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Belächeltes Mobilitätsanhängsel

01.03.2021 06:00 Uhr
Belächeltes Mobilitätsanhängsel

Muss es immer neu sein? Viele Unternehmen bevorzugen Neuprodukte - auch aus steuerlichen Gründen. Doch gerade ökologisch Denkende müssten beim Bravobike-Konzept heftig applaudieren.

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"Die Grundidee ist relativ simpel", sagt Axel Donath im Bravobike-Office in Münchens wohl längster Straße, der Landsberger. Bei Bravobike sieht es nach Start-up aus (Tischtennisplatte - zumindest bis Corona kam), riecht es nach Start-up (Mix aus Holzduft und "Loft-Luft") und schmeckt nach Start-up (Club Mate steht im Kühlschrank). "Wir sind ein Technologie- und Servicedienstleister für die Fahrradbranche und wir haben erkannt, dass es anders als in der Autobranche, keinen professionell betriebenen Zweitmarkt im Fahrradgeschäft gibt", bringt es Donath auf den Kern des Bravobike-Geschäfts. "Dabei ist die Nachfrage enorm." Mit "nicht gibt" meint Donath die Tatsache, dass sich Fahrräder entweder in den einschlägigen Zweiradmagazinen oder bei Ebay-Kleinanzeigen drehen. Das ist auf der einen Seite sehr speziell, denn in einem Rennrad-Magazin findet man kaum ein Cargo-E-Bike und auf der anderen Seite schlecht filterbar, denn Ebay-Kleinanzeigen sind nicht auf die Fahrrad-Detailsuche ausgelegt.

Seit zweieinhalb Jahren aktiv

Somit entstand die Idee zu Bravobike und seit Juli 2018 existiert die GmbH. Axel Donath und Oliver Diekmann waren und sind die Ideengeber und Gründer des mittlerweile 42 Personen starken Unternehmens. Starthilfe in Form einer Beteiligung gab es von JobRad, damals bereits Marktführer im Dienstrad-Leasing. Da Bravobike dennoch unabhängig agiert, zählen heute mehr als 50 Prozent der Fahrrad-Leasinganbieter zu den Kunden.

"Es gibt viele Analogien zum Pkw-Markt. Beim Auto ist der Gebrauchtwagenmarkt größer als der Neuwagenmarkt und das sehen wir beim Fahrrad ähnlich. Wenn im Jahr vier Millionen Räder neu verkauft werden, ist der Gebrauchtmarkt mindestens ähnlich groß. Und wir haben keine professionellen Marktteilnehmer", sagt Diekmann und verweist auf die erwähnte Onlineplattform."Und das kann doch nicht sein."

So gab es nach Aussage der beiden Gründer anfangs auch nicht viel Resonanz. "Wir haben lange mit Herstellern gesprochen und die Analogie zur Automobilbranche aufgezeigt mit Restwerten, Kundenservice, Prozessen etc." Denn auch Fahrräder kommen (beim Firmenleasing bereits nach drei Jahren) irgendwann einmal zurück.

E-Bikes gaben Schub

Den ersten Schub gaben nach Angaben der beiden Unternehmer die E-Bikes. Die Kunden verlangten von ihren Händlern, dass das alte Rad in Zahlung genommen werde. Man wolle schließlich mit der Zeit gehen. Doch auch das war erst ein Strohfeuer. Den echten Push gab das Fahrrad-Leasing, als es vor etwa sechs Jahren großflächig startete. Die Anzahl an Leasingradelnden steigt stetig und erhöht somit die Anzahl an Leasingrückläufern - also Bikes, die am Ende der Laufzeit zurückgegeben werden.

Und dann stellte sich die Frage: Wie werden die Kunden angesprochen, wie etablieren sich Prozesse, die Kunden gefallen, weil sie komfortabel für sie sind? Wie kommen Fahrräder zurück in den Kreislauf und wie wird deren Gebrauchtwert ermittelt? Fragen, auf die es keine Antworten gab. Dabei ist der Zustand eines gebrauchten Fahrrades ebenso preisentscheidend, wie es beim Gebrauchtwagen der Fall ist. "Keiner wusste es. Wir haben daher eine eigene Wertermittlung für Gebrauchträder entwickelt, ähnlich der Schwacke-Liste beim Kfz. Und das ist die Grundlage fast all unserer Dienstleistungen", sagt Donath. Wobei die Kunden sowohl die Radler als auch Fahrradleasing-Anbieter und Fahrradhersteller sind. Auch professionelle Fahrradverleiher oder -sharer hatten auf einmal Flotten, die ausgesteuert werden mussten. "Wir waren 2018 'vor dem Markt', dadurch sind wir aber jetzt in der Lage, Lösungen anzubieten." Es kristallisierte sich heraus, dass strukturierte Prozesse nötig sind. Intern wie auch bei Leasinganbietern. Da ist nach wie vor das Vorgehen, dass nach der Leasingzeit das Fahrrad zurück an den Anbieter geht oder aber für kleines Geld (bis zwanzig Prozent der UVP) dem Nutzer überlassen wird.

