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Interview VMF: Kompass einer heterogenen Mobilitätsbranche

23.11.2021 09:25 Uhr
Interview VMF: Kompass einer heterogenen Mobilitätsbranche
Eigentlich sind sie zu dritt. Zum VMF-Führungstrio gehört neben Christian Schüßler (links) und Frank Hägele (rechts) auch Vinzenz Pflanz.
© Foto: VMF

Der Verband markenunabhängiger Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften (VMF) hat sich 2018 neu erfunden. Das war nötig und half, neue Mitglieder zu gewinnen. Autoflotte sprach mit der neuen VMF-Spitze.

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AF: Herr Hägele, Sie sind seit Anfang 2019 im Vorstand und seit Juni 2021 Vorsitzender des VMF Vorstands. Zusammen mit Vinzenz Pflanz und Christian Schüßler bilden Sie die Spitze des Verbandes und Dieter Brandl ist als Geschäftsstellenleiter erster Ansprechpartner für Mitglieder und Interessenten. Wie kam es zur Neuformierung, die ja auch mit einer Namensänderung einherging?

Frank Hägele: 2018 war für den VMF prägend. Da haben wir uns alle gefragt, wie wir mit dem Verband – der 1998 ins Leben gerufen wurde – weiter umgehen wollen. Hintergrund war unter anderem, dass wir in den Jahren zuvor bereits einen deutlichen Mitgliederrückgang zu verzeichnen hatten. Der VMF hatte in seinen Spitzenzeiten zwölf Mitglieder und ebenso viele Premiumpartner. Aber über die Jahre, bedingt durch Branchenkonzentration und beispielsweise aus Compliance-Gründen bei einigen Gesellschaften, sind viele Unternehmen aus dem VMF ausgetreten. 2018 war Marcus Schulz bereits etwa ein halbes Jahr Vorsitzender des Vorstandes als ich hinzukam und der VMF eine Grundsatzaussprache zur strategischen Ausrichtung führte. Wir haben uns damals zum Ziel gesetzt, innerhalb der darauffolgenden zwölf Monate den VMF moderner aufzustellen sowie inhaltlich und strategisch zu fokussieren, um ihn in der Mobilitätsbranche als den führenden Verband zu positionieren und damit auch einen soliden Wachstumsplan zu haben.

AF: Wachstumsplan bedeutete, dass man sich thematisch öffnet?

Christian Schüßler: Exakt, genau in diesem Kontext kam ja dann auch die Umbenennung weg von "markenunabhängigen Leasinggesellschaften" hin zu "Mobilitäts- und Fuhrparkmanagementgesellschaften". Wie man jetzt ja auch sehen kann, gibt es bei den Mitgliedern einige, die keine Leasinggesellschaften sind. Mit weiteren Unternehmen befinden wir uns in Gesprächen, um den VMF noch breiter aufzustellen.

AF: An welche Themenfelder denken Sie da?

C. Schüßler: Ein relevantes Thema, das wir gerade in einer Studie betrachtet haben, sind Auto-Abos. Die haben in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen und es gibt dort den Wunsch einem Branchenverband beizutreten, der auch deren Interessen vertritt, dem VMF. Wir haben uns daher die Gesamtentwicklung angeschaut und eine Studie erstellen lassen. Diese gibt einen sehr umfangreichen und guten Einblick in den Markt und deren Mitspieler und zeigt Entwicklungspotenziale. Eine Rolle in dem Umfeld spielen natürlich auch Autovermieter, Leasinggesellschaften und beispielsweise Start-ups.

AF: Wo ist die Studie zu finden?

F. Hägele: Die Studie werden wir jetzt, Ende November, unseren Mitgliedern und Premiumpartnern im Rahmen des VMF Branchenforums vorstellen. Unsere Premiumpartner erhalten diese top aktuelle und umfassende Studie kostenfrei.

AF: Sieht der VMF Potenzial im Bereich Auto-Abos?

C. Schüßler: Ja. Ohne Ergebnisse aus unserer Studie vorwegnehmen zu wollen, ist das das Volumen derzeit zwar noch überschaubar. Aber es werden enorme Wachstumsraten prognostiziert. Allerdings sehe ich aktuell eher noch, dass Abomodelle für Privatnutzer interessant sind und noch nicht für Unternehmen. Gerade in der aktuellen Situation, in der die Verfügbarkeit von Fahrzeugen durch den Halbleitermangel sehr problematisch ist, sind die Abo-Anbieter diejenigen, die stark frequentiert werden. Auf der anderen Seite sind auch die auf der Suche nach Fahrzeugen, um den Bedarf entsprechend decken zu können.

