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Neues weißes Gold

10.11.2022 10:29 Uhr

Für die Herstellung von Batterien ist es unumgänglich: Lithium. Heutzutage wird es in Südamerika, Asien und Australien gefördert. Aber es lagert auch ein riesiges Vorkommen bei uns in Deutschland.

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Es sind nur ein paar Prozent, aber diese sind entscheidend. Nahezu jede Batterie für E-Autos beinhaltet Lithium. Das Element nimmt eine zentrale Rolle im Elektronenfluss ein und hat sich als Bestandteil mittlerweile bewährt. Selbst neue Batterieformen für Transporter und Lkw, wie jene auf Eisenphosphatbasis, kommen ohne Lithium nicht aus.

Dennoch ist das Thema schwierig, denn die Gewinnung geschieht oft unter umweltfraglichen Bedingungen. Zum Beispiel wird in riesigen Salzsolen in Südamerika lithiumhaltiges Wasser unter der sengenden Sonne verdampft - Kritiker sehen vor allem den Wasserverbrauch in der ohnehin schon trockenen Landschaft als umweltschädlich an.

Vielleicht hat sich dieses Problem aber auch bald schon wahrlich in Luft aufgelöst. Denn wie Forscher feststellen konnten, lagert im Oberrheingraben, einem Gebiet im Südwesten Deutschlands, ein gigantischer Lithiumvorrat im Grundwasser. Diesen will Vulcan Energie, die deutsche Tochter eines in Australien gegründeten Unternehmens, nun bergen.

Doppelter Nutzen

Horst Kreuter, der Geschäftsführer von Vulcan Energie, hat große Pläne: Bis zu 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid sollen pro Jahr gewonnen werden, das reicht schätzungsweise für den Bau von einer Million Elektroautos. Die Methode, die dabei angewandt wird, unterscheidet sich maßgeblich von der Gewinnungsform in Südamerika: "Zunächst betreiben wir ein normales Geothermiekraftwerk, welches heißes Thermalwasser aus der Tiefe fördert", erklärt Kreuter im Gespräch. "Die Besonderheit ist, dass wir dadurch nicht nur Energie gewinnen, sondern das Wasser dann noch durch eine Art Filter läuft, in welchem wir das Lithium abscheiden können."

Die Technik dahinter ist hochkomplex und wird streng geheim gehalten. Kreuter verrät aber, dass es sich bei dem Filtermaterial um eine Art Harz mit Aluminiumbestandteilen handelt, welches einen Großteil des im Wasser vorhandenen Lithiums auffangen kann. Man sei aktuell noch dabei, die genaue Zusammensetzung des Harzes zu verfeinern. Das gewonnene Lithiumsalz wird im nächsten Schritt gereinigt und wäre damit schon bereit zur Weiterverarbeitung in Lithiumhydroxid - das Material, welches dann für die Batterieherstellung verwendet wird.

Warten auf die Zulassung

Allerdings ist es in Deutschland nicht einfach möglich, ein Loch in die Erde zu bohren und Thermalwasser zu fördern. Davor steht ein langer Genehmigungsprozess, welcher hier durch das Landesamt für Bergbau geleitet wird. "Diese langen Genehmigungsdauern müssen verkürzt werden", fordert Kreuter. Aktuell erwartet Vulcan Energie die Zulassung für mehrere 3-D-Seismiken, bei denen ein Lkw mit einer Art Rüttelplatte den Boden in bestimmten Abständen anregt und die Reflexionen mittels Geophonen aufzeichnet. Daraus erhoffen sich die Forscher genaue Daten, wie der Untergrund beschaffen ist und wo optimale Plätze für die Bohrungen und die Geothermieanlagen wären.

Die Vorhaben treffen allerdings nicht nur auf Zuspruch. Die Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie im südlichen Oberrheingraben will das Projekt um jeden Preis verhindern. Hans Roser, einer der Initiatoren, erläutert seine Bedenken: "Wir lehnen Tiefengeothermie hauptsächlich deshalb ab, weil es zu viele Lücken im Prozedere gibt, deren Folgen zulasten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt gehen. Da geht es auch nicht vordergründig um Vulcan Energie an sich, sondern das betrifft die ganze Branche."

Konkret spricht Roser dabei mögliche Komplikationen beim Betrieb der Geothermieanlagen an, welche es in der Vergangenheit bereits gegeben hat. Im Raum nördlich von Straßburg gab es 2020 ein Erdbeben der Stärke 3,6 - ausgelöst durch Geothermiebohrungen. Das verantwortliche Projekt wurde daraufhin gestoppt.

Fehler bei der Bohrung?

Die Ursache führten Experten auf zu hohen Druck zurück, der beim Zurückpressen des Thermalwassers in den Erdboden geherrscht habe. Diese Theorie unterstützt auch Klemens Slunitschek, der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in der Rohstoffforschung tätig ist: "Erdstöße sind ein steter Begleiter von bestimmten Geothermieanlagen - die meisten sind aber so leicht, dass sie unbemerkt bleiben", so der Experte. "Eine 100-prozentige Sicherheit ist nicht möglich, dennoch gilt Geothermie, sofern sie im Rahmen des Erlaubten angewandt wird, als sehr sicher."

