Erhöhter Druck zur Wechselsaison
Höhere Kosten | In das sonst so unaufgeregte Service-Modul Reifen kommt pünktlich zur Umrüstungszeit frischer Wind: Bei Pkw mit direkten Reifendruckkontrollsystemen müssen auch Winterrreifen damit ausgerüstet sein.
— In einem Monat fällt der Startschuss für die neue EU-Verordnung 661/2009. Dann, ab 1. November, müssen alle Neufahrzeuge der Klasse M1, das sind Pkw mit maximal neun Sitzen inklusive Fahrersitz, mit einem Reifendruckkontrollsystem (RDKS) ausgestattet sein. Ein Großteil der Fuhrparks wird also von der Neuerung aus Brüssel betroffen sein.
Für Flotten mit Fahrzeugen, die mit direkten (aktiven) Systemen ausgestattet sind, bei denen also in jedem Reifen ein Sensor den Luftdruck und die Lufttemperatur misst, wird die neue Vorschrift teuer: Die höheren Ausgaben werden nicht nur die Neuwagenbeschaffung betreffen, sondern auch die Folgekosten für Reifenersatz, Winterräder und aufwändigere Reifendienstleistungen.
Leasingkalkulation | Für die Leasinggesellschaften kann die RDKS-Pflicht getrost kommen. Denn wie unsere aktuelle Umfrage ergibt, scheinen fast alle ihre „Hausaufgaben“ gemacht zu haben: Bis auf Raiffeisen-Impuls Fuhrparkmanagement, die angab, die höheren Kosten noch nicht in die Service- und Reifenrate der Leasingverträge einzukalkulieren, haben alle anderen Leasinggesellschaften, die an der Befragung teilgenommen haben, dies bereits getan oder planen dies, wie Volkswagen Leasing, pünktlich zum Stichtag am 1. November.
Am frühesten war Leaseplan dran. Die Gesellschaft mit Sitz in Neuss hat ihre Parameter schon zum 1. April für diejenigen Modellreihen geändert, wo ein RDKS verbaut war. Durch diese frühzeitige Maßnahme sollten die Kunden finanzielle Planungssicherheit bekommen und Nachbelastungen vermieden werden.
Problem Übergangsverträge | Bei der Einführung von RDKS kann es generell passieren, dass Leasingnehmer von Nachberechnungen bei Übergangsverträgen überrascht werden. Dieses Problem wird bei den vielen Full-Service-Leasingpartnern wohl oder übel aufkommen. Denn für viele Neufahrzeuge gibt es so lange Lieferzeiten, dass die Verträge bereits Monate vor der Auslieferung noch zu den alten Konditionen geschlossen wurden. Was geschieht nun mit der Differenz zwischen alter und neuer Rate, wenn das Fahrzeug erst nach dem 1. November ausgeliefert wird?
Fakt ist: Sie wird dem Leasingnehmer nachbelastet, doch hier lassen sich die meisten Gesellschaften nicht in die Karten schauen. Schwammig heißt es dann: „Entsprechende Fälle werden individuell berücksichtigt“ (Alphabet). „Hierzu sind leider keine Angaben möglich“ (Arval) oder „In Abstimmung mit dem Kunden werden wir entsprechende, kundenorientierte Lösungsansätze ausarbeiten“ (Autobank). Von kulanten Lösungen sprechen die Captive-Gesellschaften Daimler Fleet Management und Volkswagen Leasing. Bei Letzterer sei die Zahl der betroffenen Kunden jedoch gering, weil direkt messende Systeme im Portfolio nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Offener zu Übergangsverträgen geben sich nur zwei Leasinggesellschaften: die Deutsche Leasing Fleet, die angibt, die Istkosten der Winterräder an Kunden rückbelasten zu wollen oder aber alternativ in ein offenes Abrechnungssystem umzustellen und die Verträge nachträglich anzupassen, und GE Capital Fleet Services: „Wenn der Vertrag noch mit alten Reifenpreisen ohne RDKS- Aufpreis abgeschlossen ist, werden die RDKS-Systeme mit dem ersten Winterkomplettrad-Bezug weiterbelastet oder als Nachrüstung verrechnet“, erklärt Dieter Brandl, Leiter Operations.
