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Einsatz auf der Reeperbahn

03.04.2018 06:00 Uhr

Thorsten Krumm ist Herr über 1.400 Fahrzeuge - mit 80 Mitarbeitern und 20 Jahren Erfahrung. Ein normaler Großfuhrpark? Ganz und gar nicht, denn er betreut die Flotte der Polizei Hamburg.

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_ An welchen Stellen im sonntäglichen Tatort muss Thorsten Krumm wohl am lautesten lachen, weil er mehr weiß als der durchschnittliche TV-Zuschauer? "Ich schaue generell keinen Tatort", so die klare Antwort des 51-Jährigen. "Zu unrealistisch." Krumm muss es wissen. Seit knapp 20 Jahren betreut er als Fuhrparkleiter der Polizei Hamburg die Flotte der Gesetzeshüter an der Elbe, zu der 1.400 Fahrzeuge zählen, davon 85 Prozent Personenkraftwagen und 15 Prozent Nutzfahrzeuge. Den klassischen Funkstreifenwagen gibt es dabei etwa 300 Mal, deutlich mehr zivile Fahrzeuge erkennt der Bürger gar nicht als Polizei-Eigentum. Und in manchen Autos ist Sonderausstattung verbaut, die den Wert des Fahrzeugs dreimal übersteigt.

Selbst wenn die TCO pro Kilometer auch im Öffentlichen Dienst für den Fuhrparkchef und sein 80-köpfiges Team zählen, unterscheidet die Flotte der offiziellen Freunde und Helfer so einiges von einem klassischen Firmenfuhrpark in der Privatwirtschaft. Statt einer "Car Policy" regelt die "Interne Polizeidienstvorschrift", welche Fahrzeuge angeschafft werden. "Neben wirtschaftlichen Aspekten wählen wir vor allem nach taktischen Kriterien Marken und Modelle aus", erklärt Krumm. Logisch. Würde die Polizei immer mit einem roten Kombi derselben Marke verdeckt observieren, wäre das kontraproduktiv. Verbrecher brechen das Gesetz, sind aber nicht dumm.

Folglich findet man gerade im zivilen Bereich alle Marken und Segmente - aus dem VW Konzern und von Daimler, aber auch von Ford, Kia oder Hyundai. "Ich bin manchmal selbst erstaunt, wenn ich im Verkehr eines unserer zivilen Autos sehe, das sich durch ein mobiles Blaulicht zu erkennen gibt", so Krumm, der sich dann über die gelungene Strategie freut, dass bestimmte Fahrzeuge nicht als Polizei erkannt werden. Innerhalb von Vorgaben bezüglich Größe, Einsatzzweck und Wirtschaftlichkeit kann jede Polizeidienststelle in Hamburg ihre Autos auswählen. Die Funkstreifenwagen sind dabei nicht fahrergebunden - der Dienst ist 24 Stunden in Schichten eingeteilt, jede Schicht greift auf die eine Flotte der Dienststelle zurück.

"Wir sind immer schneller"

Muss die Polizei eigentlich nicht besonders PS-starke Automobile für die Verbrecherjagd besitzen? "Die aktuelle E-Klasse mit 190 PS reicht völlig aus", relativiert Krumm. "Der Verfolgte kann auch 600 PS haben - wir sind immer schneller. Denn wir haben Funk und können unsere im gesamten Stadtgebiet verteilten Kräfte bündeln."

Die Polizei Hamburg unterscheidet bei ihrem Fuhrpark unterschiedliche Gruppen: zivile Personenkraftwagen, Funkstreifenwagen, Kräder, Lastkraftwagen, Sonderfahrzeuge (wie Wasserwerfer), Mannschaftskraftwagen, Anhänger/Transportcontainer. "Hinter jeder Gruppe haben wir eine Laufleistungs- und Investitionsplanung hinterlegt, gegen die ein regelhaftes Controlling läuft", berichtet Krumm. Zweimal jährlich wird bei einer Großanalyse überprüft, ob ein Fahrzeug früher aus dem Fuhrpark genommen wird, weil es sehr anfällig für Reparaturen ist, oder ob ein anderes aufgrund von guter Kosten-Laufleistungs-Nutzung und Restwertstabilität länger behalten wird.

