_ Selektive katalytische Reduktion (SCR). Vereinfacht dargestellt wird dabei Harnstoff in Form von Adblue in den Abgasstrom eingespritzt, das im SCR-Kat schädliches Stickoxid in Wasser und ungefährlichen Stickstoff umwandelt. Ohne dieses Verfahren ist Euro 6 bei Dieselmotoren größerer Transporter nicht zu schaffen. So bislang die einhellige Meinung der Transporter-Hersteller.
Wohlgemerkt bislang, denn Fiat bricht beim Ducato mit dieser Regel. Die neuen Euro-6-Aggregate erfüllen die Anforderungen der strengeren Schadstoffnorm auch ohne SCR-Kat. Zumindest bei den Kastenwagen-, Pritschen- und Fahrgestell-Varianten. Was Ducato-Eigner freuen dürfte, schließlich bleibt ihnen damit das lästige Zutanken von Adblue erspart.
Stattdessen soll allein eine Niederdruckabgasrückführung genügen. Dabei wird das Abgas nach dem Passieren des Partikelfilters gekühlt und einer erneuten Verbrennung im Zylinder zugeführt. Diese Technik ist in ähnlicher Form auch bei allen Konkurrenten Teil der Abgasaufbereitung - nur eben zusätzlich zu SCR-Kat und Partikelfilter. Worin genau das Geheimnis des Fiat-Systems liegt, darüber äußert sich der Hersteller nicht. Es gehe aber alles mit rechten Dingen zu, versichern die Turiner. Sollte es auch, schließlich schnitt der Euro-5-Vorgänger bei jüngsten Abgastests des Kraftfahrt-Bundesamtes alles andere als rühmlich ab, weshalb der Importeur unter besonderer Beobachtung stehen dürfte.
Wobei das KBA die bisherige 3,0-Liter-Topmotorisierung geprüft hatte. Und alle Fans dieses überdurchschnittlich elastischen und kräftigen Hubraumriesen müssen jetzt kurz stark sein, dürfen sich aber gleich wieder entspannen. Stark sein, weil der 177 PS starke Vierzylinder mit Euro 6 aus dem Programm fiel. Und wieder entspannen, weil Fiat für würdigen Ersatz sorgte.
Power satt
Und zwar in Form des aus den Euro-5-Modellen bekannten 2,3-Liter-Multijet-Selbstzünders. Der bringt es ebenfalls auf 177 PS und auch das maximale Drehmoment entspricht mit 400 Newtonmetern dem Wert des Vorgängers. Die guten Papierwerte bestätigen sich auf der Straße. Dank variablem Turbolader überzeugt der zwar etwas raue, aber ansonsten Fiat-typisch kultivierte Commonrail-Diesel mit brachialer Leistungsentfaltung und meistert auch den Drehzahlkeller von 1.100/min überaus souverän. Gleiches gilt für die schwächeren Brüder mit 150 und 130 PS, wobei deren um 60 Newtonmeter stärkere Version, zumindest gefühlt, wenig Mehrleistung bietet.
Oder man betreibt noch konsequenteres Downsizing und bescheidet sich mit dem 115-PS-Einstiegsdiesel. Auch dieser stand bereits im Euro-5-Zeitalter in der Preisliste, allerdings nur in Kombination mit einem Fünfgang-Getriebe, das auf der Autobahn die Drehzahl schnell über die 3.000er-Marke trieb. Dank neuem Sechsgang-Handschalter werkelt der Motor bei 120 km/h nun mit entspannten 2.400/min. Das, gepaart mit der geschmeidig-sanften Charakteristik des aus der Fiat-Pkw-Abteilung entliehenen Reihenvierzylinders, macht die Einstiegsmotorisierung zur echten Empfehlung. Preislich liegt die Spanne zwischen dem Einsteiger und dem Topmodell (je 3,0-Tonner-Kastenwagen als L1H1) zwischen 26.290 Euro und 29.890 Euro.
Mehr Service
Egal für welche Leistungsstufe man sich entscheidet, immer inklusive ist bei Fiat eine vierjährige Nutzfahrzeuggarantie. Um die möglichst regional einlösen zu können, wollen die Italiener zudem ihr deutsches Händlernetz bis Jahresende auf 240 Standorte erhöhen. Und auch das Angebot an werksseitigen Umbaulösungen soll weiter ausgebaut werden.
Mehr als 10.000 Ducato-Konfigurationen sind so laut Importeur möglich. Damit der große Fiat immer nach Kundenanforderungen rollt. Mit maßgeschneidertem Aufbau - aber ohne Adblue-Tank.
Talento
Dieser Italiener kommt aus Frankreich
_ Auf Scudo folgt Talento. Und auch wenn sich Fiat bemühte, seinem neuen Vertreter in der Dreitonnen-Klasse eine eigenständige Optik zu verleihen, bleibt seine Herkunft auf den ersten Blick erkennbar. Denn es handelt sich hier um einen umgelabelten Renault Trafic, den Fiat weitgehend unverändert von den Franzosen übernimmt. Und damit auch die guten Ladeeigenschaften. Schon in die L1-Version passen drei Europaletten. Wer mehr braucht, greift zum langen Radstand und/oder Hochdach und vergrößert das Frachtabteil so auf bis zu 8,6 m³. Darüber hinaus hat Fiat auch Fahrgestell-Versionen im Angebot. Die Nutzlast geben die Italiener mit bis zu 1.250 Kilo an. Bisherige Trafic-Testwagen erreichten diesen Wert allerdings nicht. Ebenfalls von Renault stammen die Motoren. Unterhalb von 1.700/min recht kraftlos gehen die Versionen des 1,6-Liter-Multijet (95 oder 120 PS) zu Werke. Mehr Kraft entfalten die Bi-Turbos (125 oder 145 PS). Die eher weiche Fahrwerksabstimmung ist für sonst eher straff ausgelegte Fiat-Lastesel ungewöhnlich. bj
Fiorino
Der übrig Gebliebene wurde nochmal geliftet
_ Nur der Fiat Fiorino ist übrig geblieben von den baugleichen Mini-Drillingen. Denn Citroën und Peugeot nahmen Nemo und Bipper kürzlich klammheimlich vom Markt. Grund genug für Fiat, bei seinem Kleinsten noch mal Gas zu geben. Kaum jemandem auffallen werden der dezent veränderte Frontstoßfänger und die neu gestalteten Zifferblätter der Armaturen. Technisch hob Fiat den 1,3-Liter-Multijet-Turbodiesel auf Euro 6 und spendierte der Einstiegsversion fünf zusätzliche Pferdestärken auf jetzt 80 PS. Bei der Topeinstellung blieb es bei 95 PS und 200 Newtonmetern. Geblieben ist auch das kleine Turboloch unterhalb von 1.700 Touren. Darüber geht der Vierzylinder aber munter und drehfreudig seiner Arbeit nach. Das aufgrund des 2,5 Meter kurzen Radstands hoppelige Fahrwerk und das kurz übersetzte Fünfgang-Getriebe, das den Motor bei gemäßigtem Tempo 120 mit 2.800/min rumoren lässt, schränken die Autobahntauglichkeit ein. Alternativen: der 1,4-Liter-Benziner (77 PS) und der eher kraftlos agierende Erdgas-Floh (70 PS). bj
- Ausgabe 08/2016 Seite 36 (273.4 KB, PDF)