Erkenntnis liegt im Dialog
Flottenversicherungen sind und bleiben für Fuhrparkbetreiber und Versicherer eine Herausforderung. Das haben die Vorträge und Diskussionen auf der Veranstaltung „InMotion“ sowie dem Fuhrparkleiter-Workshop 2010 der HDI-Gerling gezeigt. Nichtsdestotrotz haben sie in vielen Punkten Licht ins Dunkel gebracht.
Welche Möglichkeiten haben Fuhrparkmanager, eine internationale Flotte zu versichern? Wie sehen die gesetzlichen Regelungen dafür in einzelnen Ländern aus? Und wie entwickelt sich der Markt für Flottenversicherungen generell? Um diese und andere Fragen hat sich das jährliche Wissens- und Kommunikationsforum „InMotion“ gedreht, das die HDI-Gerling Ende Juni in Hannover zum zweiten Mal durchgeführt hat. Rund 120 Teilnehmer aus unternehmenseigenen Versicherungsgesellschaften, der Leasing- und Bankenbranche und Makler haben sich hierzu eingefunden, den Vorträgen gelauscht und mit den Referenten diskutiert.
Sanierung versus Marktanteile?
Als Plattform für den Dialog mit Flottenexperten hat Gerhard Heidbrink, Vorstand der HDI-Gerling Industrie Versicherung AG, die Veranstaltung eröffnet. In seiner Begrüßungsrede beleuchtete er deshalb auch die Entwicklung im Kfz-Versicherungssegment näher und wies darauf hin, dass HDI-Gerling gegenwärtig mit einem Prämien-Gesamtvolumen von rund einer Milliarde Euro einen Marktanteil von fünf Prozent erreiche. Dabei kann der Versicherer vor allem bei den großen Unternehmen punkten.
Heidbrink nannte konkrete Zahlen: So seien nicht nur 19 der 30 Dax-Unternehmen mit ihren Fahrzeugen bei HDI-Gerling versichert, sondern auch rund 45 Prozent der Flotten mit einem Fuhrpark größer 100 Einheiten. Gleichwohl merkt der Vorstand an, dass insbesondere mit den Firmenfuhrparks derzeit kein Geld verdient, aber auch keines verloren werde. Mit Aufmerksamkeit beobachtet der Versicherer daher auch die allgemeine Marktentwicklung, die sich durch steigende Schadenhäufigkeiten und selektives Sanierungsverhalten auszeichne. Und Heidbrink ergänzte, dass aber immer noch einige der Meinung seien, dass eine Schadenquote von 120 bis 130 Prozent den richtigen Wert darstelle.
Diese Meinung teilt der Vorstand nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass sich der Markt wandelt und die Leistungen wieder Würdigung finden. HDI-Gerling hat es sich auf die Fahnen geschrieben, sogenannte „Loss Leader“ mit einer Schadenquote von über 100 Prozent, die auf einer hohen Schadenfrequenz beruhen, gezielt zu sanieren.
Vormarsch internationaler Flottenprogramme
Zugleich hat HDI-Gerling vor zwei Jahren begonnen, das internationale Flottengeschäft auszubauen. Heidbrink warb damit, dass der Versicherer nun in allen europäischen Ländern vertreten sei und den Kunden, die bisher mit ihrem deutschen Fuhrpark bei HDI-Gerling versichert sind, Lösungen aus einer Hand anbieten könne. Das Prämienvolumen aus diesem Geschäft beläuft sich nach Aussagen des Vorstands derzeit zwar nur auf rund sechs Millionen Euro. Er hat aber bereits als Ziel ausgegeben, das Volumen kurzfristig auf rund 15 Millionen Euro und in den kommenden Jahren weiter deutlich zu steigern.
Welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen und warum sich immer mehr Flottenbetreiber auch für internationale Versicherungspakete interessieren, hat Jens Könemann, Leiter Services Kraftfahrt der HDI-Gerling Sicherheitstechnik, in seinem Vortrag „Internationale Lösungsmöglichkeiten zur Versicherung von Kfz-Flotten“ erläutert.
Wesentlicher Grund für die steigende Nachfrage sei der Trend, alle Konditionen für Fuhrparks einheitlich zu regeln. Dazu Jens Könemann: „Da viele Unternehmen ihre Fahrzeuge über Länder hinweg geleast haben, verhandeln sie zum Beispiel einen übergreifenden gültigen Rahmen für die einzelnen Services wie Wartung oder Reifen. Dadurch kommt auch im Versicherungsbereich Druck auf die Düse, sodass wir handeln müssen.“ Dabei will HDI-Gerling großen Unternehmen sowie mittelständischen Kunden im Bestand individuelle Lösungen anbieten, die Interesse an einem länderübergreifenden Versicherungsprogramm samt einheitlichem Reporting haben.
