Im Dienste der Sicherheit
Juristische Grundlagen | Die für den Fuhrparkverantwortlichen wichtigsten Vorschriften im Zusammenhang mit den Unfallverhütungsvorschriften sind die BGV D29 – Fahrzeuge.
— Diese berufsgenossenschaftlichen Vorschriften für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit bestimmen mit den dazugehörenden Durchführungsanweisungen die Überwachungspflichten des Unternehmers.
Für die Sicherheit der im Betrieb eingesetzten Fahrzeuge und Mitarbeiter ist der Unternehmer verantwortlich. Diese gesetzlichen Pflichten können allerdings auf einen geeigneten Mitarbeiter übertragen werden. In der Regel wird der Fuhrparkleiter diese Aufgaben übernehmen.
Die aus den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) resultierenden Aufgaben und Kontrollpflichten werden üblicherweise durch Regelungen im Arbeitsvertrag delegiert. Denkbar sind auch Einzelaufträge.
Steigende Verantwortung | Seit dem 4. Dezember 2011 gilt eine neue EU-Verordnung (1071/2009). Dort wird der Begriff des Fuhrparkleiters oder Fuhrparkverantwortlichen durch die Bezeichnung „Verkehrsleiter“ ersetzt. Überdies wird in der Verordnung auch der Begriff der „Zuverlässigkeit“ konkretisiert. Es ist davon auszugehen, dass damit die in der Verordnung aufgeführten Zuverlässigkeitskriterien auch auf den Fuhrparkleiter ausgedehnt werden, womit diesem auch bei der Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften in den Betrieben eine steigende Verantwortung übertragen wird.
Die Unfallverhütungsvorschriften stellen „autonomes Satzungsrecht“ dar und sind deshalb, ebenso wie gesetzliche Vorschriften, rechtsverbindlich. Unternehmer und Versicherte als Mitglieder der Berufsgenossenschaften sind daher an die Einhaltung der UVV gebunden.
Der Unternehmer hat nach § 3 BGV D29 dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge den Bestimmungen der BGV D 29 entsprechen und die erforderliche Betriebserlaubnis und die Genehmigungen für den Straßenverkehr besitzen.
Geltungsbereich | Der Geltungsbereich der BGV D29 erstreckt sich auf alle Fahrzeuge (zum Beispiel Pkw, Omnibusse, Zugmaschinen, Motorräder), auf deren Anhänger sowie auf selbstfahrende Fahrzeugteile.
In § 1 Abs. 2 BGV D29 werden Ausnahmen genannt, unter anderem Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von weniger als acht Stundenkilometern.
Die Unfallverhütungsvorschriften gelten ausschließlich für dienstlich genutzte Fahrzeuge. Umstritten ist seit jeher die Frage, ob Privatfahrzeuge, die zu dienstlichen Zwecken eingesetzt werden, ebenfalls unter die Vorschriften der BGV D29 fallen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Privatwagen, die gelegentlich zu dienstlichen Fahrten genutzt werden, nicht davon betroffen sind.
Anders sieht es dagegen bei Dienstwagen aus, die auch privat genutzt werden dürfen. Diese Fahrzeuge unterliegen den Vorschriften der BGV D29. Betroffen sind auch von Selbstständigen für ihre Tätigkeit genutzte und über die Firma abgerechnete Fahrzeuge.
Jährliche Kontrolle | Maßgebliche Vorschrift im Zusammenhang mit den regelmäßigen Fahrzeugkontrollen nach den Unfallverhütungsvorschriften ist § 57 BGV D29.
Danach ist vor der Erstinbetriebnahme und mindestens einmal jährlich eine Prüfung des betriebssicheren Zustandes der Fahrzeuge durch einen Sachkundigen oder eine autorisierte Fachwerkstatt vorgeschrieben. Diese Überprüfung muss schriftlich dokumentiert und mindestens bis zur nächsten fälligen Untersuchung aufbewahrt werden.
Die jährliche Untersuchung nach BGV D29 beinhaltet einen anderen Untersuchungsumfang als die Hauptuntersuchung der Fahrzeuge nach der Zulassungsverordnung. Nähere Einzelheiten hierzu ergeben sich aus der Durchführungsanweisung zu § 57 Abs. 1 BGV D29.
Danach bestehen für die Prüfung von Fahrzeugen besondere Voraussetzungen gemäß den BG-Grundsätzen „Prüfung von Fahrzeugen durch Sachkundige“ (BGG 916).
Dienstwagen ist Arbeitsplatz | Die Prüfung des betriebssicheren Zustandes durch den Sachkundigen umfasst sowohl den verkehrssicheren als auch den arbeitssicheren Zustand des Fahrzeuges. Das Dienstfahrzeug ist ein Arbeitsplatz.
Die Prüfung des verkehrssicheren Zustandes des Fahrzeuges ist auch erbracht, wenn ein mangelfreies Ergebnis einer Sachverständigenprüfung nach der StVZO vorliegt. Für Personenkraftwagen und Krafträder gilt eine Sachkundigenprüfung als durchgeführt, wenn über eine vom Hersteller vorgeschriebene und ordnungsgemäß durchgeführte Inspektion ein mangelfreies Ergebnis einer autorisierten Fachwerkstatt vorliegt, das auch die Prüfung auf arbeitssicheren Zustand (zum Beispiel Vorhandensein und Zustand der Warnkleidung sowie der Einrichtungen zur Ladungssicherung) aufweist.
