"In diesem Jahrzehnt gewinnen die, die eine Idee haben und machen" - davon ist nicht nur Martin Eisenhut überzeugt, sondern nach diesem Motto wird auch der Fuhrpark bei Kearney gemanagt. Mit neuen Ideen und schneller Umsetzung. Mirja Telzerow, Director Human Resources & Operations Deutschland, Österreich & Schweiz, erklärt uns, was damit gemeint ist und warum ein Firmen-Fuhrpark wie von Kearney - eines der größten globalen Top-Management Beratungsunternehmen mit weltweit rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Historie, die bis ins Jahr 1926 zurückreicht - einen Dreiklang aus Mobilität, Nachhaltigkeit und Employer Branding abbilden sollte.
Nun sind Unternehmensberatungen dem Wesen nach oft agile und experimentierfreudige Flottenbetreiber, denn die eigenen Mitarbeiter definieren im hohen Maße den Unternehmenserfolg und sie sind weltweit begehrt. So überrascht es im ersten Moment nicht, dass jene, die keinen eigenen Dienstwagen haben möchten, entweder zur Bahncard 100 oder zum Mobilitätsbudget greifen können. Ein anderes Wort hierfür wäre Mobilitätskontingent, was sich hinter der Abkürzung "Mobiko" verbirgt, dem Partner für diese Art der Mobilitätsabrechnung.
Jede Art von Ausgabe wie Fahrten mit dem ÖPNV, Mietwagen oder Carsharing wird per App erfasst und später auf der persönlichen Payroll erstattet. Auch ein Aufsparen des monatlichen Budgets ist möglich (die Firmen, die dies anbieten erlauben dies in der Regel quartalsweise), was zum Beispiel den Mietwagen für den nächsten Urlaub bezahlen würde. Das geht. Denn es werden über Mobiko allein jene Gelder ausgeglichen, die für private Ausgaben rund um die Mobilität der Mitarbeiter gezahlt wurden.
40 Prozent wählen das Budget
Zwar bildet die Lösung nicht die oft komplexeren Dienstreisen ab, aber sie ist dennoch ein großer Erfolg, denn - und das ist die wahre Währung von Mobilitäts-Lösungen jeder Art - die Mitarbeiter verstehen, was sie damit anfangen können und nutzen es intensiv. Rund 100 von ihnen haben die App installiert und rechnen emsig ab. 30 bis 40 Prozent der neuen Mitarbeiter, die firmenwagenberechtigt sind, wählen stattdessen lieber den Mobilitäts-Zuschuss.
Der Erfolg hat zwei Ebenen. Zum einen die simple Abrechnung der privaten Kosten für die eigene Mobilität, egal ob es damit zur Arbeit oder zur Freizeitaktivität geht. Jeder Mitarbeiter der Unternehmensberatung erhält, wenn er es wünscht, einen festen Betrag, den er ausgeben kann. Einfach Bahnticket oder Automietvertrag per Handy abfotografieren, schon werden die Daten erfasst und das persönliche Budget schmilzt um die abgebuchte Summe. Der zweite Teil der Erfolgsformel liegt an der Ausweitung des Begriffs Mobilität. Denn diese endet bei Kearney nicht bei den Ausgaben für Bus, Bahn oder Fahrrad. So können sich die Mitarbeiter - um beim Fahrrad zu bleiben - für den eigenen Drahtesel beispielsweise einen neuen Sattel kaufen und bekommen die Ausgabe über ihr Mobilitätsbudget erstattet.
Das passiert auch bei anderen Mobiko-Kunden, denn laut Nicola Büsse, Co-Founder & Head of Sales, haben sich die Ausgaben rund um die Zweiräder allein von 2019 zu 2020 ungefähr verdoppelt. Nach dem ÖPNV, Zug, Mietwagen und Tanken zählen die Ausgaben fürs Fahrrad zu den größten Posten in der Gesamtbilanz von Mobiko, die 2020 1,3 Millionen Euro für die Kunden als Mobilitätsbudgets verwaltet haben. Das Budget passt sich also der individuellen Mobilitätswirklichkeit des Einzelnen an. Das ist die zweite wichtige Eigenschaft der Lösung von Mobiko, die auf den Smartphones der Kearney-Berater beide Welten zusammenführt. Heterogen sind auch die Wünsche an den drei deutschen Kearney-Standorten in Berlin, Düsseldorf und München, was die Mobilitäts-Vorlieben betrifft. "In München war eines der wirksamsten Argumente, dass man mit dem Budget auch die Kosten für den Ski-Lift einreichen kann", verrät die HR-Verantwortliche.