RDKS als eigenes Modul | Einen anderen Weg geht Sixt Leasing: Da nur bei direkten Systemen ein zusätzlicher Aufwand entstünde, will der Leasinggeber aus Pullach bei München RDKS losgelöst vom Reifenmodul als eigene Pauschale anbieten. Damit sei diese zusätzliche Leistung nachvollziehbar und transparent dargestellt. Und für den Fall der Übergangsverträge verweist der Anbieter darauf, dass das neue Modul jederzeit auch nachträglich vom Leasingnehmer hinzugewählt werden könne.
Preisunterschiede bis November | Problematisch könnte es also für Leasingnehmer in der Phase der Neuregelung sein, Leasingofferten miteinander zu vergleichen. „Bis November kann es zwischen den verschiedenen Leasing- und Fuhrparkmanagement-Anbietern RDKS bedingte Preisunterschiede geben“, sagt Dieter Jacobs, Geschäftslei-tung Fuhrparkmanagement bei Leaseplan Deutschland. Seine Empfehlung lautet daher: Fuhrparkverantwortliche sollten Angebote dahingehend überprüfen, ob die monatlichen Reifen-Serviceraten bereits die Mehrkosten enthielten, die durch die RDKS-Pflicht verursacht würden. Dazu rät auch der Verband markenunabhängiger Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF) (siehe Infokasten rechts).
Mehrkosten für RDKS | Um wie viel sich die Leasingrate für Fahrzeuge mit direktem RDKS durch die neue EU-Verordnung verteuert, lässt sich nicht allgemeingültig sagen, da die Kosten aufgrund unterschiedlicher Sensoren je nach Automodell und Leasinglaufzeit variieren. Leaseplan macht eine Verteuerung – je nach Fabrikat und Laufzeit – von 15 bis 30 Prozent der bisherigen Winterreifenrate aus.
Für die Sensoren bei aktiven Systemen, wie sie bei BMW vorkommen, fallen laut GE Capital Fleet Services Kosten bis zu rund 270 Euro an, die Ventil-Kits schlügen mit zirka 40 Euro zu Buche. Arval beziffert die Zusatzaufwendungen bei den bislang gekannten Reifendruckkontrollsystemen auf 300 bis sogar 450 Euro pro Fahrzeug.
Der Herbst könnte für Fuhrparkkunden durch die neue RDKS-Pflicht aber nicht nur wegen der Mehrausgaben ungemütlich werden. Neben den höheren Kosten für die Anschaffung der Neuwagen, den Reifenersatz, die Winterräder und schließlich die teurere Montage müssen sich Flottenbetreiber auch auf Engpässe im Reifenhandel einstellen. Das könnte nicht nur für die Beschaffung selbst, sondern auch für den Service gelten. „Noch fehlen allen Beteiligten hier die Erfahrungswerte“, gibt Eugen Preisinger, Leiter Full-Service und Schadenmanagement bei der Autobank, zu bedenken.
Frühzeitige Terminvereinbarung | Weil die personellen Kapazitäten bei den Reifenpartnern aufgrund der zeitintensiveren Montage verringert sein könnten, empfehlen viele Leasinggeber sowie auch der VMF, den Radwechsel – gerade in der ersten Wintersaison nach der RDKS-Pflicht – rechtzeitig zu planen. Außerdem müssten die Fuhrparkvertantwortlichen respektive die Fahrer, so Michael Velte, Geschäftsführer der Deutschen Leasing Fleet und Vorstandsvorsitzender des VMF, zudem mehr Zeit für den Wechsel an sich einkalkulieren. Dieser könne „bei direkten System bis zu 40 Minuten länger dauern als bisher“, sagt Velte. Hinzu kämen möglicherweise Kalibrierungsfahrten durch den Fahrer selbst, wenn das direkt messende RDKS so auf die Radposition und das Fahrzeug angepasst beziehungsweise angelernt werden müsse. Eine Dienstleistung, die auch von den meisten Reifenpartnern kostenpflichtig übernommen werde.
