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Reifen für Elektroautos: Warum jeder Pneu ein Kompromiss ist

17.09.2025 09:26 Uhr | Lesezeit: 2 min
Mit wachsender Erfahrung in Sachen E-Mobilität haben die großen Reifenhersteller die einstige E-Only-Strategie hinter sich gelassen.
© Foto: Continental

Ein Reifen für alles oder doch lieber Spezialisten? Das ist nicht einfach zu beantworten, aber eine Frage, die sich die Reifenentwickler für E-Autos stellten, hat sich inzwischen erledigt.

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Morgens im Entwicklungszentrum Contidrom bei Hannover: Drei identische BMW i4 drehen ihre Runden auf der streng abgeschirmten Teststrecke. Erst ein genauer Blick auf die Reifen offenbart einen Unterschied. Auf die sportlichen E-Limousinen sind jeweils verschiedene Fabrikate montiert, zwei davon speziell als „E-Reifen“ gekennzeichnet.

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Doch statt technischer Überraschungen folgt zunächst Ernüchterung: Trotz unterschiedlicher Label und großer Erwartungen liefern alle drei Reifen beim Rollwiderstandtest nahezu identische Werte. Im Mittelpunkt des Testtages steht deshalb nicht mehr die Frage nach maximaler Reichweite, sondern: Braucht ein modernes E-Auto einen eigens entwickelten Spezialreifen – oder ist das spezielle Etikett samt Aufpreis vor allem ein cleverer Marketing-Kniff?


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Der Glaube hält sich hartnäckig: Muss bei Elektroautos auch der Reifen neu gedacht werden? Die spezifischen EV-Label auf vielen neuen Reifen suggerieren das. Seit Mitte der 2010er-Jahre, mit Beginn der Elektromobilität, stellten viele Reifenhersteller Spezialprodukte für Stromer bereit, mit optimiertem Rollwiderstand, härteren Mischungen und besonders schmaler Laufflächen. Die spezielle EV-Kennzeichnung suggeriert technische Exklusivität – tatsächlich sorgt sie jedoch vor allem für einen stattlichen Aufpreis am Markt: Speziell als E-Auto-Reifen vermarktete Modelle können im Handel je nach Dimension und Hersteller bis zu 50 Prozent teurer sein als vergleichbare Standardreifen.

Das "Magische Dreieck" der Reifenwicklung

Mit wachsender Erfahrung in Sachen E-Mobilität haben die großen Reifenhersteller die einstige E-Only-Strategie hinter sich gelassen. Heute gilt: Ein guter Reifen muss die Anforderungen aller Antriebsarten gleichzeitig schultern. Denn im Kern geht es bei der Reifen-Entwicklung immer um denselben Spagat zwischen Rollwiderstand, Abrieb und Grip - das "Magische Dreieck" der Reifenwicklung. Ziehen die Ingenieure zu sehr an einer Ecke, reißt es an der anderen: "Mehr Nassgriff heißt mehr Rollwiderstand - wenn man den Reifen auf Effizienz trimmt und diesen Zielkonflikt in der Entwicklung nicht auflösen kann, rutscht man bei Regen auch mal schneller weg", bringt es Conti-Produktmanager Andreas Hemmann auf den Punkt.

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Das Dilemma ist nicht nur akademisch: Klar, Reifen sollen Sprit bzw. Strom sparen – aber sie dürfen dafür nicht an Sicherheit verlieren. Der zweite Praxistest auf dem nassen Kurs im Contidrom offenbart jetzt die Unterschiede: Ein auf niedrigen Rollwiderstand getrimmter Reifen kann einen bis zu zehn Meter längeren Bremsweg ausweisen. Während das eine Auto bereits steht, fährt das andere noch mit 40 km/h weiter. Ein fatales Sicherheitsrisiko. 

Reifen: klare Mindestanforderungen

Daher stellt die EU mittlerweile auch klare Mindestanforderungen für Nasshaftung. Entsprechende Label an der Reifenwand machen die wichtigsten Sicherheitsaspekte sichtbar – eingestuft in Klassen von A (beste Nassbremseigenschaft) bis E oder F (schwächste). Besonders anspruchsvoll wird der Zielkonflikt aus Effizienz und Haftung übrigens bei Ganzjahresreifen: Hier müssen die Pneus nicht nur reibungsarm und leise laufen, sondern zugleich bei Eis und Schnee Grip bieten – eine echte Herausforderung für jede Entwicklungsabteilung.

Neben der Verbrauchsoptimierung gewinnen auch Partikelemissionen (Stichwort Mikroplastik) und Laufleistung immer mehr an Gewicht – übrigens auch bei der anstehenden Euro 7-Norm, die ab Mitte 2028 für alle Neufahrzeuge klare Grenzwerte für Reifenabrieb und Langlebigkeit festschreibt.  

Reifen: Neue Gummiarten und raffinierte Kopplungsstoffe

Während das Etikett für Aufmerksamkeit beim Reifenkauf sorgt, entstehen die eigentlichen Fortschritte im Material selbst. Die Zauberformel in den Laboren lautet: bessere Mischungen, intelligente Profilgestaltung und mehr nachhaltige Materialien. Neue Gummiarten und raffinierte Kopplungsstoffe im Laufflächengummi sorgen dafür, dass Rollwiderstand und Nasshaftung sich besser miteinander vereinbaren lassen als früher. 

Die Laborergebnisse werden dann zunächst digital mit dem Fahrsimulator gegengeprüft, ehe Prototypen gebacken werden. Das verkürzt die Entwicklungszeit, verringert die Zahl der Testzyklen und führt zu mehr Nachhaltigkeit bei der Fertigung. Im hochautomatisierten Entwicklungszentrum wie dem Contidrom wird so schon heute an den Reifen für eine nachhaltigere Mobilität von morgen gearbeitet.

Spezielle Reifen für Elektroautos?

Ganz ohne spezifische Anpassungen an E-Fahrzeugen geht es dennoch nicht. Das aufgrund der schweren Batterie höhere Gewicht von E-Autos, das enorme Drehmoment und der Wunsch nach leisen Innenräumen bringen besondere Herausforderungen: Reifen für Stromer sind besonders stabil, robust gegen Krafteinwirkung und geräuschoptimiert. Viele Elektroautos rollen ab Werk dabei auf besonders großen und tragfähigen Reifen, um das hohe Fahrzeuggewicht und die kräftigen Bremsen zu kompensieren.

Das treibt die Kosten für Ersatz und Wechsel zusätzlich nach oben. „Elektro-Antrieb oder klassischer Verbrenner - an den Grundregeln ändert sich nichts: Es geht darum, die Charakteristik des Fahrzeuges ideal zu unterstreichen. Dem Reifen ist es dabei egal, welche Antriebsart das Auto hat“, so Conti-Experte Hammann. Für Verbraucher zählt daher beim Reifenkauf weniger das Label, sondern viel mehr die ausgewogene Performance – nicht nur für E-Autos, sondern für alle modernen Fahrzeuge. 

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