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Perfekt und nicht perfekt zugleich

14.12.2020 10:00 Uhr
Perfekt und nicht perfekt zugleich

Tesla steht nicht nur für den Aufbruch, man liefert ihn auch in Form einer stimmigen Symbiose von Auto und Infrastruktur. Die Mängelliste ist dennoch nicht kurz.

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Die Batterie ist nicht nur das teuerste, sondern auch das relevanteste Bauteil am E-Auto. Das weiß im Grunde jeder Hersteller, aber nur wenige bauen das Fahrzeug um diese Batterie herum und machen zudem das Leben der Batterie einfacher, denn damit entspannt sich automatisch auch der Fahrer. Wie dies geht, zeigt Tesla unter anderem mit dem Model 3.

Auf der Testfahrt quer durch Deutschland spiegeln die Zwischenstopps an den Super-Chargern, die durch die Bank weg perfekt klappten - was allein schon für die Kalifornier momentan noch ein Alleinstellungsmerkmal ist -, in welchen Ländern üppige Boni wie jetzt auch in Deutschland für Stromer gezahlt werden. Belgier, Niederländer und vermehrt Deutsche. Was sich auch am rasanten Aufstieg der Marke mit dem T-Symbol im Flottenmarkt seit Mitte des Jahres ablesen lässt.

Die meisten Dienstwagenfahrer werden dann auch Fans der Marke, da es Tesla trotz aller Kritik, beispielsweise an der Verarbeitung und am hohen Ablenkungsfaktor seiner Modelle, dem "E-Nutzer in der E-Welt E-xtrem E-infach macht". Egal ob man Tekkie ist und die Entertainmentmöglichkeiten genießt sowie die beispiellos souveräne Spracherkennung (welche aber auch Tücken hat, dazu später mehr) oder ob man Autofan ist, der zwar das Brummen eines V6-Blocks vermissen könnte, dafür eine Beschleunigung erfährt, die der stärkste Achtzylinder nicht ansatzlos so freisetzen kann.

Erste Erkenntnis: Wer Tesla fährt, lädt am Super-Charger und vermisst dort fallweise eigentlich nur die Gießkanne für das Scheibenwischwasser und das Scheibenreiniger-Eimerchen. Die oftmals gleich im Dutzend platzierten Säulen gehören Tesla und werden gemonitort sowie gewartet. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber jeder, der an Autobahn-Rasthöfen mal nach Ladesäulen gesucht hat, weiß, dass längst nicht jeder Weg zur Säule mit einem Ladeerlebnis endet. Bei Tesla kommt das exzellente Batteriemanagement dazu. Ob sich das technisch von anderen unterscheidet, ist schwer zu sagen, aber als Nutzer gibt Tesla einem das Gefühl, dass die Kraftzentrale eine besondere Behandlung genießt - so wird kurz vor dem Erreichen des Super-Chargers die Batterie fürs Schnellladen vorbereitet. Auch die Prognosen der Restreichweite sind akkurat und schwanken nicht so stark wie bei anderen E-Autos, wenn man kurzzeitig den Fahrstil mal wechselt.

Hier stellt sich eine zentrale Frage: Wie fährt der E-Auto-Nutzer eigentlich? Reichweitenschonend mit Richtgeschwindigkeit auf der rechten Spur oder beschleunigungsergeben auf der linken, wohlwissend, dass ihn das Laden wenig Zeit und kaum Nerven kosten wird? Die "Lässig-Einstellung", welche in vielen Unter-Menüs angeboten wird, gibt hier einen Fingerzeig, wie der Autobauer das sieht. Und diesem Rat kann man guten Gewissens folgen.

Ein bisschen von beidem also, denn bei Top-Speed wird aus dem sehr guten Fahrwerk nur ein gutes, das hart abfedert; gleichzeitig wirkt der Lenkeingriff zusehends synthetischer. Das fühlt sich im Premiumbereich der hiesigen Verbrenner bei höheren Geschwindigkeiten etwas anders an. Auch reichen die Voll-LED-Frontstrahler des Model 3 zwar für eine breite Lichtzeichnung, der es aber bei Vmax deutlich an Tiefe fehlt, um wirklich entspannt zu fahren. Selbst Opel bietet hier mit seinem Matrix-Licht eine Alternative - bis in die Kleinwagen-Klasse. Bleibt die Frage, wer diese Einzelheiten außerhalb von deutschen Autobahnen wahrnimmt und nach Besserem verlangt, wenn das restliche Paket doch so überzeugend ist?

So punktet der Tesla konsequent an den weißen Flecken der automobilen Konkurrenz. Das ist die eigentliche Leistung, die oft und, wie wir finden, auch zu Recht gewürdigt wird - und zwar vom Kunden. Denn der Weg zum Tesla-Jünger ist dann kein weiter mehr. Fragen Sie mal die iPhone-Nutzer, wann diese mit dem ersten Apfel-Produkt in Berührung kamen und wann sie seitdem nach etwas Anderem verlangt hätten? Oft lautet die Antwort: nie.

