KGM kennen nach wie vor noch weniger Menschen als Ssangyong. Letztere waren die Koreaner, die seit Anbeginn ihrer automobilen Ära im Jahr 1954, kurz nach dem Koreakrieg, vor allem militärische Fahrzeuge für die (seit Ende des 2. Weltkriegs) US-Besatzung produzierten. Der Markenname Ssangyong kam Mitte der 1980er-Jahre ins Spiel. In den 90ern nutzte Ssangyong Motoren von Mercedes-Benz und produzierte designtechnisch interessante Fahrzeuge. Zwischendurch kaufte Daewoo (manche erinnern sich) Ssangyong und auch die Inder (Mahindra) hatten mal den Daumen drauf. 2020 meldete Ssangyong Insolvenz an und rund zwei Jahre später kam der koreanische Mischkonzern „KG“ ins Spiel, der 2023 den Markennamen von Ssangyong in KG Mobility (KGM) änderte.
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Ssangyong ist Geschichte, doch die Ära der Koreaner geht unter neuer Flagge weiter und es gibt noch Bekannte im Programm. KGM Tivoli und KGM Actyon sind nur zwei der derzeit acht Modelle, die in Deutschland zu haben sind. Nun kommt das neunte und mit Sicherheit exklusivste Modell von KGM, der Pick-up Musso EV. Den Musso gibt es seit 2002 als SUV und Pick-up bei Ssangyong und so auch bei KGM. Allerdings hat er mit dem Musso EV nur den Namen gemein. Der Musso ist alte Welt, der Musso EV demonstriert die neue Welt und teilt sich viel mit dem SUV KGM Torres EVX.
KGM Musso EV

Hier kommt die Supernische: der KGM Musso EV
Aber Moment mal: elektrischer Pick-up? Das liest sich wie die Nische in der Nische. Oder aus deutscher Sicht: die Meganische in der Supernische. Wer fragt nach Elektro-Pick-ups? Nun ja, wir können ja mal bei Maxus gucken. Die Chinesen bieten seit zwei Jahren den ersten E-Pick-up in Europa und Deutschland an. Maxus T90 EV heißt er, klingt nach Terminator, sieht aber eher nach Temu aus. Beim Maxus passen moderne Elektrotechnik und sein Oldschool-Pick-up-Design nicht zusammen. Das dürfte ein Grund sein, warum der Maxus T90 EV bei uns seltener auf den Straßen rollt als ein Rolls Royce Spectre (der EV-Rolls ist das). Ein weiterer Grund für die Kaufzurückhaltung ist ein ähnlicher wie bei Rolls Royce: Nun will Maxus keine 400.000 Euro vom Kunden, wie die Briten, aber auch die verlangten 65.000 Euro sprengen den Rahmen vieler Pick-up-Käufer, die für unter 50.000 Euro perfekte Arbeitstiere bekommen, die viel schleppen und anhängen dürfen und sich über Dauereinsatz freuen. All das kann der Maxus T90 EV nicht. Und genau da tritt der KGM Musso EV auf den Plan.
KGM Musso EV: Der bessere Elektro-Pick-up
Zuerst einmal: Der Koreaner, der in Korea produziert wird, sieht für ein Pick-up lässig aus. Scheinwerfer, Motorhaube und ein Teil des Greenhouses übernimmt er vom KGM Torres EVX. Hinten tut sich eine robuste Ladefläche auf, die jedoch nur mit 500 Kilogramm beladen werden darf (Zuladung insgesamt liegt bei 905 Kilogramm). Die kleinen 17-Zoll-Räder sehen im ersten Moment ungewohnt aus, im zweiten harmonieren sie ganz gut. Optisch gehört der 5,16 Meter „kompakte“ Musso EV eher zu den coolen in der Klasse.
Das Gefühl von Coolness umhüllt einen auch im Innenraum. Nichts wirkt hier pick-up-mäßig. Feine Sitze mit Verstellmöglichkeiten in alle Richtungen (die Kopfstütze hat sogar eine Horizontalverstellung), tolle Materialien und saubere Passungen. Das Platzangebot ist sogar für fünf Personen gut. Die hinteren Sitze können in der Neigung verstellt werden und an der Innenseite des Beifahrersitzes gibt es eine Bedieneinheit zum elektrischen Justieren des Beifahrersitzes – von hinten also, falls mal ein Chauffeur am Volant sitzt. Kein Wunder, stammt das Dashboard ebenfalls vom Torres EVX.
KGM Torres EVX Test (2025)

Musso-Neulinge werden sich aber – wie so oft mittlerweile – fragen: wie bediene ich das Ding? Einfuchsen, durchwühlen und Abläufe merken lauten auch hier die Punkte, die es zu beachten gilt. Am Ende findet man dann doch (fast) alles. Auf die Favoritentaste im Lenkrad kann man seine Lieblingsfunktion speichern – freilich nicht alle, aber vielleicht passt die Vorauswahl. Shortcuts, beispielsweise zum schnellen Abstellen der Gesichtsüberwachung, haben wir nicht gefunden. Die pfeift einen bereits lautstark zusammen, wenn man sich mal eine Sekunde länger in die Tomtom-Navi-Logik verguckt. Koreaner sind in diesem Punkt eben Asiaten und aus Euro-Sicht hypernervös. In etwa so, wie wenn der große Boss im Raum ist. Nur sind dann alle mucksmäuschenstill – die Metapher passt dennoch.

Der Preis des KGM Musso EV ist heiß
Wir drücken den Startknopf und setzen die 2,17-Tonnen-Fuhre in Bewegung. Wir sind übrigens in der Frontantriebsversion unterwegs, die es zum Sparpreis ab 42.000 Euro (in Korea startet er bei umgerechnet 30.000 Euro) gibt – brutto wohlgemerkt. Und nun nochmal kurz ein Blick zum Chinesen … 23.000 Euro kostet der mehr. Puhhh, da wird „Made in China“ es schwer haben. Aber Obacht, so viel sei vorweg erwähnt: Ohne China kommt auch Korea nicht aus. Also losrollen.
Mit 207 Frontantriebs-PS macht der KGM Musso EV seine Sache gut. Der Antritt ist elektrisch-spontan, ab 100 km/h wird der Pick-up müde. Dennoch schaukelt er sich bis zur Topspeed von 162 km/h auf – reicht vollkommen. Der Maxus schafft es mit 177 PS auf Tempo 120 – Gäääähhhnnn. Mit Allrad gibt der Musso EV das Doppelte her. Bei der Leistung. Bei der Geschwindigkeit legt er nochmals 15 km/h drauf (177) und beim Gewicht macht der Extramotor ein Plus von 120 Kilogramm. Für unwegsames Terrain ist er alternativlos (Maxus nur mit Heckantrieb), wenngleich sich an der geringen Bodenfreiheit von 18 Zentimetern nichts ändert, ebenso wenig an der Anhängelast von 1,8 Tonnen. Allrad kostet beim KGM Musso EV 4.000 Euro und 3 kWh Strom alle 100 Kilometer mehr. Zwischen 380 und 420 Kilometer weit sollen die elektrischen Musso nach WLTP kommen. Auf den ersten 150 Testkilometern bewegten wir uns knapp unter dem WLTP-Wert von 23 kWh für den Fronttriebler.
Beim Fahren fällt wiederum auf, dass man in einem Pick-up unterwegs ist. Der Musso EV lenkt sich mit Frontantrieb sehr indifferent und schwerfällig. Das Fahrwerk ist von der nachtragenden Sorte – agiert mit Beladung eventuell besser. Agil ist sowieso anders, aber eben auch keine Anforderung an einen Pick-up.