Ob jede Werkstatt schon über ausreichend geschulte Mitarbeiter verfügt, ist eine weitere Frage. „Lieferanten und Werkstätten müssen sich vertieft mit diesem Thema beschäftigen“, fordert Karsten Rösel, Geschäftsführer der ALD Autoleasing D. Er verweist auf eine Studie, die gezeigt habe, dass einige Werkstätten sich noch nicht ausreichend mit RDKS beschäftigt und den gesetzlichen Anforderungen auseinandergesetzt hätten. „Deshalb legen wir bei der Auswahl unserer Reifen-Partner großen Wert auf geschultes Personal mit umfangreichen Fachkenntnissen und eine entsprechende technische Ausstattung in den Werkstätten – gerade bei aktuellen Themen wie RDKS“, so Rösel.
Ungemach könnte laut Brandl von GE Capital Fleet Services durch die noch unterschiedlichen Systeme drohen. „Die Verfügbarkeit der verschiedenen RDKS-Ventile und Dichtsätze wird zu Problemen führen“, sagt er.
Diese Vielfalt an Systemen samt ihrer komplizierten, noch nicht eingespielten Prozesse führe ebenso teilweise zu erheblichen Mehrkosten, ist Velte überzeugt. Er geht aber davon aus, „dass sich die Automobil- und Reifenindustrie zeitnah auf ein einheitliches und für alle einfach handhabbares System einigt“.
Sicherheit | Wer jetzt über den Regulierungswahn der EU und die daraus resultierenden Kostensteigerungen wütet, sollte sich die positiven Aspekte vor Augen führen.
Die neuen Pflicht-Systeme können die Sicherheit des Fahrers erhöhen, weil es durch sie zu weniger Unfällen wegen geplatzter Reifen infolge falschen Luftdrucks kommt.
Gleichzeitig können RDKS trotz ihrer Mehrkosten dazu beitragen, Geld einzusparen: Durch den optimalen Luftdruck kann die Lebensdauer der Reifen steigen. Auch der positive Effekt des richtigen Drucks auf den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen ist hinlänglich bekannt. „Die entstehenden Mehrkosten sollten sich während der Laufzeit wieder einspielen und können sogar einen Mehrwert für die Flotten schaffen“, ist Dr. Rudolf Rizzolli, Vorstand Sixt Leasing, daher überzeugt. | Mireille Pruvost
RDKS | Tipps für Flottenmanager
– Der Verband markenunabhängiger Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF) gibt Fuhrparkentscheidern anlässlich der Einführung der RDKS-Pflicht folgende Empfehlungen:
Car Policy anpassen: Aufgrund der neuen Rahmenbedingungen müssten die Referenzraten infolge höherer Kosten bei der Anschaffung und bei saisonalem Rad- oder Ersatzrad-Wechsel überprüft und ggf. – gerade bei Fahrzeugen mit direktem RDKS – angehoben werden.
Angebote externer Dienstleister genau vergleichen: Gerade in der Übergangszeit und bis RDKS flächendeckend eingeführt ist, werden Angebote bei Ausschreibungen mit und ohne zusätzliche Kosten abgegeben werden. Das kann auf den ersten Blick zu hohen Differenzen in den monatlichen Reifen-Serviceraten führen.
Rechtzeitige Radwechsel planen: Durch mögliche Engpässe bei der Reifenbeschaffung und bei Reifenservice kann es zu Verzögerungen kommen.
Zusätzliche Informationen bereithalten: Bei der Terminvereinbarung werden nun vom Reifenpartner Angaben zum RDKS aus dem Fahrzeugschein benötigt.
Mehr Zeit einplanen: Der Radwechsel dauert bei direkten Systemen länger als bisher: Bis zu 40 Minuten mehr kann er beanspruchen.