Scooter schlägt Mietwagen
Dieses exklusive Fortbewegungsmittel schlägt sich dann erwartungsgemäß nicht in der Statistik aller Mobiko-Kunden nieder, die Büsse für alle eingereichten Ausgaben im Jahr 2020 errechnet hat. Demnach entfallen auf den ÖPNV (35 Prozent) und Bahnreisen (12 Prozent) rund die Hälfte der Ausgaben. Tankrechnungen machen in der Gesamtsumme nur zehn Prozent aus. Dass sich die Pandemie in der Bilanz ablesen lässt, zeigen die Daten fürs Carsharing. Das kletterte von fünf auf nun 16 Prozent der Ausgaben. Während die klassischen Reisemittel wie Mietwagen oder Flugzeug aggregiert mit den sonstigen Ausgaben nur zehn Prozent bemessen. Scootersharing schaffte es 2020 indes auf einen Anteil von fünf Prozent. Je nach Unternehmen kann der Mitarbeiter also recht frei seine Ausgabenfelder definieren und nicht ein Firmen-Rabatt (wie beim Job-Ticket) muss für alle reichen.
Dies ist ein hoher Vertrauensbonus an den Mitarbeiter. So gibt es auch einige Todos, beim Einreichen der Belege. Da es private Ausgaben sind, muss der Beleg die Privatanschrift und nicht die Firmenanschrift adressieren - im Gegensatz zur Spesenabrechnung bei Dienstreisen. Ansonsten reichen einige Angaben in der App und der Beleg als Foto oder PDF. Selbst Monats-Abos, wie für die tägliche Bahnfahrt zur Arbeit, können per Rechnung oder als Nachweis einer Lastschriftbuchung eingereicht werden.
Rechnung statt Schnittstelle
Mobiko selbst ist eine Ausgründung der Ideenschmiede Audi Business Innovation und dem Venture-Entwickler mantro. Die Münchner waren allerdings nicht die ersten Verwalter eines individuellen Budgets für Reiseaktivitäten bei Kearney, wie sich Telzerow erinnert: "Wir hatten vorher zwei Jahre lang bereits einen anderen Anbieter für ein Mobilitätsbudget, denn wir sind immer daran interessiert, als Arbeitgeber unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglichst viele Freiräume zu gewähren. Wir sind dann zu Mobiko gewechselt, um eine einfache und schnelle Lösung mit hoher Flexibilität zu erhalten. Und die haben wir bekommen."
Statt ein Mobilitätsprodukt für B2C- oder B2B-Kunden zu entwickeln, suchten die Mobiko-Gründer nach Möglichkeiten, um verschiedenste Fortbewegungsmittel in Beziehung setzen zu können. "Das schließt die steuerrechtlichen Überlegungen mit ein und muss zudem einfach in der Handhabung für den Nutzer und den Verwalter in den Flotten sein", umreißt Büsse die Anfangsidee. Deshalb ist man als unabhängiger Organisator am Markt, der keine Buchungsschnittstellen bündelt, sondern Rechnung und damit Ausgaben managt.
Dies gibt Firmen wie Kearney, die an unterschiedlichen Standorten mit verschiedenen Verwaltungssystemen und Partnern agieren, die Freiheit, dies weiterhin tun zu können. Zudem ist das Handling für den Mitarbeiter so einfach, dass die Hürde, es zu nutzen, sehr gering ist, wie Telzerow, die es selbst verwendet, bestätigt. Bei Kearney nutzt man in der Regel das Paket "mobility unlimited" (ab 5,90 Euro pro Monat und Nutzer), welches jede Art von Ausgabe erlaubt. Im Gegensatz dazu gibt es den günstigeren ÖPNV-unlimited Tarif (ab 1,80 Euro), der nur Belege von Bus-, Bahn- oder Tram-Fahrten abdeckt. Die Wahl steht jedem Kearney-Mitarbeiter frei.
