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Schnell ist relativ

17.08.2020 06:00 Uhr
Schnell ist relativ

Elektromobilität benötigt eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur auf der einen und eine moderne Technik auf der anderen Seite (im Auto), um schnell geladen werden zu können. Nicht immer ist beides gegeben.

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Geht es nach den Versprechen der Autohersteller, lässt sich die neue Generation der Elektroautos im Handumdrehen laden: "100 Kilometer in Reichweite in fünf Minuten" oder "80 Prozent Batteriekapazität in 30 Minuten" sind nur einige der Werbebotschaften, die Kunden zum Kauf eines Stromers animieren sollen.

Mangel an Schnellladern

In der Realität sieht das Ladeerlebnis mit dem Elektroauto meistens anders aus, denn wenn es mit dem Laden schnell gehen soll, sind verschiedene Faktoren entscheidend. Das Laden der Batterie eines Elektroautos ist noch nicht mit dem Tanken eines Verbrenners vergleichbar.

Grundsätzlich muss man aber zunächst zwischen dem DC-Schnellladen (Direct Current) mit Gleichstrom und dem AC-Laden (Alternating Current) mit Wechselstrom unterscheiden. Ersteres ist überhaupt Voraussetzung, um den Stromer "schnell" befüllen zu können. DC-Schnelllader sind sehr teuer und deshalb deutlich seltener als AC-Ladesäulen. Zudem muss das Auto natürlich schnellladefähig sein und eine entsprechende Ladebuchse vom Typ CCS oder Chademo besitzen, Tesla setzt wiederum auf ein eigenes System. Beim Smart gibt es diese Lademöglichkeit gar nicht, bei anderen mit kleinem Akku kostet es extra.

Entscheidend ist einerseits die Ladeleistung, die eine Schnellladesäule abgeben kann, und andererseits, was das Auto davon "akzeptiert". Denn schnell ist relativ: Viele DC-Ladesäulen arbeiten noch mit 50 Kilowatt Leistung. Ein Stromer wie ein Tesla mit großer 100-kW/h-Batterie würde also mehr als zwei Stunden benötigen, um voll aufgeladen zu werden. Gerade entlang der Autobahnen sind deshalb höhere Ladeleistungen bis zu 350 Kilowatt möglich, wenn auch noch recht spärlich ( siehe Grafik "Verteilung Ladeleistung"). Mit sehr hohen Leistungen reduziert sich zwar die Ladedauer, jedoch können viele Autos diese Leistungen nicht dauerhaft annehmen. Je nach Bauart der Batterie und des Thermomanagements (die Batterie erhitzt sich während des Ladevorgangs) wird die Leistung wieder gedrosselt oder gar nicht erst voll abgerufen. So kann es passieren, dass das Auto die ersten zehn Minuten mit 150 Kilowatt lädt, um dann auf 50 Kilowatt herunterzufahren, was die Ladedauer wieder in die Höhe treibt. Autos mit einem guten Thermomanagement der Batterie wie beispielsweise der Audi E-Tron oder der Porsche Taycan sind in der Lage, sehr hohe Ladeleistungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Dennoch ist es sinnvoll, das Auto nur bis zu einer Kapazität von 80 Prozent aufzuladen und lieber öfters "tanken" zu gehen, denn das schont die Batterie.

Drei Phasen sollen es sein

Beim weit verbreiteten AC-Laden mit Wechselstrom, so wie es an den meisten innerstädtischen Wallboxen oder auf Firmenparkplätzen zu finden ist, sind die Leistungen deutlich niedriger als beim DC-Schnellladen. Hier ist der Faktor Zeit nicht so entscheidend. Im Gegensatz zum DC-Schnellladen funktioniert das AC-Laden anders, denn der Wechselstrom aus der Wallbox muss zunächst in Gleichstrom umgewandelt werden. Das macht ein Onboard-Lader im Auto, der oft der begrenzende Faktor ist. Dabei ist es entscheidend, wie effizient der Onboard-Lader im Auto arbeitet, da immer Umwandlungsverluste entstehen.

Daneben ist wie beim DC-Schnellladen auch die Ladeleistung des Laders wichtig. Hier gibt es große Unterschiede: Der Renault Zoe hat beispielsweise einen sehr leistungsfähigen Onboard-Lader, der mit 42 kW Leistung laden kann. Andere Autos bieten im Regelfall nur 11 kW und viele noch weniger, was aufgrund kleinerer Batteriegrößen nicht ins Gewicht fällt.

Sehr ungünstig ist es, wenn die Batterie groß und der Onboard-Lader wenig leistungsfähig ist. Das war beim Jaguar I-Pace so. Der Luxus-Stromer hat eine Batterie mit einer Kapazität von 90 kW/h und bis zum Sommer 2020 nur einen Onboard-Lader, der maximal sieben Kilowatt Leistung entgegennehmen kann. Dieser lädt zudem nur einphasig, da das Auto für den internationalen Markt konzipiert wurde. In Deutschland wird der Strom jedoch dreiphasig bereitgestellt. Wegen der hier gültigen Schieflastverordnung in Privathaushalten darf die Ladung an einer Phase zudem nur mit maximal 20 Ampere abgesichert werden (zukünftig nur 16 Ampere). Folglich lädt der "alte" I-Pace an einer privaten Wallbox (unabhängig von deren Leistung) nur mit maximal 4,6 Kilowatt, meistens jedoch nur 3,7 Kilowatt (16 Ampere Absicherung). Somit benötigt der I-Pace etwa 25 Stunden, bis er voll aufgeladen ist. Ähnlich langsam lädt der aktuelle Hyundai Ioniq-E an der 11-kW-Wallbox. Bei einer Batteriegröße von 38 kW/h eher zu verschmerzen. Jaguar hat den Onboard-Lader gerade auf "Dreiphasen-Stand" gebracht und lädt nun theoretisch innerhalb von knapp neun Stunden. Bei der Anschaffung eines E-Autos oder Plug-in-Hybrids steht also zuvorderst auch die Frage: Kann der Wagen dreiphasig laden?

Ladegeräte-Hersteller wie Juice Technology haben für lahme Onboard-Lader den "Juice Phaser" entwickelt. Laut Hersteller ist das Gerät in der Lage, das Maximum aus einer Phase herauszuholen: Bis zu 5,6 Kilowatt sollen dank der internen 25-Ampere-Absicherung (legal) möglich sein, was die Ladedauer deutlich verringern kann. Wünschenswert wäre es dennoch, wenn alle Autohersteller Onboard-Lader mit mindestens elf Kilowatt und dreiphasiger Ladefähigkeit anbieten würden, denn dann ließen sich alle Stromer innerhalb eines Arbeitstages oder auch an öffentlichen Wallboxen flott laden.

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