Scheinbar ist die Zeit des "bigger is better" vorbei. Warum sonst würde Dodge die Motorenphilosophie des RAM überdenken? Auch wenn ein neuer Achtzylinder für Ende 2025 angedacht ist - wieder als "HEMI" - müssen aktuell sechs Zylinder genügen. Immerhin leistet der 3.0 SST 420 PS und damit 25 PS mehr als der alte V8. Auch beim Drehmoment muss sich der Bi-Turbo nicht verstecken.
Mit 635 Newtonmeter (Nm) überflügelt er den Achtzylinder um 79 Nm. Wem das nicht genügt, der hat die Option "SST RHO". Dann bringt es der Sechszylinder-Reihenmotor auf 548 PS und 707 Nm. Nicht ganz so viel wie der alte TRX-V8 (712 PS und 881 Nm). Aber der hatte von allem zu viel und soff wie das sprichwörtliche Loch.
Wir geben uns im Test bescheiden - wobei der RAM 1500 "Laramie" alles andere als eine Kassenlösung ist. Das schwarze Ungetüm bietet traumhaften Fahrkomfort. Wenn man erst mal drinnen sitzt, relativiert sich auch die Größe. Völlig unerwartet ist der Pick-up sogar sehr übersichtlich. Klar ist er lang und breit und hoch. Aber im Gegensatz zu den meisten Kompakt-Pkw kann der Fahrer die Dimensionen des Riesen-Pick-ups wunderbar abschätzen. Und für die letzten Zentimeter gibt's selbstverständlich Park-Distance-Control.
Längst vorbei ist die Zeit, wo man sich über schlechte Verarbeitung und liederliche Spaltmaße der "Ami-Kisten" auslassen konnte. Unser Testwagen ist top verarbeitet, empfängt mit feinstem Leder und anderen hochwertigen Materialien. Er ist perfekt lackiert und akkurat zusammengebaut. Da klappert selbst auf schlechtem Untergrund nichts.
Ein besonderes Erlebnis beginnt schon mit dem Einstieg. Noch ehe die Türen öffnen, klappt das automatische Trittbrett aus und erleichtert den Zustieg. Selbst die 88-jährige Mutter des Testers kam so unterstützt mühelos ins "Auto". Einzig das "Klonk", wenn das Trittbrett einklappt, ist gewöhnungsbedürftig. Da es ein paar Sekunden dauert, ist man oft schon losgefahren und erschrickt, weil man glaubt, gegen irgendetwas gefahren zu sein.
Sehr gute Ergonomie im Dodge RAM
Vorbei ist auch die Zeit, in der amerikanische Interieur-Designer wahllos irgendwelche Schalter, Knöpfe oder Anzeigen rund um den Fahrer verteilten. Die Ergonomie im RAM ist wirklich gut. Alles sitzt da, wo man es erwarten würde: Fensterheber und Spiegelbedienung in der Türkonsole. Alle wichtigen Funktionen fürs Fahren im gut gegliederten Multifunktionslenkrad. Für den vielen Rest gibt's einen großzügigen 14,4-Zoll-Touch-Screen, dessen Menüführung sich nach einem kurzen Kennenlernen durchdacht und leicht bedienbar zeigt. Wir hätten nie gedacht, dass wir über einen "Ami" mal so positiv berichten würden.
Nach dem positiven Einstiegserlebnis der alten Mutter folgt sogar noch die Begeisterung der besten aller Ehefrauen. Sie ist solchen "Monstern", wie sie oft sagte, nicht wirklich zugetan. Aber nachdem sie den 10,25-Zoll-Zusatzbildschirm auf der Beifahrerseite entdeckt hatte, auf dem sie ihr Mobiltelefon spiegeln und streamen konnte, war die Skepsis weggewischt. Der letzte Zweifel fiel, als wir die ersten Kilometer zurückgelegt hatten. Der RAM bewegt sich völlig unaufgeregt und weckt die Assoziation an einen fliegenden Teppich. Das riesige Auto gleitet sanft und leise über die Straße. Dazu passt die perfekt arbeitende Achtgang-Automatik, die zügig, aber dennoch so gut wie ohne Zugkraftunterbrechung die Schaltstufen wechselt.
Und ganz egal, ob Klassik oder Hardrock, das Harman-Kardon-Soundsystem untermalt mit perfektem Klang. Das sagenhafte Fahrverhalten rührt beim Testwagen von der Luftfederung her. Die senkt den RAM auf der Autobahn auf das Niveau mit dem besten Luftwiderstand. Es ginge noch eine weitere Stufe runter, dann ist der Pick-up unterwegs wie ein Sportwagen. Auch nach oben geht's in mehreren Stufen. In der höchsten hat der Dodge so viel Bodenfreiheit, dass man ihn problemlos durch ex-tremes Gelände scheuchen könnte. Darauf haben wir verzichtet, weil dort die montierten Reifen schnell an Grenzen kämen. Außerdem wollten wir die echt fetten 22-Zoll-Räder nicht beschädigen.
Wer passend bereift, käme auch offroad ziemlich weit mit dem RAM. Neben dem Standard-4WD samt elektronischer Differenzialsperre gibt es noch eine Geländereduktion plus Allrad-Automatik. Da regelt der 4x4 von ganz alleine, welches Rad wie viel Kraft in Vortrieb umwandeln kann. Übrigens ist der Dodge trotz der Leistung im Überfluss recht gutmütig. Sollte es der Fahrer übertreiben, regelt das ESP recht schnell und hält die Fuhre auf Kurs. Trotzdem ist es bei Regen angeraten, alle Räder anzutreiben, um die Fahrassistenz erst gar nicht zu brauchen. Selbst mit zugeschalteter Vorderachse sind keine Verspannungen im Antriebstrang zu merken.
Kommen wir zur eingangs gestellten Frage: Kann der Sechszylinder-Reihenmotor mit Bi-Turbo mit dem V8 mithalten? Dazu ein klares Ja! Trotz des verhältnismäßig kleinen Hubraums - knapp halb so viel wie der alte Achtzylinder - ist Kraft im Überfluss vorhanden. Zwar fehlt der bollernde V8-Sound, aber Ruhe tut auch mal gut. Wer das Leistungsniveau ausnutzt, brettert mit dem RAM in rund fünf Sekunden von 0 auf 100 km/h. Nach oben wird er bei etwa Tempo 170 abgeregelt.
Als wir den Testwagen übernahmen, stand eine 14,7 auf der Verbrauchsanzeige. Fahrzeugtester neigen gerne dazu, Gas zu geben … Etwas gemäßigter wird's mit dem Durchschnittsverbrauch nach WLTP: Laut dem genehmigt sich der RAM mit der 420-PS-Maschine 13,1 l pro 100 km. Wer vernünftig fährt, den Tempomat auf 130 km/h setzt, kommt mit weit weniger aus. Am Ende waren es gut elf Liter. Für ein Auto dieser Größe und Leistung ein mehr als respektabler Wert - den man durchaus noch unterbieten könnte.