F. Hägele: Die Rolle vom VMF ist ja mittlerweile die, die unser Slogan aussagt: Experten für Mobilität im Wandel. Und das heißt, dass wir „Branchenthemen“ auch mal als White Paper aufbereiten. So wie das neueste, das wir im VMF-Branchenforum vorstellen werden. Und dort wollen wir unseren Mitgliedern unsere grundsätzliche Einschätzung zum Thema Abo geben. Wir werden weniger gefragt, wer der beste Anbieter vom Auto-Abo ist. Wir geben Orientierung, schätzen den Markt ein und zeigen die Trennlinie hin zu Miete, Langzeitmiete und Leasing.

AF: Sie sprechen bereits ein Thema an, auf das ich gern näher eingehen würde. Der Chipmangel macht sich also auch bei den VMF-Mitgliedern bemerkbar?

C. Schüßler: Die Situation ist aktuell sehr schwierig. Wir hatten ja gerade über die Abo-Anbieter gesprochen. Diese haben in der aktuellen Situation den Vorteil, dass gerade jetzt vor allem neue chinesische Automobilhersteller auf den deutschen Markt wollen, die auch teilweise lieferfähig sind. Und die Fahrzeuge werden scheinbar auch von den Kunden angenommen, aber man möchte sich da offensichtlich nicht fest binden im Sinne von „ich kaufe mir dieses Fahrzeug“. Das Auto will bislang eher nur genutzt werden und man möchte sich mit den neuen Modellen vertraut machen. Im Abo kann man sich flexibler auf neue Marken einlassen.

AF: Wird der VMF die Studie auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung stellen?

Dieter Brandl: Die Studie können selbstverständlich Nicht-VMF-Mitglieder durch Zahlung einer Schutzgebühr erwerben. Das war bereits in der bei vorherigen Studien der Fall, denn die Nachfrage war und ist vorhanden.

C. Schüssler: Wichtig ist auch: Wir sehen uns als Kompass und Ratgeber innerhalb dieses Marktes. Deswegen haben wir auch alles rund um Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) im Blick. Das wird auch ein Schwerpunkt im Branchenforum sein. Und aus dem Bereich KI gibt es einige Unternehmen, die wir jetzt als Mitglieder neu hinzugewinnen konnten oder werden.

AF: Können Sie da einige nennen?

D. Brandl: Ein neuer Premiumpartner ist z. B. Yoma Solution/Globalmatix. Bei Yoma geht es um KI insgesamt – nicht nur Automotive-Umfeld. Und das Thema wird im Branchenforum in Fachvorträgen erklärt, um aufzuzeigen, wo KI herkommt, wie der aktuelle Stand aussieht und wo es hingehen wird.

C. Schüßler: Richtig, Yoma bietet Dienstleistungen wie Online-Liefertermine, sie greifen ins Dealer-managementsystem ein. "Predictive maintenance", also die vorausplanende Wartung, ist ein weiterer Aspekt, der in Zukunft immer wichtiger wird, genauso wie die Daten die das Auto produziert, oft aber vom Hersteller nicht freigegeben werden.

Was viele ebenfalls beschäftigt, ist die Customer Journey, die sich gerade in Anbetracht der regulatorischen Herausforderungen nur sehr komplex digitalisieren lässt. Das treibt nicht nur Leasinggesellschaften um. Und bei der KI sind Start-ups ja oft besser als traditionelle Unternehmen. Bis die Mühlen der großen anlaufen, haben die kleinen bereits fertig entwickelt. Und deswegen will der VMF alle miteinander verknüpfen. Startups sind bei uns herzlich willkommen.

D. Brandl: Ein anderer Premiumpartner im VMF, der KI-basiert agiert, ist bezahl.de. Die machen Bezahlströme einfacher, sicherer und schneller und werden unter anderem in Werkstätten und beim Fahrzeugverkauf genutzt.

Aktuell sind wir mit einigen weiteren Mitgliedern wie auch Premiumpartnern in Gesprächen. Türen haben sich auch aufgrund des Wegfalls der VMF-Fuhrpark-Mindestgröße von 30.000 gemanagten Fahrzeugen geöffnet. Wir achten aber im Vorfeld darauf, dass junge Unternehmen bei ihren Produkten bereits einen gewissen Reifegrad vorweisen können. Das zieht sich über alle Mobilitätsangebote und die gesamte Servicepalette die es in diesen Bereichen gibt. Da sprechen wir gerade mit vielen neuen Aspiranten.

