Blackout an der Autobahn: Warum ist die Ladeinfrastruktur so schlecht?

14.11.2025 11:57 Uhr | Lesezeit: 5 min
eine Ladesäule von EnBW
Im ADAC-Test erreichten immerhin 13 der 25 getesteten Standorte gute Noten. Es gibt aber auch viel Kritik.
© Foto: EnBW

Die Ladeinfrastruktur für E-Autos ist in Deutschland gut ausgebaut. Ausgerechnet an den Autobahnen gibt sie jedoch ein schlechtes Bild ab.

Wer heute mit dem E-Auto auf Langstrecke geht, erlebt an deutschen Autobahnen zu oft ein Déjà-vu aus der Frühzeit der Elektromobilität: zu wenige Ladepunkte, zu geringe Leistung, wenig Wetterschutz und verwirrende Preise. Die schwierige Situation hat Gründe.  

Wie schlecht es um die Ladeinfrastruktur entlang der Autobahn steht, zeigt eine aktuelle ADAC-Untersuchung von 25 Rastanlagen: Rund 80 Prozent der Standorte fallen dort mit „mangelhaft“ oder „sehr mangelhaft“ durch, fünf erreichen ein „ausreichend“, bessere Noten wurden gar nicht vergeben. Häufigster Befund: viel zu langsame „Schnell“-Lader, die für die Langstrecke nicht mehr zeitgemäß sind, wenig einladende Umgebungen und intransparente Ladekosten. 

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Ladesäulen: letzte Ecke, zugeparkt oder besetzt

Wer gelegentlich mit dem E-Auto unterwegs ist, kann die miesen Wertungen nachvollziehen: Oft stehen die Säulen in der hinterletzten Ecke, sind von Lkw zugeparkt oder zu Stoßzeiten völlig überfüllt. Wer kann, meidet Raststätten oder Rastplätze und steuert direkt die etwas abseits gelegenen Autohöfe an: Auch dort ist nicht immer alles perfekt – im ADAC-Test erreichten aber immerhin 13 der 25 getesteten Standorte gute Noten. Eine Bewertung, die sich mit praktischen Erfahrungen deckt: Immerhin gibt es dort Toiletten, einen Kaffee und oft auch eine Auswahl an Schnellimbissanbietern. Hinzu kommen die großen Schnelllade-Hubs in autobahnnahen Gewerbegebieten, die teils eine wirklich gute Infrastruktur bieten. Wer auf Reisen flott laden will, kann das in Deutschland also relativ problemlos. Aber halt nicht direkt an der Autobahn. 

Monopol durch Tank & Rast? Kein freies Vergabeverfahren

Dass es direkt neben den Trassen hakt, hat vor allem strukturelle Gründe. So liegt ein Großteil des Schnellladeangebots an bewirtschafteten Rastanlagen in den Händen weniger Anbieter, die über Tank-&-Rast-Verträge eingebunden sind. Wettbewerb findet dort nur eingeschränkt statt – eine Struktur, die das Bundeskartellamt in seiner Sektoruntersuchung 2024 kritisch bewertet hat. Durch die langfristigen Konzessionen werde der Markzugang in diesem Bereich eingeschränkt und die Entstehung wettbewerblicher Strukturen behindert, heißt es dort. 

Auch der niederländische Schnellladesäulenbetreiber Fastned kritisiert die Situation - und ist gegen die Vergabemodalitäten 2022 zunächst gemeinsam mit Tesla vor Gericht gegangen. Kern der Kritik: Die Schnelllade-Konzessionen an Rastanlagen wurden in großem Umfang ohne klassisches freies Ausschreibungsverfahren vergeben – profitiert haben davon einige wenige Ladesäulenanbieter. Nun zieht sich das Verfahren durch die Instanzen, mit aufschiebender Wirkung - und der Ausbau vor Ort stockt. So werden an Rastanlagen neuere, leistungsstarke Säulen bis zur Klärung teils nur gedrosselt betrieben – mit eben den vom ADAC harsch kritisierten 50 bis 100 kW Ladeleistung, die auf der Langstrecke für E-Autos komplett untauglich sind. Aktuelle E-Autos könnten bis zu 400 kW vertragen – und wären vier- bis achtmal schneller voll.  


