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Es ist schön zu sehen, dass junge Menschen noch immer tolle Ideen haben, diese verfolgen, umsetzen und erfolgreich sind. So schlüssig sich dieser Weg liest, so einfach ist er meist nicht. Unterstützung, Anschubfinanzierungen und viel Arbeit sind oft nötig und oft gut investiert. Ein Beispiel ist Adiutabyte. "Der Name kommt von 'adiutabit' aus dem Lateinischen 'es wird helfen' und wir haben aus 'bit' noch 'Byte' gemacht, um unseren technischen Background hervorzuheben. So einfach war das", sagt Philipp Rinner. Den Co-Gründer treffen wir in der Zweigstelle in München und lassen uns aufklären, wer und was hinter Adiutabyte steckt.
Tourenplanung für Pflegedienste
Vor rund vier Jahren hat sich Philipp Rinner noch an der Uni angesehen, wie die Pflegebranche tickt. Die war gesetzt, denn stetig wachsender Bedarf von Pflegekräften und -einrichtungen ist in unserer Gesellschaft vorprogrammiert. Beim genaueren Blick schaute er sich an, welche Herausforderungen es in dieser Branche gibt, die mit Künstlicher Intelligenz gelöst werden können. Denn es war klar, dass die mittlerweile erhältliche Datenverfügbarkeit Grundpfeiler des sich formenden Unternehmens sein muss."So haben wir gemerkt, dass Bedarf bei der Tourenplanung in der ambulanten Pflege besteht." Die Idee war geboren, doch einen technischen Lösungsansatz gab es nicht."Das war alles superkomplex. Gerade dann, wenn es in die Verplanung von Hunderten von Patientenaufträgen geht", erinnert sich Rinner.
Rinner ist aufs Fraunhofer Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen, kurz Fraunhofer SCAI, zugegangen und suchte dort den technologischen Lösungsansatz. Gefunden hat er ihn in Form eines Menschen. Dustin Feld, der gerade in seiner Dissertation genau den Optimierungsansatz für solche Herausforderungen entwickelte, war Rinners Gegenstück. Beide schlossen eine Kooperation, zu der fortan auch Vanessa Wolff und Eric Schricker als Gründungspartner von Adiutabyte gehörten, die allesamt am Fraunhofer SCAI arbeiteten und sich wunderbar ergänzten. So kann es gehen.
Bei Fraunhofer stand das Backend also. Das Hirn, wie die Algorithmen übersetzt werden könnten, bestückte Dustin Feld und entwickelte mit seinen Mitbegründern die Technologie und Codes und gestaltete eine passende Benutzeroberfläche. Zwölf Personen arbeiten mittlerweile bei Adiutabyte, die meisten in Sankt Augustin, nahe des Fraunhofer SCAI. Dass all das anfangs Geld kostet, ist klar. Eine kleine Finanzierungsrunde über den Fraunhofer Technologie-Transfer Fonds (FTTF) kam wie gerufen. Als Partner finanziert der Fond nach eigenen Angaben "Start-ups anfangs mit bis zu 250.000 Euro und stockt eventuell auf bis zu fünf Millionen Euro, um talentierten Jungunternehmern Potenzial zu bieten." Dass ein intelligenter Planer für Pflegedienste fehlte, zeigt die Tatsache, dass es bereits einige Tools gab, diese jedoch meist noch viel Manuelles beinhalteten. "Unser Ansatz ist, dass Du einen Topf von Aufträgen und einen Topf von Fahrern automatisiert und optimiert in Sekundenschnelle zusammenbringen kannst. Das 'Matching' machen unsere Algorithmen und unsere KI. Und dennoch könnte ich jeden Auftrag manuell spezifizieren und Vorgaben wie Uhrzeit, personelle Fähigkeiten (examinierte Pflegekraft) etc. auf Wunsch ändern", erklärt Rinner.
Anfangs sind Rinner und seine Kollegen bei Pflegediensten mitgefahren und merkten schnell, dass Papier und Klatte noch immer Alltag sind."Und im selben Moment denkst Du: Wir sind doch superdigital und fliegen zum Mars, aber da haben wir keine digitalen Lösungen?"
