Kraft der Prävention
Vertane Chancen | Die meisten Leasing- und Fuhrparkmanagementgesellschaften bieten umfassende Maßnahmen im Riskmanagement an. Doch viele Fuhrparkbetreiber haben den großen Nutzen noch nicht erkannt.
— Der Kern von Riskmanagement – das gilt auch für die Anwendung im Fuhrpark – ist im Grunde trivial: Gefahren erkennen, analysieren und bewerten, um daraus Maßnahmen abzuleiten, die zukünftige Risiken, hier: Unfälle und Schäden am Fahrzeug, minimieren sollen. Trotz aller Einfachheit wird diese Strategie in den Fuhrparks zu wenig oder nicht konsequent genug verfolgt. Und das, obwohl jedem Flottenverantwortlichen klar sein dürfte, dass sich die Kosten für Schadensaufwendungen und Versicherungsprämien, die letztendlich auch die TCO beeinflussen, damit signifikant senken lassen.
Ausnahmslos alle Teilnehmer unserer aktuellen Umfrage, gleich ob Leasinggesellschaft oder Fuhrparkmanagement-Anbieter, sind sich einig: Es gibt noch Nachholbedarf beim Riskmanagement in den Fuhrparks – die Möglichkeiten, mit denen sich die Schadenquoten weiter senken ließen, sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Solche und solche Fuhrparks | Da gibt es zum einen diejenigen Kunden, die Riskmanagement noch gar nicht praktizieren. Zum anderen gibt es aber auch Fuhrparks, die es zwar eingeführt haben, aber nicht ausreichend aktiv leben.
„Riskmanagement ist bei vielen mittelständischen Unternehmen noch kein fester Bestandteil der Kernaufgabe des Fuhrparkmanagers und steht oft nicht im Fokus der Entscheider im Tagesgeschäft“, erklärt zum Beispiel Michael Velte, Geschäftsführer der Deutschen Leasing Fleet. „Viele Kunden unterschätzen noch das Potenzial von aktivem Riskmanagement“, findet Gerhard Künne, Sprecher der Geschäftsführung der Volkswagen Leasing. Und Andreas Nickel, Geschäftsführer und Inhaber der Fleet Academy, sieht noch viel Aufklärungsbedarf, gerade bei den kleinen und Kleinstfuhrparks.
Viele Kunden scheuten auch die Investition in die notwendige Beratung, so die Beobachtung von Thomas Schweiger, Leiter Versicherungen und Schadenmanagement bei Alphabet. Dabei wird dieser Aufwand durch spürbare Einsparungen (siehe hierzu die Einschätzung der Befragten in der Tabelle rechts) mehr als kompensiert. Und bei vielen Anbietern kostet Riskmanagement für Kunden des Moduls Versicherung und/oder Schadenmanagement noch nicht mal extra, weil es eine Inklusivleistung ist (siehe Tabelle, S. 27).
Hindernisse bei der Umsetzung | Auf der anderen Seite gibt es Fuhrparks, die Riskmanagement zwar praktizieren, aber dennoch nicht maximal davon profitieren. Bei Arval zum Beispiel nutzen 55 Prozent der Full-Service-Kunden das kostenlose Zusatzangebot. Aber nicht alle Kunden ergriffen im Anschluss aktive Maßnahmen, um die Situation auch wirklich zu verbessern. „Nicht alle Empfehlungen werden sofort umgesetzt“, sagt Sascha Riedel, als Secrétaire Général bei Arval für Personal, Recht, Versicherung und allgemeine Verwaltung verantwortlich. „Das hängt stark von den aktuellen Prioritäten und Zielen des Unternehmens ab.“
„Es stellt sich die Frage, ob gute Ideen und Lösungen im Einzelfall umgesetzt werden können“, wägt Philipp Berg, Leiter Vertrieb und Marketing bei Daimler Fleet Management, ab. In manchen Fällen müsse erst die Car Policy angepasst werden.
