Wenn man die Klimaanlage im Dienstwagen arbeiten hört, sitzt man vermutlich schon im Stromer - kommt dann der Luftstrom auch noch aus schießschartendünnen, rotgoldenen Lüftungsdüsen (sogenannte Kassetten), dann greift man mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade ans Volant des E-Hoffnungsträgers aus Stuttgart. Wobei der EQC, also das vollelektrische E-SUV mit Stern, eher ein Nordlicht ist.
Mit dem GLC läuft er gemeinsam in Bremen vom Band - wenn sich auch zu gut 85 Prozent die Bauteile gegenüber dem konventionellen Hochbeiner unterscheiden, wie Daimler hervorhebt. Denn der EQC ist betont anders. Die Stoßrichtung der Autobauer, zunächst das schwere Batterie-Pack auf die starken SUV-Schultern zu packen, behalten die Schwaben auch bei - aber mit dem EQV steht bereits der nächste Stromer in den Startlöchern und dieser ist dann eben ein Kleinbus.
Den Kraftstoffspeicher fügen die Mitarbeiter im sächsischen Kamenz zusammen, bevor er in Bremen verbaut wird. Ein Großteil der Wertschöpfung ist also noch"Made in Germany". Das hat zudem den Vorteil, dass beschädigte Module nicht nach China wandern, sondern hierzulande getauscht werden können. Da man im Moment recht wenig am Gewicht der mobilen Powerbank drehen kann, trimmt man den mächtigen Leisetreter eben auf kleinste cw-Werte. 0,28 heißt die Hausnummer beim EQC, die sich mit dem ab dem vierten Quartal verfügbaren Aerodynamik-Paket (Luftführung am Heck und an der Schürze) auf 0,27 drücken lässt.
Lerne ihn richtig zu fahren
Was nach Pedantenfetisch klingt, rechnet sich im Verbrauch und vor allem in der Reichweite. Denn hier gilt es, ein Gespür zu entwickeln, wie man das eigentliche Gegenteil vom Mercedes-typischen Herauskitzeln von Performancespitzen hinbekommt. Wer bedächtig rollt, rollt lange. Auf der ersten Ausfahrt wartete der Testwagen mit einem Vorgänger-Fahrwert von satten 29,3 kWh/100 km - der im Niedrigtempoland Norwegen sehr schnell unterhalb der 20-kWh-Grenze gebracht werden konnte.
Und zwar ohne Komfortverlust. Wie komfortabel dabei die E-Motorbremse (Rekuperation) wirkt, kann der Fahrer über die sonst recht verloren wirkenden Schalt-Wippen selbst justieren. Wird die Energie wieder zum Beschleunigen genutzt, geht der 4,76-Meter-Schwabe ab wie ein V8. In 5,1 Sekunde liegt Tempo 100 an - 300 kW Systemleistung und verschwenderischen 760 Newtonmetern sei Dank. Gut, dass bei Tempo 180 automatisch der Anker gesetzt wird, sonst bleiben die beworbenen Reichweiten nach NEFZ von 445 bis 471 Kilometer mehr als nur Wunschdenken. Denn mit fast 2,5 Tonnen ist der EQC nur der erste Teil eines reichweitenoptimierten Stromerprojektes. Das allerdings gerade durch die Technik an Bord Spaß bereitet.
Garant dafür ist das Mbux-System, das in der A- und B-Klasse nicht immer sein Können unter Beweis stellte, aber auf dieser Fahrt ein Gewinner ist. Wer sich noch nicht mit der Augment-Reality-Fahrhilfe leiten ließ, wird dieses Gimmick nach kurzer Eingewöhnung (Blick auf das Zentraldisplay) nicht mehr missen wollen. Kein Wunder, dass andere Hersteller diese optische Hilfe aufgreifen und ausweiten wollen (Projektion auf die Windschutzscheibe).
Das ist also die Zukunft. Sonst wirkt der Stromer eher wie ein klassisches SUV, das eben auf 384 Zellen verteilte 650 Kilogramm Lithium-Ionen-Batterien mit 80 kWh Speicherkapazität unterflurig verbaut hat. Immerhin 1,8 Tonnen kann der EQC an den Haken nehmen, dabei sollte das Verhältnis von Besatzung zu Gepäck nicht vollends ausgereizt werden, denn 445 Kilogramm Zuladung bleiben noch übrig - beim Verbrenner-Bruder GLC sind es bis zu 50 Prozent mehr. Dass wiederum das Service-Intervall im Vergleich zum Verbrenner identisch bleibt (jeweils 25.000 Kilometer oder jährlich), überrascht zunächst.
Cleveres Navi für wenige Stopps
Zwar fließt kein Öl oder Kraftstoff mehr durch die Schläuche, aber Pollenfilter und Bremsflüssigkeit sind beispielsweise auch hier zu wechseln. Zumal das hohe Eigengewicht die mechanischen Teile sicher beanspruchen wird.
Dazu bietet Mercedes-Benz optional Pakete für den Wartungsservice (über sechs Jahre oder 150.000 km), Hol- und Bringdienst, Verschleißteile und Garantie-Verlängerung. Für die Batterie gibt es ein Garantieversprechen über die üblichen acht Jahre (oder 160.000 km). Damit die Nerven beim sensiblen Thema Laden nicht überansprucht werden, plant das Navi intelligent, also unter Betrachtung von Wetter, Topografie, Ladezustand etc., die Ladestopps für die Fahrroute - ist der Akku wieder voll (7,4 kW-On-Board-Lader für die Wallbox), erhält der Fahrer eine Push-Nachricht. Diese braucht es bei den DC-Schnellladern (bis zu 110 kW; in gut 40 Minuten von zehn auf 80 Prozent Ladezustand) natürlich nicht unbedingt.
Abgerechnet wird dann automatisch mit der vorher festgelegten Bezahlfunktion. Wenn das alles auch auf längeren Dienstreisen fern der Großstädte klappt, wäre dies ein Traum im Vergleich zu aktuellen Ladeerfahrungen.
MB EQC 400 4matic
Preise: ab 59.900 EuroZwei Asynchron-Maschinen 300 kW/408 PS | 760 Nm (sofort) 180 km/h (abgeregelt) | 5,1 s | 0 g/kmNEFZ 19,7 bis 20,8 kWh/100 km 445 bis 471 km Reichweite 4.761 x 1.884 x 1.623 mm | 500 LiterWartung: 25.000 km/jährlichEffizienz: A+Anhängelast: 1.800 kgGarantie/Batterie: 8 Jahre (160.000 km)
Autoflotte-Empfehlung
Fahrerassistenz-Paket: 1.930 EuroAblage-Paket: 155 EuroAlle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer