht mehr so stark stimulieren wie zuvor".

Ohne Umwelt-Bonus surren also weniger Fahrzeuge umher? Nicht ganz:"Zu Mitte des Jahrzehnts gewinnt die Elektrifizierung wieder an Schub. Skaleneffekte und die technische Weiterentwicklung senken die Kosten für batterieelektrische Fahrzeuge, während durch Euro 7 Mehrkosten auf die Verbrenner zukommen. Zusammen mit den immer geringeren CO2-Zielen verschiebt sich der Fokus der Hersteller immer stärker auf Elektroautos." Der klassische Verbrenner wird also teurer, während der massentaugliche Stromer günstiger in der Herstellung und schlichtweg unentbehrlich für das Erreichen der unternehmerischen CO2-Vorgaben sein wird.

Passat, Octavia, 3er BMW

Noch gibt es aber beide Antriebswelten und der Status quo zeigt, dass sich die beiden klassischen Dienstwagen-Segmente, die Kompakt- und die Mittelklasse, als langlebiger erweisen, als man bisweilen gedacht hat. Ein Blick aufs erste Halbjahr im Flottenmarkt, also auf die Neuzulassungen für gewerbliche Kunden, zeigt beachtliches. Der VW Passat ist nicht nur der König der Mittelklasse, sondern auch im Gesamtranking die Nummer eins mit fast 19.000 Zulassungen. Die beiden Kompakt-Helden Skoda Octavia und VW Golf folgen mit 15.700 respektive 14.200 Einheiten. Selbst der 3er BMW fand Unterschlupf bei mehr als 12.000 Dienstwagenfahren. Dann erst klopft mit dem VW Tiguan (knapp 11.800 Einheiten) ein SUV an.

Nun ist dies natürlich nur die halbe Wahrheit, denn so grenzenlos wie die Bewegungsfreiheit eines echten Hochbeiners mit Allradtechnik ist, soweit reicht auch die Bandbreite an Sport Utility Vehicles. Einen Eindruck davon wollen wir mit der Modellauswahl in unserem SUV-Spezial geben. Bei den mittleren SUV verkauft sich die Top Ten der Halbjahres-Charts laut der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes blendend. 3.000 bis 7.000 Einheiten weisen die Modelle wie der Skoda Kodiaq (das Facelift zeigt sich auf Seite 16) auf, die sich hinter dem Tiguan formieren. Stadt-Helden, wie der Mini Countryman (Seite 22), der Ford Puma sowie der Jeep Renegade

(beide im Vergleich ab Seite 30) oder die neu aufgelegten "Oldies" Nissan Qashqai (Seite 20) und Kia Sorento (Seite 25) fanden und finden ihre Fans, wie es auch der edle Land Rover Velar (Seite 18) tut.

Und viele können natürlich auch rein elektrisch Kilometer abspulen. Das kann der Hyundai Bayon (Seite 28) zwar nicht. Aber der Südkoreaner zeigt, wie weich der Übergang zum SUV aussehen kann. Diese Kennlinie zeichnet auch zwei der vielversprechendsten Stromer der letzten Monate nach: Sowohl der Skoda Enyaq (Autoflotte 5/2021, S. 64) als auch der Hyundai Ioniq 5 (Seite 38) geben sich von außen als Crossover, haben innen aber Platz wie ein SUV - oder eben doch ein Kombi. Damit bleibt die gewohnte Silhouette, die dem SUV-Käufer vertraut ist und ihm schmeckt wie sein Bier, aber im Grunde schrumpft die Flasche von 0,5 auf 0,33 Liter.

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