Logistik als Basiselement

Der Prozess sieht - einfach skizziert - wie folgt aus: Das Fahrrad ist am Leasingende, der Leasinggeber kontaktiert den Leasingnehmer und es wird geklärt, ob eine Fahrradübernahme oder -rückgabe gewünscht ist. Beim Anschlussleasing kommt Bravobike ins Spiel und macht einen Termin mit dem Nutzer für die Abholung des alten Fahrrades aus. Der Kunde muss nichts machen. Nicht einmal reinigen. Damit ist das Thema abgeschlossen - kostenfrei für den Nutzer und Leasingnehmer. Auch Privatkunden können über wirkaufendeinfahrrad.de das Zweirad an Bravobike veräußern. Die Logistik ist in jedem Fall ein entscheidender Punkt."Wir müssen die Räder überall abholen", erzählt Diekmann. Auch da arbeitet Bravobike ständig an neuen Lösungen, damit die Fahrräder schonend (in allen Belangen) nach München kommen, gereinigt, gecheckt, aufbereitet und bewertet werden können.

Denn jetzt beginnt das zweite Leben und das Thema Nachhaltigkeit bekommt ein Gesicht. Im Online-Shop gebrauchtradstudio.de sowie über weitere sinnvolle Kanäle, vermarktet Bravobike die Fahrräder, die neu auch mal 14.000 Euro kosteten. Im Schnitt verkaufen die Münchener die Fahrräder für mehr als 1.000 Euro, was zeigt, dass es sich fast durchweg um hochwertige Fahrzeuge handelt. Das Fahrrad-Leasing trieb und treibt den Trend zu immer hochwertigeren Bikes. Gerade in Deutschland, dem wichtigsten Fahrradmarkt weltweit, wie Diekmann attestiert.

Deswegen haben die 20 Kollegen in der Bravobike-Werkstatt auch mit allen Typen zu tun:"Wir haben hier alle Arten von Zwei- und Dreirädern", sagt Donath und zeigt auf ein frisch verkauftes Lastenrad, das für etwas mehr als 2.000 Euro den Eigentümer wechselt. Die Preise werden von den Kunden als äußerst fair bewertet, was zur Folge hat, dass online gestellte Fahrräder nicht lange im Shop verweilen. In der Werkstatt warten noch hunderte auf die Rundumerneuerung.

"Wir sind überzeugt, dass sich der Fahrrad-Leasingmarkt in den kommenden fünf Jahren verändern wird. Die Laufzeiten werden variabler, die Restwerte steigen und der Nutzungsgedanke anstelle des Besitzens wird in der Bevölkerung weiter steigen." Aktuell ist es finanziell äußerst attraktiv, die eigenen Leasingräder am Ende der Leasing-Laufzeit zu übernehmen. Denn es gibt noch keine geregelte Restwertberechnungsmethode. "Wir aber können heute schon einen Marktwert bestimmen und werden diese Technologie weiterentwickeln, um in Zukunft Prognosen anzustellen, was das Rad in zwei oder drei Jahren wert ist." Durch Bravobike könnte sich das Geschäft und der Umgang mit den Rückläufern deutlich verändern.

Das neue Poolfahrzeug

Auf den Nachhaltigkeitsgedanken springen einige Firmen auf, die Zweiräder im gewerblichen Einsatz haben. Gerade in Flotten sind Gebrauchträder oft sinnvoller einzusetzen als neue. Denn bekanntermaßen werden Poolfahrzeuge selten gepflegt. Und da schmerzt es, wenn das Rad nach einem halben Jahr bereits optisch gelitten hat. Bravobike nimmt auch "Bestellungen" von Fuhrparkbetreibenden auf, sofern kein Lieferdatum und keine Liefergarantie versprochen werden müssen. Denn der Zulauf ist (noch) nicht zuverlässig steuerbar. Demnächst kommen 40 Lastenräder vom Vermieter rein. Dieses Wissen und die Menge eines Modells sind die Ausnahme. Für Unternehmen, die ihren Fuhrpark mit Zweirädern ergänzen wollen, empfiehlt Diekmann einen "Fahrradmix". Denn die Nutzenden haben diverse Vorlieben, Größen und Zweiraderfahrungen. Eine Bandbreite ist somit sinnvoll.

Schwer, Gleichgesinnte zu finden

"Der Fahrradmarkt ist noch ein bisschen das belächelte Mobilitätsanhängsel. Unser Ziel ist es, den Gebrauchtradmarkt attraktiv zu machen und zu stärken. Das können wir nicht alleine, dafür brauchen wir Partner. Aber Gleichgesinnte sind schwierig zu finden." Donath nennt als potenzielle Mitspieler nicht nur Flottenbetreiber, die Fahrräder im zweiten Leben zu schätzen wissen, sondern auch Versicherungen. "Die haben nämlich ein Interesse an unserem Gesamtkonzept, damit beispielsweise die Hausratsversicherungen angepasst werden können." Derzeit wird bei Fahrrad-Diebstahl der Neupreis gezahlt - Alter (fast) egal. Die freuen sich verständlicherweise auf ein replizierbares Bewertungsschema.

Doch nun kommen klassische Auto-Leasinganbieter wie ALD, Arval oder VW ins Spiel."Auch das sind sehr interessante Partner", finden Diekmann und Donath. Profitieren können nämlich beide Seiten. "Das geht schon damit los, Verträge zu entwickeln, besonders hinsichtlich der Rückgabe. Das ist in der Fahrradbranche alles weniger geregelt. Und einen Sachverständigen fürs Fahrrad zu holen, ergibt keinen Sinn, der kostet mehr als das Fahrrad. Wir sind ein Start-up, wir lieben Ideen. Und wenn jemand sagt: Habt Ihr daran gedacht? Viellicht nicht, aber wir freuen uns, wenn genau dadurch Neues entsteht. Und der Fuhrparkmanager ist vielleicht der Vorreiter bei einem neuen Kreislaufkonzept."

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