Generell kauft die Polizei Hamburg meistens ein - immer nach europaweiter Ausschreibung. Nur fünf Prozent der Fahrzeuge laufen im reinen Finanzleasing. Full Service oder sonstiges Outsourcing ist für Krumm aber keine Option. "Unser Auftrag ist die innere Sicherheit und Ordnung, daher zeigen wir bestimmte Dinge nicht und offenbaren auch ungerne, wie wir funktionieren", begründet der Fuhrparkleiter, der im Gegensatz zu Kollegen in der Privatwirtschaft auch den Luxus hat, über eine eigene Zulassungsstelle zu verfügen. So fährt ein Dienstfahrzeug an einem Tag etwa mit Hamburger Kennzeichen - und trägt am nächsten Tag eine Kieler Nummer. Auch aus taktischen Gründen.

Fahren im Grenzbereich

Der größte Unterschied zu einem Fuhrpark in der Privatwirtschaft?"Das Blaulicht auf dem Dach", antwortet Thorsten Krumm wie aus der Pistole geschossen. Die Polizei hat Sonderrechte, darf schneller fahren als andere und fährt häufig im Grenzbereich. Der voll risikobehaftete Fuhrpark der Hamburger Polizei ist dabei zentral über die Finanzbehörde eigenversichert, wie jeder Fuhrpark im Öffentlichen Dienst.

Auch jenseits der Blaulichtfahrten werden die Fahrzeuge extrem belastet - laut Krumm viermal so stark wie ein Taxi: Ein Taxifahrer fahre an den Flughafen, warte eine Stunde, öffne dabei vielleicht zweimal die Tür. Polizeibeamte auf der Reeperbahn fahren dagegen demnach auf der bekannten Dienstelle 15 - der Davidwache - die 600 Meter lange Straße ständig hoch und runter, öffnen häufig die Fahrer- und Beifahrertür und steigen mehrfach in voller Montur ein und aus.

"Nach 10.000 Kilometern ist bei einem Funkstreifenwagen der Bremsbelag abgefahren, durch die hohe Belastung haben wir daher generell eine sehr hohe punktuelle Werkstattbelastung", berichtet Krumm, der seine Fahrzeuge mindestens jährlich zur Inspektion und internen Kontrolle schickt. Alleine schon wegen der UVV-Prüfung, die natürlich auch für die Polizei Pflicht ist. Die Stadt Hamburg hat dabei eine eigene Werkstatt mit 20 Mitarbeitern an zwei Standorten, auf die alle Behörden zugreifen können. Krumms Vorteil: Sie befindet sich auf dem Gelände der Polizei. Vor zwei Jahren hat der Fuhrparkexperte extra ein Meisterbüro mit vier Fachleuten eingerichtet: Über eine Hotline melden sich dort alle Mitarbeiter, die ein Fahrzeug fahren, bei Problemen und die zentrale Stelle koordiniert die Werkstattbelegung - in der eigenen, aber auch in den Herstellerwerkstätten. Für "taktisch ruhige Tankvorgänge" und den Fall eines Stromausfalls hat die Polizei Hamburg außerdem eine eigene Betriebs-Tankstelle. Abgesehen davon zahlen die Beamten an der regulären Tankstelle mit einer Tankkarte.

Abrüsten vor dem Werkstattbesuch

Die Reparatur eines Funkstreifenwagens in einer Markenwerkstatt läuft aber auch nicht ab wie bei jedem anderen Auto:"Wir rüsten bei jedem Werkstattbesuch unsere Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen ab", erklärt Krumm. Die jeweils 100 Kilogramm Material - Helme, Westen, Verkehrshütchen et cetera - werden dabei herausgenommen, der Funk digital abgeschaltet. Neben Konditionen eines Großkunden kann die Polizei Hamburg in akuten Fällen - etwa bei einem Großeinsatz, für den Hundertschaften aus mehreren Dienststellen zusammengestellt werden - durch "Blaulichttelefonate" mit einem beschleunigten Service rechnen.