So war es naheliegend, dass man Kooperationen mit Menschen und Firmen schließt, die, wie Adiutabyte digital unterwegs sind. Medifox ist so eine. Und in der Pflegebranche bereits verankert. Die Hildesheimer sind nach eigenen Aussagen ein führender Softwarehersteller im Bereich der ambulanten Pflege im Gesundheitswesen, die die gesamte Dokumentation und Personalplanung digitalisiert haben. Mit rund 6.500 Pflegediensten, die Medifox-Software nutzen, dürfte das kaum übertrieben sein. 14.000 Pflegedienste gibt es deutschlandweit in etwa. "Medifox hat das Potenzial gesehen, unsere Tourenplanung in ihre Lösung zu integrieren. Das war für uns eine Riesenchance und es hat einfach gepasst. Wir müssen als Start-up nicht jeden Pflegedienst einzeln angehen und können skalieren und Medifox kann ebenso einen Mehrwert bieten." Mittlerweile haben rund 120 Pflegedienste die integrierte Lösung. Dafür, dass erst im Herbst 2020 mit dem echten Rollout gestartet wurde und sich nach Aussagen von Rinner ein "supersolides Wachstum" entwickelt, ein tolles Ergebnis, weshalb sich Adiutabyte mittlerweile durch den eigenen Umsatz finanziert.
"Und die Rückmeldung der Pflegedienste ist richtig gut." Klar, denn so sitzt dort keine examinierte Pflegekraft mehr, die stundenlang jeden Tag Tourenpläne schmiedet, das gelingt nun in wenigen Minuten automatisiert und diese Person kann ihre Zeit sinnvoller nutzen. Und es kommen bessere oder/und effizientere Touren bei raus. "Für einen Fuhrpark von ein bis zwei Fahrzeugen ist unser System vielleicht noch nicht sinnvoll. Aber ab drei oder vier Fahrzeugen mit jeweils 10 bis 15 Klienten am Tag, wird es schon komplex." Denn so entstehen schnell 50 Punkte in der Stadt, die angefahren werden müssen.
Berücksichtigt werden auch Stoßzeiten im Verkehr, weshalb manchmal die kürzeste Strecke nicht die sinnvollste ist. Weitere Einflussfaktoren, die berücksichtigt werden, sind spezielle Fähigkeiten der Mitarbeiter oder persönliche, religiöse oder sonst welche Motive der Kunden. Alles kann abgebildet und mittels Schieberegler im Programm den Präferenzen angepasst werden. Dass auch ein Fahrrad und sogar Fußgänger in der Planung berücksichtigt werden, zeigt auf, dass Adiutabyte verstanden hat, wohin die Reise in der innerstädtischen mobilen Pflege "gehen" wird. So "kommt ganz individuell immer der beste Plan raus" sagt Rinner. Dieser wird mittels E-Mail an die Kollegen gesendet und jeder hat ihn dabei - wer will, sogar als PDF, um ihn doch auszudrucken.
Änderungen immer möglich
Wenn umdisponiert werden muss, wird am PC auf "Nachoptimieren" geklickt und die Zeitverschiebung aktualisiert sich in der App. "Wir sind immer im engen Austausch mit unseren Kunden und Interessenten und wenn diese relevante Punkte aufzeigen, implementieren wir das. So wird das Produkt fortwährend verbessert", merkt Rinner an.
Was der "Spaß" kostet? Basierend auf der Anzahl der täglichen Stopps gibt es Monatslizenzen. Hier gibt es verschiedene Preiskategorien. Je größer der Auftragsumfang ist, desto größer werden die Serverleistungen, ergo entstehen höhere Kosten, unabhängig von der Anzahl an Autos oder Fahrern. Das sei die fairste Abrechnungsmethode. Weitere Branchen drängen sich bei dieser Technologie praktisch auf und Adiutabyte ist dran, diese anzugehen, doch alles Schritt für Schritt, denn so klappt es meist besser.
- Ausgabe 05/2021 Seite 24 (153.9 KB, PDF)