Sachkundige Person | Häufig bieten die Leasinggeber bereits mit der Auslieferung des neuen Geschäftswagens neben der Übergabeinspektion auch die Durchführung der Untersuchung nach § 57 Abs. 1 BGV D29 an. Dies kann durch einen Sachkundigen im Betrieb erfolgen.
Ein Sachkundiger ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung und Erfahrung ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik hat und mit den einschlägigen staatlichen Arbeitsschutzvorschriften, Unfallverhütungsvorschriften und allgemein anerkannten Regeln der Technik (beispielsweise BG-Regeln, DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, technische Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der Türkei oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) so weit vertraut ist, dass er den betriebssicheren Zustand von Fahrzeugen beurteilen kann.
Es handelt sich bei dem Begriff des „Sachkundigen“ nicht um eine Berufsbezeichnung mit qualifiziertem Abschluss wie etwa bei einem Kraftfahrzeugmeister.
Häufig wird die Untersuchung nach BGV D29 daher in den Fachwerkstätten der Leasinggeber von einem dort beschäftigten Kfz-Meister durchgeführt. Dagegen ist so lange nichts einzuwenden, wie es sich bei den zu prüfenden Fahrzeugen um Pkw handelt, für die keine weiterreichenden Untersuchungen vorgeschrieben sind.
Der dafür Verantwortliche muss sich darüber bewusst sein, dass die Untersuchung nach § 57 Abs. 1 BGV D29 sowohl den verkehrssicheren als auch den arbeitssicheren Zustand der Fahrzeuge umfasst. Es geht um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, für die der Unternehmer beim Arbeitsplatz Auto genauso verantwortlich ist wie beim Arbeitsplatz Büro.
Im Jahr der Hauptuntersuchung ist zusätzlich zur dabei bereits erfolgten Untersuchung der Verkehrssicherheit im Wesentlichen zu prüfen, ob die Warnweste und die Betriebsanleitung vorhanden sind, eventuelle Verletzungsgefahren für den Fahrer bestehen und, bei Pkw-Kombis, in welchem Zustand sich Trennnetze sowie Verzurrösen befinden. Dies kann durchaus innerhalb einer Inspektion in einer anerkannten Fachwerkstatt durchgeführt werden und muss dann allerdings auf der Rechnung entsprechend vermerkt werden.
In den Jahren zwischen den Hauptuntersuchungen muss eine UVV-Prüfung über die Verkehrs- und Arbeitssicherheit durch einen Sachkundigen durchgeführt werden. Hierzu wird neben dem HU-Bericht auch ein gesonderter Bericht „BGV D29 – Prüfung an Pkw“ erforderlich.
Aufbauten und Inneneinrichtung | Zusätzlich zur fahrzeugtechnischen Prüfung kann die Prüfung von Aufbauten und Einrichtungen erforderlich sein, wenn dies durch Verordnung, Unfallverhütungsvorschrift oder BG-Regel bestimmt ist, zum Beispiel durch:
Betriebssicherheitsverordnung
Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE)
Unfallverhütungsvorschrift „Krane“ (BGV D6)
Unfallverhütungsvorschrift „Winden, Hub- und Zuggeräte“ (BGV D8)
Unfallverhütungsvorschrift „Verwendung von Flüssiggas“ (BGV D34)
Kapitel 2.10 „Betreiben von Hebebühnen“ der BG-Regel „Betreiben von Arbeitsmitteln“ (BGR 500)
Bußgeld bis zu 10.000 Euro möglich | Neben zivilrechtlichen Folgen handelt der Unternehmer gemäß § 209 Abs. 1 Nr.1 SGB IX in Verbindung mit § 15 Abs. 1 und 2 SGB IX immer dann ordnungswidrig, wenn er gegen eine der unter § 58 BGV D29 im Einzelnen genannten Regelungen verstößt. Ein solcher Verstoß kann mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
Bei einer durch Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschriften gegebenen Haftung kann die Berufsgenossenschaft ihre Aufwendungen für einen Arbeitsunfall vom verantwortlichen Unternehmer respektive Arbeitgeber ersetzt verlangen – ein im Hinblick auf die Auswahl des Verkehrsleiters und die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften nicht zu unterschätzendes Risiko.
| Dr. Michael Ludovisy
Gutachten | Live-Übertragung zulässig
– Ein Gutachten, das mithilfe einer Live-Übertragungstechnologie erstellt wurde, kann als Grundlage zur Schadenberechnung ebenso hinzugezogen werden wie ein anderes Kfz-Gutachten auch, solange keine eindeutigen Gründe dagegensprechen.