Häufiges Hindernis bei der Umsetzung einer „Anti-Risiko-Strategie“ ist die mangelnde Kooperation der Belegschaft. „Riskmanagement hat viel mit Bewusstseins- und Verhaltensänderung zu tun. Um signifikante Ergebnisse zu erzielen, müssen alle Beteiligten Bereitschaft zu Veränderung zeigen, auch der Fahrzeuglenker. Hier hapert es oft noch an der Einsicht“, sagt Markus Stumpp, Geschäftsführer der FleetCompany. Schon deshalb müsse es gelingen, dem Fahrer Riskmanagement als Hilfestellung anzubieten, nicht als Kontrollinstrument zur Dokumentation seiner Fahrfehler, so Stumpp weiter.
In einigen Fällen werden die Fahrer aber von Anfang an zu wenig ins Boot geholt, es mangelt hier an ausreichender Kommunikation. Sie müssen für die Kostenblöcke „Schäden“ und „Versicherung“ sensibilisiert werden, diese müssen ihnen stärker ins Bewusstsein gebracht werden. „Dazu kann auch die Umrechnung in die ,Währung des Hauses‘ helfen“, sagt Stumpp. Damit meint er beispielsweise den vertrieblichen Aufwand, der nötig ist, um die Kosten zu kompensieren.
Regelmäßige Feedback-Gespräche oder Beteiligungen des Nutzers an den Kosten wie Übernahme der Selbstbeteiligung der Kasko können ebenso die Situation verbessern.
Regelmäßige Trainings oder eine Belohnung bei Schadenfreiheit steigern die Motivation, so pfleglich mit dem überlassenen Fahrzeug umzugehen, als wäre es das eigene. „Natürlich kann man nicht alle Nutzer über einen Kamm scheren, aber viele leben leider nach dem Motto: ,Ist ja nicht mein Fahrzeug und die Firma bezahlt‘“, sagt Nickel. Wenn ein Umdenken erreicht werden könne, ließe sich die Zahl der Schäden deutlich reduzieren.
Gestiegene Prämien | In einigen Fuhrparks macht sich der stärkere Kostendruck bereits bemerkbar – und zwingt sie vermehrt zu gezielten Gegenmaßnahmen: „Durch steigende Versicherungsprämien und höhere Schadenzahlen rückt bei vielen Fuhrparkverantwortlichen diese Thematik stärker in den Fokus“, sagt Thomas Araman. „Riskmanagement steht neben der Suche nach alternativen Versicherern für 2014 bei vielen unserer Kunden auf der Agenda“, so der Geschäftsführer von Car Professional Management weiter.
Auch LeasePlan stellt fest, dass die Nachfrage nach Riskmanagement stetig wächst. „Die steigenden Versicherungsprämien haben zu einer stärkeren Sensibilisierung bei Versicherungskunden geführt. Vermehrt wird deshalb auch das Potenzial von Riskmanagement an dieser Stelle wahrgenommen“, sagt Gunter Glück, Geschäftsführer für Vertrieb und Kundenbetreuung.
Gestiegene Prämien konstatieren ein Drittel und damit sechs von 18 der befragten Flottendienstleister für dieses Jahr bei ihren Flottenkunden (siehe Tabelle rechts).
Die Gründe sind ihnen zufolge recht unterschiedlich: Macht ALD in der Gesamtheit angehobene Prämien aus, weil sowohl die Schadenhäufigkeiten als auch die durchschnittlichen Schadenkosten 2013 gestiegen seien, sieht Athlon auch die Ersatzteilpreise, die Komplexität der instand zu setzenden Fahrzeuge, aber auch ein Plus an Hagelschäden als Kostentreiber an.
Konstante Prämien als Etappensieg | Die Mehrheit der Leasing- und Fuhrparkmanagementanbieter, nämlich elf von 18 und damit gut 60 Prozent, stellen jedoch konstant gebliebene Policen bei ihren Kunden fest. Dies könne durchaus schon als Erfolgsfaktor von Risk- und Schadenmanagement gewertet werden, denn auch einige dieser Befragten merken an, dass generell im Flottensegment Schadenquoten in die Höhe geklettert und Instandhaltungskosten gestiegen seien. Einer von ihnen ist Matthias Rotzek, Geschäftsführer der HLA Fleet Services: „Insgesamt beobachten wir am Markt steigende Versicherungskosten, die unter anderem durch zunehmend teileintensiv konstruierte Fahrzeuge begründet sind. Bei den Kunden, für die wir das Schaden- und Versicherungsmanagement durchgeführt haben, ist es gelungen, die Prämien konstant zu halten oder gar zu senken“, sagt er.