Die Betreiber der Anlagen verlassen sich dabei auf eine Ampel, welche die seismischen Aktivitäten in der Umgebung anzeigt. Wird ein zulässiger Grenzwert überschritten, springt die Ampel auf Rot und es darf nicht weiter gefördert werden. Dies ist dann der Fall, wenn das Thermalwasser beim Zurückpressen in den Untergrund den kritischen Gebirgsdruck übersteigt und in der Folge Erdstöße auslöst. Vulcan Energie garantiert im Gespräch, dass alle Schäden, die durch solche Ereignisse ausgelöst werden könnten, übernommen werden. Hans Roser von der Bürgerinitiative bezweifelt dies allerdings, da die dafür zuständigen Versicherungen einen Deckelbetrag hätten, der viel zu niedrig angesetzt sei.

Fördert Geothermie radioaktive Stoffe?

Ein weiterer Kritikpunkt der Gegner ist die Befürchtung, dass durch die Bohrungen radioaktive Stoffe aus dem Boden gewaschen und an die Oberfläche gefördert werden. Tatsächlich, so berichtet es auch Slunitschek, tritt im Oberrheingraben ganz natürlich radioaktives Radon auf. Dem Experten des KIT zufolge ist dadurch jedoch nicht von einem negativen Effekt auszugehen, da sich sehr schnell eine hohe Durchmischung und Verdünnung mit der Atmosphäre einstelle.

Auch weitere radioaktive Stoffe wie bestimmte Radium- oder Bleiisotope können bei Ausfällungen - also Ablagerungen aus dem Thermalwasser - zur Gefahr werden. Deren Bildung wird laut Slunitschek heutzutage aber durch den Zusatz bestimmter Inhibitoren im Vorhinein verhindert. Laut der Bürgerinitiative müssen an manchen Geothermiewerken die Mitarbeiter gar Schutzkleidung bei Revisionsarbeiten tragen. Davon ist den Experten am KIT allerdings nichts bekannt.

Wie geht es weiter?

Vulcan Energie will von seinem Vorhaben selbstverständlich nicht abrücken und plant weiter die Förderung von Lithium im Oberrheingraben. Mittlerweile wurden sogar schon Abnahmeverträge mit namhaften Herstellern geschlossen. Allein der Automobilkonzern Stellantis investierte 50 Millionen Euro in das Förderprojekt, auch Volkswagen gehört dem Unterstützerkreis an.

Dem Vernehmen nach will Vulcan Energie bereits im ersten Quartal des kommenden Jahres mit ersten Bohrungen beginnen. Zu diesem Zweck wurde eine eigene Bohrgesellschaft namens Vercana gegründet, zudem erwarb das Unternehmen zwei Spezialanlagen für die Arbeiten.

Noch ist aber nicht klar, ob sich diese Pläne auch wirklich durchsetzen lassen. Zunächst müssen ohnehin die Ergebnisse der seismischen Untersuchungen abgewartet werden.

Und dann gibt es ja noch die Bürgerinitiative, die das Vorhaben mit Argusaugen beobachtet. Zur Not, so berichtet Roser, möchte man gegen die Bohrungen klagen. Dass man sich in Gesprächen einigt, scheint derzeit unwahrscheinlich, zu verhärtet sind die Fronten zwischen den Parteien. Zwar informierte Vulcan Energie die Bürger am Oberrheingraben über die geplanten Anlagen, Roser bezeichnet diese Veranstaltungen aber als "Werbeverkaufs-Veranstaltungen, die die harten Fakten gegen die Technologie und deren Ausräumung nicht berücksichtigten".

Was ist es wert?

Wie immer bleibt am Ende die Abwägungsfrage für die Behörden: Welches Risiko geht man für Unabhängigkeit ein? Neben der wohl umweltfreundlicheren Gewinnung von Lithium spielt auch die sich zuspitzende Gasknappheit in Deutschland eine Rolle: In einer Lage, wie man sie im Moment vorfindet, ist jede Alternative recht - und Geothermie stellt zweifelsohne eine überlegenswerte Option dar.

Dennoch muss man berücksichtigen, dass man trotz aller Untersuchungen nie in den Untergrund blicken und mit eigenen Augen sehen kann, was dort im Detail vor sich geht. Ein Restrisiko, wie es Forscher bezeichnen, wird immer bleiben. Glaubt man den Stimmen aus dem KIT, haben die Betreiber der Anlagen aber vieles selbst in der Hand: Werden diese ordnungsgemäß betrieben und geht man nicht über die Grenzen des Erlaubten, so lasse sich das Risiko von Erdbeben minimieren.

Vulcan Energie steht vor einer großen Bringschuld: Darf gebohrt werden, muss das Unternehmen beweisen, dass es mit seiner Methode genug Lithium fördern kann und dass davon tatsächlich so viel wie vermutet im Boden enthalten ist. Zudem muss es Wort halten und Lehren aus den Vorfällen der Vergangenheit ziehen, sprich Grenzwerte einhalten, auch wenn dafür vielleicht die Anlagen ruhen müssen und das weiße Gold Deutschlands für immer zwar verlockend nah, aber doch unerreichbar bleibt.

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