Da überhaupt nur wenige Versicherer wie die Allianz oder Zurich auch internationale Versicherungsprogramme für Flotten umsetzen könnten, räumte sich der Versicherer gute Chancen ein, mit der Offensive neue Kunden zu gewinnen und bestehende stärker zu binden.
Ungeachtet dessen hat Jens Könemann verdeutlicht, wie schwierig es prinzipiell ist, hieb- und stichfeste Flottenprogramme aufzulegen. Denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich stark von Land zu Land. „Ziel ist es daher, übergreifende Lösungen zu entwickeln und möglichst hochwertige lokale Policen auszustellen“, sagt Könemann. Die eigenen Niederlassungen und Tochtergesellschaften sowie Kooperationspartner in den europäischen Ländern sollen diese dann mit Leben füllen und Ansprechpartner vor Ort für die Flottenkunden stellen.
Ein weiterer Vortrag von Professor Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, hat sich mit den Schlüsseltrends in der Automobilindustrie beschäftigt. Darin widmete sich Dudenhöffer nicht nur dem weltweiten Wachstum bei den Pkw-Neuzulassungen, sondern auch dem gesättigten deutschen Markt und der Rolle sowie Entwicklung von Kfz-Flotten. Seinen Untersuchungen zufolge bleibt der Markt für Firmenfahrzeuge mit aktuell rund 20 Prozent an den Neuzulassungen beziehungsweise 600.000 Verkäufen pro Jahr tendenziell konstant. Gleichzeitig würde die Senkung der Emissionen in den Fokus rücken.
Laut CAR-Erhebungen zeichnet sich auch ab, dass eine Mehrheit der Fuhrparkbetreiber künftig das Thema CO2-Reduktion in der Car Policy berücksichtigen will. Über 60 Prozent spielten darüber hinaus mit dem Gedanken, die Fahrer am Verbrauch zu beteiligen. Parallel dazu nehme die Wertschöpfung im Fuhrparkmanagement zu, was Flottenkunden und Versicherer bei der Kfz-Versicherung nutzen könnten. Beispiel dafür: die Anstrengungen zur Verbesserung des Schadenmanagements.
Schadenmanagement und Halterverantwortung im Brennpunkt
Wie Flottenmanager die Prozesse durch eine aktive Schadensteuerung optimieren können, haben Susanne Räuschel, Riskmanagerin bei der HDI-Gerling Sicherheitstechnik, und Michael Rieger, Berater bei der HDI-Gerling Sicherheitstechnik, auf dem Fuhrparkleiter-Workshop in Dortmund mit den zwölf Teilnehmern anhand deren Fuhrparks analysieren wollen. Bevor Susanne Räuschel mit ihrem Vortrag „Schadensteuerung als effizientes Prozessmanagement für Flotten“ gestartet ist, hat sie daher folgende Frage gestellt: Wer hat sich schon einmal mit Schadensteuerung beschäftigt? Dabei hat sich herauskristallisiert, dass die Fuhrparkmanager nicht nur unterschiedlich tief in der Materie verwurzelt sind, sondern auch verschiedene Varianten im Schadenmanagement nutzen (siehe auch das Fuhrparkleiter-Interview unten und den Kasten „Know-how für alle Fälle“ auf S. 55).
Während der eine Fuhrparkleiter ausschließlich auf externe Dienstleister zur kompletten Schadensabwicklung im Rahmen des Full-Service-Leasings setzt, greift der andere zwar auf Fremdleistungen bei der Instandsetzung und der Notfall-Hotline zurück, behält aber beispielsweise die Schadendatenverwaltung und das Controlling in der Hand.
Michael Rieger zufolge zeichnet sich jedoch ab, wohin die Reise im Schadenmanagement geht: zur Übernahme der Schadensteuerung durch Dritte. Dazu nicken einige Flottenmanager. Einer von ihnen erklärte auch, warum er totalem Outsourcing den Vorzug gibt: „Dadurch haben wir im Schadensfall wenig Probleme bei der Mobilstellung und die Mitarbeiter fühlen sich sicherer.“
Ein Weiterer hat sich für die aktive Schadensteuerung durch den Versicherer entschieden, um etwa die eigenen Prozesse zu verschlanken. Doch welche Unfälle sind überhaupt steuerungsfähig? „Grundsätzlich alle. Ausnahme: ein Totalschaden. Gerade auch ‚Massenereignisse‘ wie Glasschäden sollten durch aktive Schadensteuerung ein gewisses Kostencontrolling erfahren“, sagt Räuschel. Ansonsten würden immer mehr Fuhrparkmanager die aktive Schadensteuerung nutzen, um die Aufwendungen für Reparaturen zu verringern, die Verwaltung sowie das Fuhrparkmanagement zu entlasten und damit die Gesamtkosten für Versicherungsschäden senken. ASC
Know-how für alle Fälle
Neuland ist der Fuhrpark für Sabine Seiler, Travelmanagerin der Haver & Boecker Drahtweberei und Maschinenfabrik in Oelde. Sie wird in Kürze auch für die rund 15 Pkw im Pool-Fuhrpark zuständig sein. „Deshalb habe ich den Workshop genutzt, um Einblick in das Fuhrparkmanagement zu erhalten“, sagt Seiler. Mit großer Aufmerksamkeit hat sie vor allem die Vorträge über den Flottenmarkt und die Leasinggesellschaften im Allgemeinen, die Halterhaftung und die Möglichkeiten im Schadenmanagement verfolgt. Seiler begründet: „Das Thema Schadenregulierung ist wichtig, damit man weiß, wo es im Ernstfall anzusetzen gilt.“ Schließlich will sich die frischgebackene Fuhrparkmanagerin mit ihrer Flotte, deren Pkw über Stückprämien mit Gewinnbeteiligung, Schutzbrief, GAP-Deckung, Dienstreisekasko und Umweltschadenversicherung eingedeckt sind, bestmöglich auf ihre neue Aufgabe vorbereiten.
