Montag, 11. Oktober. Der Nachrichtensprecher im Hamburger Lokalradio verkündet morgens die Eröffnung des fünftägigen ITS-Weltkongresses ("Intelligent Transport Systems"), einer internationalen Branchenplattform rund um die intelligente Mobilität und den vernetzten Verkehr von morgen. Nächste Meldung: "Hochautomatisierte S-Bahn startet erstmals in Hamburg." Die beiden News hängen zusammen, ganz bewusst fand die Premiere für die vier vorerst digital gesteuerten Bahnen, die zwischen den Hamburger Stationen Berliner Tor und Bergedorf/ Aumühle touren, am ersten Tag des ITS-Weltkongresses statt.
Denn dass die norddeutsche Stadt den Zuschlag bekommen hat, den alle drei Jahre in Europa und in den Zwischenjahren auf anderen Kontinenten stattfindenden ITS-Weltkongress auszutragen, hat in Hamburg für einen ordentlichen Schub in Richtung Mobilität der Zukunft gesorgt. Und die ITS-Strategie 2030 der Hansestadt ordentlich befeuert.
Auf Straßen, Schienen, Wasserwegen und im Luftraum wurden auf dem Messegelände und an mehreren Orten in der Stadt diverse Projekte erklärt, diskutiert und demonstriert. Die Idee: Was sich bewährt hat, soll bleiben. Und Vorbild sein für andere Orte.
Drohnen jagen Drohnen
Und es gibt so einiges, was sich bewähren soll - hier ein paar Beispiele: HEAT, ein automatisierter Kleinbus, der im Fahrgastbetrieb im öffentlichen Straßenraum mit bis zu 25 km/h durch die Hafencity fährt. Medifly, ein Drohnentransport von medizinischen Gütern und Gewebeproben. Automatisiertes und vernetztes Fahren auf einer neun Kilometer langen Teststrecke in der Innenstadt. Containerbeförderung via Magnetschwebetechnik durch eine Röhre. KI-basierte Abfangdrohnen, die unbefugte Eindringlinge - etwa andere Drohnen am Flughafen, erkennen und über ein ausgeworfenes Netz abtransportieren. Automatisiertes Einparken ohne Fahrer, erprobt im Parkhaus der Elbphilharmonie. Und vieles anderes mehr.
Insgesamt 42 Ankerprojekte wurden ausgewählt, die auf die ITS-Strategie der Stadt einzahlen, bis zum ITS Weltkongress 2021 vorzeigbare Ergebnisse versprachen, eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit sowie eine gute Verwertungsperspektive nach Projektende haben. Entsprechend selbstbewusst begrüßte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher die internationale Presse am ersten Tag des ITS-Weltkongresses in der "smartesten" Stadt Deutschlands.
Können das andere Städte auch? Ja, sagt Andrea Weidinger, Prokuristin der ITS Hamburg 2021 GmbH - wenn (politischer) Mut, Zusammenarbeit aller Akteure und der Zugang zu den nötigen Daten vorhanden sind. Ein klares Zeichen für deutschlandweite Zusammenarbeit war der Gemeinschaftsstand aller Bundesländer, direkt neben den ausgestellten Hamburger Ankerprojekten in den Messehallen (siehe Interview).
Freitag, 15. Oktober - letzter Tag des ITS-Weltkongresses: Abermals erwähnt der lokale Radiosender in den Nachrichten das Event: "Stadt und Veranstalter vermelden Rekordzahlen: Über 13.000 Besucher!" Das große Interesse und der Erfolg der Veranstaltung machen Mut. Denn hier wurde mit Blick auf die Mobilität von morgen nicht lamentiert, sondern abgeliefert.
Große Resonanz
Autoflotte hat auf dem ITS Weltkongress Andrea Weidinger, die Prokuristin der ITS Hamburg 2021 GmbH, getroffen.Als wir uns vor einem Jahr unterhalten haben, war völlig unklar, ob der ITS Weltkongress in Hamburg stattfinden kann. Wie groß ist Ihre Erleichterung?Andrea Weidinger: Riesig. Aus dem Kongress eine 2G-Veranstaltung nur für Geimpfte oder Genesene zu machen, war die richtige Entscheidung. Auch wenn es die 2G-Regeln nicht verlangen, haben wir zudem die Maskenpflicht beibehalten. Es gab keine Kritik, vielmehr sind Besucher aus aller Welt angereist - auch zum Beispiel aus Japan, obwohl für die Asiaten strenge Quarantäneregeln nach der Rückreise gelten. Und wir merken an der großen Resonanz ab dem ersten Tag, wie groß das Bedürfnis der Branche ist, sich - teilweise zum ersten Mal überhaupt - physisch auszutauschen.Sie wollten auch die Hamburger Einwohner und den Nachwuchs in den ITS-Weltkongress einbinden. Hat das geklappt?A. Weidinger: Der kostenlose Publikumstag hat mit rund 4.000 Teilnehmern unsere Erwartungen übertroffen. Und auch die Jüngsten waren involviert: Monatelang haben Schülerinnen und Schüler ihre Perspektiven für eine Mobilität von morgen erarbeitet, teils in Kooperation mit Hamburger Schulen und Universitäten - und auf dem Kongress präsentiert. Parallel haben Jugendreporter auf Instagram über die Kongressthemen berichtet.Was können sich andere Städte von Hamburg abschauen?A. Weidinger: Hamburg kann vor allem hinsichtlich der Lösungen für die letzte Meile ein Vorbild für andere Städte sein, wenn ich an ioki, unseren On-Demand-Shuttle in Verbindung mit einem ÖPNV-Ticket, oder an MOIA denke. Das via App bestellbare Ride-Sharing Shuttle gehört längst zum Stadtbild. Generell braucht es auf dem Weg zu einer neuen, nachhaltigen Mobilität Mut der Verantwortlichen, neue Wege auszuprobieren - mit dem Risiko, auch mal zu scheitern, sowie Kollaborationen aller Akteure und offenen Datenzugang.