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Ob Fastned die Klage gewinnt, ist offen. Der Europäische Gerichtshof hat bei einer Vorentscheidung im April tendenziell die Linie der Autobahn GmbH gestützt. Auf Basis dieses Urteils muss nun das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden, wohl aber erst im kommenden Jahr – bis dahin bleiben Drosselungen und Investitionszurückhaltung ein Bremsklotz für den Ausbau. 

Die schlechte Situation an der Autobahn fällt in eine Phase, in der der Bund mit dem „Deutschlandnetz“ eigentlich Tempo machen will: Bis Ende 2026 sollen rund 9.000 HPC-Ladepunkte an 900 Regionalstandorten sowie 1.000 Schnellladepunkte an 200 unbewirtschafteten Autobahn-Rastplätzen das Netz verdichten. Für Ladesäulenbetreiber Fastned ist das nur ein schwacher Trost. Denn die Standorte an Parkplätzen mit WC – im Branchensprech PWC genannt - sind deutlich weniger attraktiv als die großen, viel frequentierten Raststätten mit ihren sauberen Sanifair-Toiletten und angeschlossener Gastronomie.  

Ein Komfort-Angebot, dass es an den kleineren Standorten nicht geben soll. „Wir bauen im Rahmen der Deutschlandnetz-Initiative des Bundes auf unbewirtschafteten Rastplätze“, erläutert Linda Boll, Deutschland-Verantwortliche von Fastned, „allerdings dürfen wir Stand heute dort keine Kioske oder zusätzliche Angebote betreiben – aus unserer Sicht ein großes Manko. Das mindert die Aufenthaltsqualität und verhindert echten Wettbewerb mit den Ladeangeboten an der Raststätte.“ Für den Hochlauf der E-Mobilität brauche es attraktive Standorte direkt an der Autobahn, und zwar in guter Qualität. Der „Ladepunkt in der letzten Ecke“ hat aus ihrer Sicht dem Image der E-Mobilität geschadet.  

Der Blick ins Ausland, nicht perfekt, aber vieles besser

Ein Vergleich mit dem Ausland zeigt, wie man es besser machen kann – ohne dass dort alles perfekt wäre: Großbritannien etwa modernisiert seine Motorway-Services seit Jahren. Allein 2024 wurden über 200 zusätzliche HPC-Ladepunkte installiert – oft in separaten, klar ausgeschilderten „Forecourts“, die baulich von Parkplätzen getrennt sind und so Zuparken verhindern. Der Trend geht dort allgemein zu großen, gut sichtbaren HPC-Hubs. Auch Frankreich baut intensiv aus, vielerorts sind die Ladebereiche gut sichtbar gebündelt und vom allgemeinen Parkplatz-Verkehrsfluss abgesetzt. Im Fastned-Heimatland Holland wird bislang überwiegend am Normalllader oder der eigenen Wallbox getankt, trotzdem soll das Schnellladenetz an der Autobahn nun endlich wachsen. Die Behörden definieren Rastplätze dabei explizit als Orte mit Sicherheits- und Aufenthaltsfunktion, die für den Energiemix der Zukunft weiterentwickelt werden sollen.  

Gemeinsam sind den erfolgreichen Beispielen klare Flächen, oft mit baulich abgesetzten Ladebereichen, ein mit Drive-in-Layout, gute Beleuchtung und Überdachung, sichtbare Preise und einfache Bezahlung. Auch Sanitär- und Gastroangebote sind oft Standard. Genau an diesen Punkten scheitern deutsche Autobahnstandorte noch zu oft, wie der ADAC-Test ergeben hat.  

Die deutsche Autobahn-Ladeinfrastruktur leidet nicht an fehlender Technik, sondern an ungünstiger Regulierung: zu wenig Wettbewerb an den bewirtschafteten Rastanlagen, zu wenig qualitätsgetriebener Planung, zu viel Grauzone bei Preisen und Gestaltung. Das Deutschlandnetz liefert Kapazität – doch ohne Aufenthaltsqualität und klare Zuständigkeiten bleibt der Fortschritt halbherzig. Nur wenn Qualität, Wettbewerb und Nutzerorientierung zusammenkommen, wird aus „funktioniert irgendwie“ auch „funktioniert gut“.  


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