Im verhandelten Fall ging es unter anderem um den Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten, die der Klägerin im Zuge der Abwicklung eines Kfz-Schadens entstanden waren. Der regulierende Versicherer hatte die Übernahme dieser Kosten abgewiesen, weil er das Gutachten von der Firma Live-Expert für ungeeignet zur Schadensermittlung hielt. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass die Klägerin gegen die beklagte Versicherung einen Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten aus den §§ 7, 17 StVG, 823 BGB und § 3 Pflichtversicherungsgesetz hat.
AG Böblingen, Az. 20 C 2445/12
Straßenreinigung | Erstattung der Kosten infolge ausgelaufenen Kraftstoffs
Eine Erstattung der Kosten für eine Straßenreinigung wegen einer erheblichen Verschmutzung (hier durch Dieselkraftstoff) kann nur geltend gemacht werden, wenn der Verursacher ein Zögern bei der Behebung der Verschmutzung zu verantworten hat.
VGH Kassel, Az. 2 A 556/11, NVWZ-RR 2013, 4
Schadenregulierung | Verweis auf freie Werkstatt bei Hol- und Bringservice
– Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann bei einer fiktiven Schadensabrechnung auf eine Reparaturwerkstatt mit günstigeren Stundensätzen verwiesen werden, wenn diese mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist. Das ist auch bei einer Werkstatt der Fall, die 26 Kilometer vom Wohnort des Geschädigten entfernt ist, wenn diese einen kostenlosen Hol- und Bringservice anbietet.
AG Düsseldorf, Az. 39 C 14728/11, SP 2012, 330
Verjährung | Schriftliche Entscheidung des Versicherers erforderlich
– Die Verjährungshemmung für den Anspruch eines Dritten gegen eine Haftpflichtversicherung läuft nach Anmeldung des Schadens bis zu deren Mitteilung der schriftlichen Entscheidung, § 3 Nr. 3 S.1 PflVG a. F.
Eine schriftliche Entscheidung des Versicherers liegt dann vor, wenn er sich dem Geschädigten gegenüber derart geäußert hat, dass der Geschädigte der Mitteilung klar und deutlich entnehmen kann, ob der Versicherer die angemeldeten Ersatzansprüche regulieren möchte oder nicht.
Der Schutz des Geschädigten vor den Folgen der Verjährung auch bei Fällen einer sehr langen Verhandlungsdauer mit der Versicherung ist Zielsetzung der gesetzlichen Regelung. Dem Geschädigten steht dieser Schutz nicht mehr zu, wenn sich diese eindeutig zur Anspruchsanmeldung geäußert hat.
OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 123/11, SP 2012, 360
Sachverständigenkosten | Ein Viertel der Reparaturkosten als Pauschale
– Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls kann bei einem Bagatellschaden pauschal bis zu 25 Prozent der Nettoreparaturkosten als Sachverständigenkosten ersetzt verlangen. Damit sind nach Auffassung des Gerichts auch sämtliche weiteren Positionen, die für die Erstellung der Kalkulation anfallen, wie Lichtbilder und Kopien, abgegolten.
AG Offenbach, Az. 36 C 344/11, SP 2013, 28
Kaskoversicherung | Umfang der Erstattung nach einem Verkehrsunfall
– Eine Kaskoversicherung ersetzt nicht die Standkosten, den Nutzungsausfall, die Ausgaben für die An- und Abmeldung sowie die Kosten für die Ausstellung einer Wildunfallbescheinigung nach einem Verkehrsunfall.
AG Köln, Az. 264 C 79/11, SP 2012, 370
Prämienerhöhung | Kündigungsrecht bei unvollständiger Mitteilung
– Wird der Versicherungsnehmer einer Versicherung bei der Mitteilung einer Prämienerhöhung nicht ordnungsgemäß über sein Kündigungsrecht belehrt, so hat dies zur Folge, dass ein zeitlich unbegrenztes Kündigungsrecht eintritt, da die Kündigungsfrist des § 40 I S.1 VVG erst ab Zugang der vollständigen Mitteilung, das heißt inklusive Belehrung, gilt.
Gemäß § 40 I S.2 VVG hat der Versicherer den Versicherungsnehmer in der Mitteilung über die Beitragserhöhung auf dessen außerordentliches Kündigungsrecht hinzuweisen.
AG Berlin-Charlottenburg, Az. 235 C 158/12 , R + S 2013, 12
Nutzungsausfall | Kein Anspruch bei Ersatzfahrzeugen
– Ein Geschädigter eines Verkehrsunfalls hat keinen Anspruch auf Ersatz von Nutzungsausfall, wenn er über ein Ersatzfahrzeug verfügt. Ist der Geschädigte ein Kfz-Händler und kann er ohne Weiteres ein Fahrzeug seines Unternehmensbestandes benutzen, hat er keinen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung. Die Tatsache, dass die Fahrzeuge dem Betriebsvermögen unterliegen, ist hierbei nicht zu beachten.
Im Falle einer fiktiven Schadensabrechnung sind jedoch UPE-Aufschläge und Verbringungskosten erstattungsfähig, wenn ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger diese bei markengebundenen Reparaturwerkstätten für regional üblich hält.
OLG Düsseldorf, Az. 1 U 108/11, SP 2012, 324
- Ausgabe 5/2013 Seite 78 (4.2 MB, PDF)