F. Hägele: Unser Ziel war es, ab 2019 zwei neue Mitglieder pro Jahr zu akquirieren. Das hat geklappt. Momentan haben wir neun Mitglieder und wieder 16 Premiumpartner. Insgesamt haben diese Unternehmen einen Fahrzeugbestand von zirka 800.000 Fahrzeugen. Und es kommen weitere Interessenten direkt auf den VMF zu. Beim Branchenforum haben wir derzeit mehr als 50 Anmeldungen. Beim letzten Live-Event im November 2019 in München waren es rund 30 Teilnehmer.

Dieter Brandl ist VMF-Geschäftsstellenleiter und damit meist erster Ansprechpartner des VMF.
© Foto: VMF

AF: Was zeichnet das Branchenforum aus?

F. Hägele: Am Anfang gibt es einen Impulsvortrag von einem Branchenexperten. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass er sich nicht nur innerhalb eines definierten Produktsilos bewegt. Wir wollen die Megatrends der Branche aufzeigen. Die weiteren, konkreten Vorträge und Diskussionen bewegen sich dann immer entlang eines dieser Megatrends. Wir planen ab sofort wieder mit zwei Branchenforen pro Jahr. Diese sollen sobald es die aktuelle Pandemiesituation zulässt als Präsenzveranstaltungen stattfinden. So können sich die Mitglieder besser vernetzen und austauschen.

AF: Was wird in den kommenden Monaten die größte Herausforderung des VMF sein?

C. Schüßler: Wir sind aktuell alle getrieben von der knappen Fahrzeugverfügbarkeit, also von der Chipkrise, von neuen Spielern im Bereich Mobilität und Veränderungen bei den Förderungen der E-Mobilität. Daher ist es noch nicht voraussagbar, was 2022 passieren wird. Ich gehe fest davon aus, dass sich die Lieferzeiten der Fahrzeuge nicht signifikant verbessern und somit weiterhin ein großes Problem bleiben werden. Fehlende Leasingrückläufer sind gerade aktuell für Leasinggesellschaften eine Herausforderung. Erst recht, wenn bei der Gebrauchtwagenvermarktung so gute Ergebnisse erzielt werden können, wie aktuell. Fragen sind unter anderem: Wie können Unternehmen neue Mitarbeiter mobil halten? Wie kann ich als Unternehmen kurzfristig auf diese Herausforderungen reagieren? Aber auch, welche Rolle insbesondere die chinesischen Autohersteller dabei spielen werden, die mit Hochdruck auf den europäischen Markt drängen.

Gerade beim letzten Punkt müssen sich die etablierten Hersteller auf neue Konkurrenz einstellen. Es ist beeindruckend, was bei den chinesischen Herstellern an finanziellen Mitteln zur Verfügung steht und welchen holistischen Ansatz die neuen Marken in Bezug auf Apps und Serviceleistungen verfolgen.

D. Brandl: Aus unserer Sicht wird sich die Kostenstruktur generell verändern. E-Autos sind wartungsärmer, dafür werden Schäden oft teurer. Diese Punkte müssen jetzt in den Fahrzeuglebenszyklus mit eingebunden und die Fuhrparkregelungen in den Flotten angepasst werden. Die Wechsel vom Verbrenner zu Alternativen stellt viele vor Herausforderungen.

F. Hägele: Die Branchenunsicherheiten werden uns wohl sogar 2023 noch begleiten. Und in der Zeit könnte sich auch die Rolle des Automobilhandels verändern. Der Direktvertrieb, den viele chinesische Anbieter wählen, wird auch bei etablierten Herstellern zunehmen. Und die gesamte Branche muss sich darauf einstellen. Damit einher geht ja auch der Wechsel von der Tankkarte zur Ladekarte. Da wollen wir unseren Mitgliedern die Richtung aufzeigen und mit ihnen jetzt schon in die richtigen Diskussionen einsteigen. Das Megathema wird die Ladeinfrastruktur und die E-Mobilität allgemein sein.

AF: Das bedeutet, dass der VMF gerade Ausschau nach neuen Mitgliedern im Bereich Strom und Ladeinfrastruktur hält?

D. Brandl: Absolut. Das steht bei uns oben auf der Liste. Für unsere Mitglieder und Premium Partner ist das ein hochaktuelles Thema, zu dem neue Akteure auftreten.

AF: Der VMF geht also auch ganz klar in Richtung Elektromobilität?

F. Hägele: Wir propagieren Technologieoffenheit. Keine Festlegung auf einen Anbieter, Hersteller oder eine Antriebsart.

D. Brandl: E-Fuels sind daher ebenso ein wichtiges Thema für uns.

C. Schüßler: Digitalisierung, Elektromobilität und neue Mobilitätsarten sowie die ganze Regulatorik. Ich denke, das treibt uns alle um.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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