Dieter Brandl, Director Operations bei GE Capital Fleet Services, begründet die überwiegend konstant gebliebenen Versicherungsprämien seiner Leasingnehmer vor allem mit frühzeitigen Analysen in 2013, entsprechenden Hinweisen an die Kunden und auch ersten Auswirkungen des Riskmanagements, das seine Gesellschaft seit dem vergangenen Jahr eigenständig angeboten hat. Zuvor lief es über einen Kooperationspartner.
Richtige Stellhebel | Wo setzen die Fuhrparkdienstleister an, um die Schadenquoten und damit Kosten in den Fuhrparks zu senken? Wie gehen sie bei Umsetzung der Anti-Risiko-Strategie vor?
Im Kern geht es um die „drei Hauptfaktoren – Personal, Technik und Prozesse“, bringt Dirk Winter, Geschäftsinhaber der Fuhrparkmanagementgesellschaft FAC Concept Fleet and Car, die Problemzonen auf den Punkt, die das Riskmanagement zu einer ganzheitlichen Aufgabe machen.
Unfallverursacher im Visier | Also der Reihe nach: Da wären zum einen die Mitarbeiter, die beruflich oder privat mit den Dienstwagen unterwegs sind. „Die wirksamsten Maßnahmen aus unserer Sicht sind jene, die dazu dienen, den Fahrer zu schulen, zu entwickeln und zu sensibilisieren, da weit über 90 Prozent aller Schäden durch menschliches Fehlverhalten verursacht werden“, sagt Winter.
Welche Mängel haben die Nutzer den Wagen in der Vergangenheit zugefügt? Eine genaue Analyse der Schadenhistorie hilft dabei, Auffälligkeiten festzustellen und individuelle Gegenmaßnahmen abzuleiten. Dieses Reporting sollte regelmäßig erstellt und ausgewertet werden. Dabei kann es zum Beispiel darum gehen, wo ein Fahrer am meisten Schäden verursacht: in der Stadt, auf Autobahn oder Landstraße? Oder darum, bestimmte Schemata festzustellen: Gibt es bestimmte Wochentage oder Uhrzeiten, wo sich Unfälle häufen? Vielleicht gleichen sich auch die Ursachen häufig. Unfallanalysegespräche mit den Fahrern geben zusätzliche Aufschlüsse über Defizite. Auf Basis dieser Kenntnisse können dann passende Lösungen gesucht werden.
Arval analysiert nicht nur selbsterfasste Unfalldaten, sondern bezieht so weit wie möglich auch Informationen des Versicherers mit ein. „Dabei untersuchen wir Schadensarten – Unfälle, Vandalismus oder Diebstähle – sowie Zeitpunkte, Orte und Ursachen. Je nach Flotte unterscheiden sich die erkennbaren Muster, aus denen wir dann individuelle Handlungsempfehlungen ableiten“, erläutert Riedel.
Das können im Einzelfall geänderte Tourenplanungen sein, Anti-Stress-Programme, um Aggressionen am Steuer abzubauen und das defensive Fahren zu fördern, Optimierung der Vertriebsgebiete, eine strenge Überwachung, dass Arbeitszeitgesetze eingehalten werden, oder ein generelles Telefonverbot während der Fahrt, wenn sich zeigt, dass einige Fahrer regelmäßig durch eingehende Anrufe und Mails abgelenkt werden.
Zuallererst sollten die Nutzer im täglichen Umgang mit ihren Wagen geschult werden, durch bessere Einweisung in die Technik bei der Übernahme. Und über die Abmessungen der Autos aufgeklärt werden, die immer größer werden – bei gleichbleibenden Parkplätzen. „Da viele Nutzer die Länge und Breite des eigenen Fahrzeugs nicht kennen, entstehen hier schon die meisten Parkrempler“, sagt Nickel.