„Nicht auf Erreichtem ausruhen“
Harald Jeuschede, Leiter Service Center Versicherung der Rhenus Asset & Services GmbH & Co. KG in Holzwickede bei Unna, nimmt an einem Fuhrparkleiter-Workshop der HDI-Gerling zum zweiten Mal teil. Er will sich hier komprimiert an einem Tag über relevante Neuerungen im Flottenmarkt und rund um die Kfz-Versicherung informieren. Denn der Versicherungsexperte verantwortet nicht nur die Kfz-Versicherungen für rund 2.200 Lkw und Transporter der Rhenus-Gruppe. Auch 600 Pkw gehören zum Fuhrpark des Logistikdienstleisters. Die Dienstwagen rekrutieren sich vorwiegend aus Klein- und Mittelklassewagen verschiedener Marken, die leitende Angestellte und Vertriebsmitarbeiter fahren. Sie werden für 48 Monate mit einer Laufleistung von 40.000 Kilometern pro Jahr im Full-Service geleast. Ausnahme: Die Rahmenbedingungen und Konditionen für die Flottenversicherung verhandelt das Unternehmen mit den Kfz-Versicherern selbst.
Af: Wie ist Ihre Flotte versichert?
Jeuschede: Wir haben unsere 600 Pkw über einen Rahmenvertrag mit Stückprämien eingedeckt und Selbstbeteiligungen (SBen) von jeweils 1.000 Euro in der Teil- und Vollkasko vereinbart. Derzeit spielen wir mit dem Gedanken, die SB noch mal zu erhöhen oder den Kaskoschutz ganz entfallen zu lassen, um die Versicherungskosten zu senken. Das Schadenmanagement läuft wiederum über unseren Leasinggeber, der für eine Gebühr pro Fahrzeug in Kooperation mit einem angeschlossenen Dienstleister die Schäden zur Kostenminimierung aktiv in Partnerwerkstätten steuert. Wichtigste Aufgabe dabei ist es, den Mitarbeiter immer mobil zu halten. Und das schaffen wir auch mit unserer Lösung.
Af: Managen Sie intern überhaupt noch Aufgaben im Schadenbereich?
Jeuschede: Ja. Wir widmen uns gezielt der Schadenverhütung. Das heißt, wir entwickeln Konzepte, mit denen Prämien für unfallfreies Fahren bei den gewerblichen Fahrern ausgelobt und auch Beteiligungen von Fahrern der Dienst-Pkw an den Kosten bei selbst verschuldeten Unfällen festgelegt werden. Darüber hinaus haben wir die technische Ausstattung aller Fahrzeuge optimiert, sodass beispielsweise über die serienmäßige Ausrüstung der Pkw mit Einparkhilfe die Schäden deutlich zurückgegangen sind.
Af: Wie entwickelt sich die Flottenversicherung Ihrer Beobachtung zufolge derzeit?
Jeuschede: Ich registriere den offenkundigen Willen der Versicherer, ein höheres Engagement der Kunden einzufordern und das Flottengeschäft zu sanieren. Trotzdem haben wir es durch verschiedene Maßnahmen zur Schaden- und Kostensenkung geschafft, die Prämien für die Pkw über die vergangenen Jahre zu senken. Denn die Schadenquote hat sich bei steigender Fahrzeugzahl merklich reduziert. Trotzdem wollen wir uns aber jetzt nicht auf dem Erreichten ausruhen, da wir weiteres Potenzial zur Verringerung der Schäden und Kosten sehen. Wir denken deshalb im Moment auch über Sicherheitstrainings und Incentives für unfallfreies Fahren bei den Pkw-Fahrern nach.
Af: Herr Jeuschede, vielen Dank für das informative Gespräch!
Interview: Annemarie Schneider
- Ausgabe 8/2010 Seite 54 (601.0 KB, PDF)