Nicht nur auf Flottenleiter-, auch auf Fahrerseite hat der Fuhrpark der Hamburger Polizei so seine Eigenheiten: Polizeivollzugsbeamte müssen einen speziellen Führerschein machen, um einen Funkstreifenwagen fahren zu dürfen - den sogenannten B-Schein zur Nutzung von Sonder- und Wegerechten. Regelmäßige Nachschulung inklusive. Dafür hat die Behörde einen Fahrsimulator sowie eine eigene Fahrschule, die auch Verhaltensauffälligkeiten prüft oder etwa gemeinsam mit einem Psychologenteam bei Unfalltraumata aktiv wird.

Im Gegensatz zu so manchem Unternehmen ist die Führerscheinkontrolle für Krumm dagegen etwas Selbstverständliches: "Wir sind es ja gewohnt, Führerscheine zu überprüfen", schmunzelt er. Ebenfalls, geregelt durch die Polizeidienstvorschrift, werden die Fahrer regelmäßig manuell kontrolliert, turnusmäßig zweimal im Jahr. "Eine elektronische Überprüfung lohnt sich bei uns nicht", so sein Urteil.

Aller Schulung, Kontrolle und Vorsicht zum Trotz: Unfälle passieren auch bei der Polizei - vor allem aufgrund des oftmals riskanten Einsatzes. "Wir bewerten unsere Schadenstatistik regelmäßig und in Relation zu den letzten zehn Jahren", berichtet der Fuhrparkleiter, der einmal im Jahr einen Unfallbericht bei der Polizeiführung und beim Innensenator vorlegt.

"Professionell Ruhe bewahren"

Sein Handwerk hat Krumm übrigens "von der Pike auf" gelernt: Der Kfz-Meister und Betriebswirt ist zertifizierter Fuhrparkmanager - 2001 erwarb er diesen Titel bei der Autoflotte Akademie. Für spannend hält Krumm seinen Job heute mehr denn je: "Wie alle Betriebe in Deutschland beschäftigen wir uns intensiv mit den Themen Digitalisierung und Datenübertragung sowie den damit verbundenen rechtlichen Fragen." Für die Erfassung von Verschleiß und Inspektionsbedarf in Echtzeit nutzen die Hamburger die aktuellen Technologien bereits.

Und auch bei der Polizei Hamburg spielt die Frage nach alternativen Antrieben eine Rolle: "Keiner weiß, wo die Reise hingeht. Es gilt, professionelle Ruhe zu bewahren und keine Angst zu haben vor Entscheidungen. Die Zukunft als Chance betrachten - nur so kann man erfolgreich sein", so sein Resümee angesichts der aktuellen Herausforderungen. Wenn man mit Krumm seinen Büro- Gebäudekomplex verlässt, durchquert man eine Fahrzeughalle, in der die ganze Bandbreite seiner Arbeit nochmal ganz plakativ wird: Neben historischen Schätzen wie einem Polizei-VW-Käfer aus dem Jahr 1977 oder einem Dienst-BMW-Motorrad der R50-Serie mit Zweizylinder-Viertaktmotor von 1969 wartet der neue Dienstwagen des Hamburger Bürgermeisters darauf, abgeholt zu werden. Direkt daneben parkt ein gepanzertes Sondereinsatzfahrzeug. Details? Top secret!

Auf einen Blick

Fuhrpark

- 1.400 Fahrzeuge, davon 85 Prozent Personenkraftwagen und 15 Prozent Nutzfahrzeuge- Acht Fahrzeuggruppen mit jeweiliger Laufleistungsplanung- 7.500 berechtigte Dienstwagenfahrer/-innen- 95 Prozent Kauffuhrpark, fünf Prozent Leasing-Fahrzeuge (Motivations-Personenkraftwagen / Laufleistung ein bis drei Jahre)- Durchschnittliche Jahres-Laufleistung des gesamten Fuhrparks: 15 Millionen Kilometer- Marken: alle namhaften Hersteller- Vorrangig Diesel, 30 Hybridfahrzeuge- Durchschnittsverbrauch: 9,5 Liter / jährlicher Gesamtverbrauch: rund 1,7 Millionen Liter Kraftstoff

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