Empfohlen wird auch ein Fahrsicherheitstraining, das viele Leasing- und Fuhrparkmanagementgesellschaften ihren Flottenkunden zu besonderen Konditionen anbieten (siehe Tabelle „Zusatzleistungen“, S. 24). Dessen Wirkung hält Künne aber größtenteils für überbewertet: „Es führt vielmehr zur Selbstüberschätzung im Straßenverkehr anstatt zur Kontrolle des Dienst-Pkw in Gefahrensituationen.“ Erfahrungsgemäß habe sich, so Künne, ein Fahrer-Coaching als besseres Instrument herausgestellt. Dabei wird der Dienstwagenfahrer in seinem täglichen Umfeld von einem Fahrlehrer beobachtet, der individuell auf sein Fahrverhalten eingeht.
Fahrzeuge und Prozesse durchleuchten | Nach dem Faktor Mensch geht es auch um den Faktor Technik, also die Autos. Vielleicht ergibt die Analyse, dass einige Fahrzeugklassen besonders häufig in Unfälle verwickelt oder von Schäden betroffen sind. Dann könnten diese Erkenntnisse bei Neuanschaffungen berücksichtigt werden. Ob Fahrerassistenzsysteme, PDC oder Tempomat – auch der Ausstattungsumfang kann, den häufigsten Ursachen entsprechend, erweitert werden, um die Sicherheit zu erhöhen.
Schließlich sind auch die Prozesse kritisch zu durchleuchten – ein weites und undurchsichtiges Feld. Immerhin gehören hierzu sämtliche Abläufe im Haus – von der Kommunikation mit den Fahrern zum Umgang mit Dienstwagen oder bei Schäden über die Schadenmeldung beim Versicherer oder Leasinggeber sowie die gesamte Schadensabwicklung, die hohe Kosten verursachen kann, wenn sie ineffizient läuft, bis hin zur Ausschreibung der Versicherung und der richtigen Prämienstrategie. Hierzu könnte zum Beispiel geprüft werden, ob sich eine Erhöhung der Selbstbeteiligung in der Kasko lohnt, um die Prämie zu senken und zudem auch Versicherungssteuer einzusparen.
Einsparpotenzial | Richtig aufgezogen lässt sich mit aktivem Riskmanagement ein beachtliches Einsparpotenzial realisieren. Auch wenn es, wie so oft im Fuhrpark, vom individuellen Einzelfall abhängt, so gehen die Leasing- und Fuhrparkmanagementanbieter davon aus, dass sich bei der Versicherungsprämie zwischen fünf Prozent (Daimler Fleet Management und Fleet Academy) und 30 Prozent (GE Auto Service Leasing) respektive sogar 40 Prozent (DB FuhrparkGruppe) einsparen lassen. Die Schadenstückzahlen könnten durch geeignete Maßnahmen gleichzeitig um mindestens fünf Prozent (Alphabet) bis maximal 30 Prozent (GE) oder 40 Prozent (DB Fuhrpark) verringert werden (siehe Tabelle „Erfolgspotenzial“ auf S. 23).
Hinzu kommen weitere positive Effekte, die sich auch indirekt bezahlt machen, wenn es gelingt, die Schadenzahlen zu minimieren. Weitere folgenschwere Nebenwirkungen von ausufernden Schadenquoten nennt Riedel: „Der Effekt von Riskmanagement ist nicht auf die Senkung von Versicherungskosten beschränkt. Weitere materielle und immaterielle Risiken sind Selbstbeteiligungen, Kosten für Ersatzfahrzeuge, der Ausfall von Mitarbeitern, der Entzug der Fahrerlaubnis des Mitarbeiters, juristische Folgen für den Fahrzeughalter oder Imageschäden.“
Es wird sich also in jedem Fall lohnen, den alten Pfad der Gewohnheit zu verlassen und ein neues, im Erfolgsfall sichereres Terrain zu begehen. | Mireille Pruvost
Titelthema: Riskmanagement
Erfolgspotenzial Seite 23
Enwicklung der Versicherungskosten Seite 24
Zusatzleistungen Seite 24
Angebotsspektrum im Leasing u. FPM Seite 27
Umfrage bei 38 Fuhrparkleitern Seite 28
- Ausgabe 3/2014 Seite 22 (4.7 MB, PDF)