Aber auch dieser Apfel reift nach. Die Spracheingabe funktioniert exzellent, nur sollte man vorher den verbalen Befehl auch kennen, dass nach dem Erklingen der letzten Silbe auch etwas passiert. Oft endete die Spracheingabe als Monolog. Nicht einsam, aber schlicht, geradezu puristisch ist der Traum der automobilen Zukunft, der auch vom Model 3 geträumt wird. Lenkrad, zwei Knubbel auf jeder Seite, die amerikanische Handschaltung - das war alles. Die Luftdüse ist eine durchgehende Kante, das Display ist zentral und 15-Zoll-wuchtig. Dass hier Entertainment im Vordergrund steht, verdeutlicht die fast winzige Anzeige für die Fahrgeschwindigkeit. Statt einem kernigen Drehzahlmesser, der bei fast 500 Newtonmetern viel zu tun hätte, visualisiert ein dünnes leuchtendes Bändchen die Phasen des Energieschubs (schwarzer Bereich) oder jene der Rekuperation (grüner Bereich).

Mit der bei Smartphone oder Tablet erprobten Wischtechnik öffnen sich auch im Model 3 die Welten der Untermenüs im Zentraldisplay. Allerdings erfordert selbst das profane Anschubsen des Scheibenwischers einen Fingerzeig. Die Bedienstruktur der Menüs ist klar strukturiert, dennoch sollten mehr Bereiche während der Fahrt allein durch Spracheingabe leichter bedienbar sein. Im Gegensatz zum Entertainment-Bereich mit den bekannten Video-Streamingdiensten, kann man die Audio-Dienste wie Spotify "on the road" nutzen. Was man natürlich auch macht und in diesen unaufmerksamen Momenten auf die Helferlein vertrauen muss. Diese sind ein Kapitel für sich, wenn man die Erfahrungen der weltweit schon "teilautonom-fahrenden" Tesla-Kunden nachverfolgt. Hier muss wohl jeder sein eigenes Urteil fällen. Wir hatten den serienmäßigen Autopiloten zur Verfügung, der mit Radar und acht Kameras das Umfeld sehr genau überwacht.

Toll ist beispielsweise die Darstellung der anderen Verkehrsteilnehmer, die sich als Piktogramme auf dem Screen wiederfinden, und zwar unterschieden nach Auto, Transporter, Lkw und sogar Motorrad - allein der Hängerzug erhielt kein eigenes Piktogramm. Nachts ist dies allerdings reine Spielerei, da die Akteure erst sehr spät angezeigt werden. Apropos erkennen. Ein Schwachpunkt ist die Verkehrszeichenerkennung. Dass man hier mit den temporären Limits auf den Schildern Probleme hat, ist keine Schande. Dass aber gerade in Baustellen mit sehr unterschiedlichen Verkehrszeichen fast wahllos Limits erkannt werden, die es nicht gibt, und folglich der eigentlich richtig agierende Fahrer permanent vom System eine Rückmeldung erhält, ist mehr als nervig. Und wenn man sich vorher nicht über den Tesla-eigenen Tutorial-Kanal informiert hat, wie beispielsweise der Warnblinker aktiviert wird, bleibt man bestenfalls nur fragend zurück.

Auf Dienstreisen unentbehrlich ist das ACC. Das Beschleunigen aus der rechten Spur heraus passiert etwas gehemmt. Fügt man sich dann aber wieder von der linken Spur auf die rechte ein, bremst das Model 3 einige Male fast unvermittelt stark ab - da es auf den geringen Abstand zum Vordermann reagiert -, dabei lässt es allerdings den rückwärtigen Verkehr fast außer Acht. Und dieser rückt einem mehrmals gefährlich nah auf die Pelle. Ähnliche Manöver passierten in engen Gassen, die keine optische Verkehrsführung besaßen.

Außerhalb solcher Momente muss man sich um die teure Außenhaut allerdings selten sorgen, denn beim Parken misst das System auf den Zentimeter genau die Abstände und gibt diese Zahlen an den Fahrer weiter. Besser geht es nicht. Das könnte auch das Urteil zu den Wartungskosten werden, die bekanntlich bei verschleißarmen Stromern gering ausfallen. Funktioniert dann noch das Over-the-air-Update, dann sieht man das Autohaus wohl nur noch sehr selten. Und genießt stattdessen beispielsweise den Blick durch das XXL-Panoramadach, das Licht bringt und damit Energie spart. Hier sticht sie wieder die Tesla-Logik, welche vom E-Nutzer her gedacht und umgesetzt ist.

Von Autoflotte getestet

+- perfekte Ladeinfrastruktur- Beschleunigung, die sonst wohl nur der Porsche Taycan bringt- Infotainment-- Windgeräusche bei hohen Geschwindigkeiten- Verarbeitungsqualität und Wahl der Materialien an manchen Stellen (Kofferraum, B-Säule)- Autopilot manchmal unzuverlässig

Tesla Model 3 Long Range

Testwagenpreis: 45.250 EuroDualmotor/Allrad | 340 kW/ 462 PS 493 Nm |1-G-Autom. | 233 km/h | 4,4 sBatterie-Kapazität: 75 kWhVerbrauch: 16,0 kWh | 0 g/km (WLTP)Reichweite: 560 km (WLTP) 4.694 x 2.088 x 1.443 mm | 542 lHK: 20 | VK: 27 | TK: 28Wartung: nach AnzeigeGarantie: 4 Jahre/80.000 km; Batterie 8 Jahre/192.000 km

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