Fahrrad-Boom zeigt sich
Firmen, die das Budget als Ersatz für das Job-Ticket oder als erstmaligen Aufschlag im Feld der Mitarbeiter-Mobilität nutzen, verwenden laut Büsse im Schnitt pro Mitarbeiter einen Beitrag, der denen des regionalen Job-Tickets entspricht, das können mal 50 Euro und anderswo schnell 150 Euro pro Monat sein. Ersetzt das Budget den Dienstwagen - sowie wahlweise bei Kearney -, dann kann der Nutzer auf ein deutlich höheres finanzielles Volumen zurückgreifen.
Laut Büsse entfielen unter allen Mobiko-Kunden 82 Prozent der Mobilitätskosten im vergangenen Jahr auf private Fahrten in der Freizeit. Was den Charakter eines Benefit-Programms für die Mitarbeiter unterstreicht. Entsprechend bunt liest sich die Liste der durchschnittlichen Ausgaben auf die unterschiedlichen Mobilitätsmittel übertragen (siehe Tabelle links). Der Ski-Pass schlägt sich im Punkt Berg- und Wasserstransport mit 59 Euro nieder - das ist mehr als für den Zug (43 Euro). Die Investitionen fürs Fahrrad lagen im Schnitt mehr als doppelt so hoch pro Beleg (129 Euro) - im Vorjahr waren es noch 68 Euro.
Wer auf lokal grüne oder teilbare Mobilität setzt, kann dies natürlich gegenüber dem Individualverkehr gegenrechnen. So beziffert Büsse die Einsparung von Kohlendioxid durch den Mobilitäts-Mix der Mobiko-Kunden im Vorjahr gegenüber einem hundertprozentigen Einsatz eines Pkw auf 80 Tonnen. 23 Prozent der Gesamtfahrten waren geteilte Touren - wobei das Gros der Sharing Mobility aufs Carsharing (67 Prozent) entfiel, der Scooter-Anteil lag hier immerhin bei einem Fünftel. Da rein die Kosten und nicht die zurückgelegten Strecken bei Mobiko auflaufen, ist dies allerdings eher ein Annäherungswert. Deshalb sucht man Hilfe bei einem externen Partner, um jenen Firmen, die den CO2-Wert als Treiber hin zum Mobilitätsbudget sehen, stichhaltige Daten präsentieren zu können.
"Aus den Händen gerissen"
Bei Kearney ist das Projekt seitens HR angestoßen worden, um Teil eines umfangreichen Bouquets an Benefit-Angeboten zu werden, aus denen die Berater frei wählen können. Denn, wie Telzerow betont, ist die Wahlmöglichkeit als solche aus Sicht der Mitarbeiter ein hohes Gut. Die Kearney-Angestellten sind mit einem Altersschnitt von 32 Jahren eher jung, wohnen oft urban und attestieren der Nachhaltigkeit einen hohen Wert. So brauchte es auch wenig Überzeugungsarbeit für die App. Laut der HR-Verantwortlichen wurde ihnen das Produkt "förmlich aus den Händen gerissen".
Aufgrund der IT-Checks und der steuerlichen Hintergründe brauchte es denoch ein paar Wochen, um das System zu installieren und unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekanntzumachen. "Wobei die App und der Support so einfach und schnell sind, das man im Grunde niemanden für die Nutzung schulen musste."
In regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen werden die Zufriedenheit und neue Ideen abgefragt. Vieles geht, aber längst nicht alles ist erlaubt. So wird bei Kearney die Übernahme der Benzinkosten bei privaten Mietwagen nicht toleriert und auch private Flugreisen sind über das Tool nicht erstattbar. Ansonsten reicht der App-Eintrag aus.
Infos jenseits des ausgelegten Geldbetrages wie Geodaten, werden von Mobiko weder erfasst noch ausgewertet. Wer möchte, kann wie Kearney Services wie die Prüfung der Belege an Mobiko auslagern, um intern keine Daten-Diskussion loszutreten. Dass die aktuelle Lage die Entwicklung hin zur flexibleren Mobilität verstetigt hat, kann Büsse bestätigen und weist gleichzeitig darauf hin, dass mit dem momentanen Angebot "noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist". Der nächste Schritt - hin zur betrieblichen Mobilität, also die Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeiten für weitere betriebliche Mobilitäts- sowie Dienstreiseausgaben - soll bei Mobiko folgen. Wann genau, wird sich zeigen. Aber auch hier gilt: Auf die Idee folgt das Machen.
- Ausgabe 06/2021 Seite 54 (281.2 KB, PDF)