Streit an der Zapfsäule
Kunde versus Betreiber | Wer haftet für Bedienungsfehler, wie verteilen sich Rechte und Pflichten an der Tankstelle? Acht Situationen rund ums Tanken, in denen es zu Streitfällen kommen kann.
— Tanken, ein alltäglicher Vorgang, möchte man meinen. Betrachtet man die Rechtsprechung, wird sehr schnell deutlich, dass auch das Befüllen eines Wagens mit Kraftstoff großes Potenzial für Streitigkeiten in sich birgt.
1. Falsches Betanken | Falschtanken kann gravierende Folgen haben. Im schlimmsten Fall ist der Motor des Fahrzeugs defekt. Konnte man bisher nur Benzin mit Diesel oder umgekehrt verwechseln, so muss man nun auch noch E5 und E10 beachten. Hierbei handelt es sich um ein Benzin mit 95, 98 oder 100 Oktan, dem mindestens fünf Prozent (E5) oder zehn Prozent (E10) Bioethanol beigemischt wurde. Nicht jedes Auto verträgt dabei E10. In jedem Fall sollte der Kraftstoff, der falsch getankt wurde, sofort nach Bemerken wieder abgepumpt werden.
Doch wer trägt die Kosten für Schäden durch Falschtanken? Die Versicherungen beschreiben falsches Tanken als eine Fehlbedienung. Damit zahlt die Kasko-Versicherung den Schaden nicht, egal, ob es beim Abpumpen und Entlüften des Systems bleibt oder gar ein kompletter Motorschaden vorliegt. Je nach Versicherungsunternehmen werden die Abschleppkosten in die nächste Werkstatt übernommen, weitere Reparaturkosten muss der Halter selbst tragen.
Eine anteilige Mithaftung des Tankstellenbetreibers kommt nur dann in Betracht, wenn dieser seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Das kommt, wenn überhaupt, nur durch Verletzung von Kennzeichnungspflichten vor.
Kunden kritisieren häufig die Verwechslungsgefahr der Kraftstoffbezeichnungen und die irritierende Anordnung der Zapfsäulenbatterien. In aller Regel lehnt die Rechtsprechung eine Haftung der Tankstellenbetreiber für die Falschbetankung durch Kunden grundsätzlich mangels einer Verletzung von Schutz- und Kennzeichnungspflichten ab. Insbesondere kann im Regelfall der Beschilderung an den Zapfsäulen sowie den Aufklebern auf den Zapfpistolen entnommen werden, welche Kraftstoffart respektive -qualität getankt wird (OLG Hamm, DAR 2009, 524). Bloße Unachtsamkeit der Kunden geht nicht zu Lasten der Tankstellenbetreiber.
2. Lösen eines Zapfhahnes | Wenn sich an der Zapfsäule nach dem Abstellen des Autos ein Zapfhahn löst oder sich während des Tankvorgangs ein Zapfhahn aus der Zapfsäule löst und einen Schaden am Fahrzeug verursacht, hat der Kunde gute Chancen, diesen ersetzt zu bekommen.
Scheidet ein Fehlverhalten des Kunden aus, so haftet der Tankstellenbetreiber nur dann, wenn er schuldhaft seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Allein diese Aussage macht deutlich, dass eine Auseinandersetzung zwischen Autofahrer und Tankstellenbetreiber vorprogrammiert ist.
Nach Ansicht der Rechtsprechung – die im Übrigen bei der Beurteilung derartiger Fälle keineswegs einheitlich ist – kann sich der Tankstellenbetreiber nicht pauschal mit dem Hinweis entlasten, dass es sich um eine voll automatisierte Tankanlage handelt, die dem Stand der Technik entspricht.
Eine Haftung der Tankstelle wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Zapfpistole nur aus der Halterung lösen konnte, weil sie von einem vorherigen Kunden nicht ordnungsgemäß eingehängt wurde. Das Risiko eines Fehlverhaltens anderer Nutzer liegt grundsätzlich beim Betreiber und nicht beim Kunden.
Der Betreiber, der die Vorteile aus der Automatisierung des Tankvorgangs (geringere oder keine Personalkosten) zieht, muss damit auch für eine Fehlbedienung durch einen Kunden haften und kann sich nicht darauf berufen, dass derartige Schäden dem allgemeinen Lebensrisiko anderer Kunden zuzurechnen sind (AG Ingolstadt, DAR 2008, 95).
3. Herausfallen der Zapfpistole | Der Tankstellenbetreiber haftet jedoch grundsätzlich nicht für Beschädigungen des Fahrzeuges, die durch das Herabfallen des Zapfhahnes aus der Tanköffnung entstehen. Der Kunde muss damit rechnen, dass sich der Zapfhahn beim automatischen Betanken aus der Tanköffnung lösen kann, wenn er nicht festgehalten wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Tanköffnung auf der von der Zapfsäule abgewandten Seite befindet und der Schlauch über das Heck gezogen wird. Hier erwartet die Rechtsprechung vom Kunden, dass er sich nicht ohne Weiteres auf die Technik verlässt, sondern den Vorgang selbst überwacht und den Zapfhahn festhält (z.B. AG Münsingen, DAR 1999, 555).
4. Annahmeverweigerung von großen Scheinen | Viele Tankstellen verweigern die Annahme von großen Geldscheinen. Weist die Tankstelle schon an ihren Zapfsäulen darauf hin, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Es besteht Vertragsfreiheit, die die Rechtsprechung höher bewertet als die Akzeptanz des gesetzlichen Zahlungsmittels.
Hat der Tankstellenbetreiber allerdings vorher nicht auf eine derartige Vertragseinschränkung hingewiesen, gerät er in Annahmeverzug, wenn der Kunde erst getankt hat und bei der Bezahlung mit seinem zum Beispiel 500-Euro-Schein abgewiesen wird. Der Betreiber muss dann für Mehraufwendungen des Kunden aufkommen, die diesem entstehen, um die Rechnung zu begleichen, beispielsweise für doppelte Fahrtkosten.
5. Keine Kartenzahlung möglich | Nach dem Gesetz muss der Kunde grundsätzlich in bar bezahlen. Akzeptiert die Tankstelle jedoch ausdrücklich auch die Kartenzahlung, so muss sie nach zum Teil vertretener Ansicht in besonderen Situationen, beispielsweise einem Ausfall des Kassensystems, auch auf die damit verbundene Vertragseinschränkung hinweisen.
Der Betreiber muss in diesem Fall bereits an der Zapfsäule entsprechende Hinweise anbringen, damit der Kunde sich entscheiden kann, ob er dennoch tankt – und damit eine Barzahlung akzeptiert. Rechtsprechung ist zu diesem Thema jedoch bislang – soweit ersichtlich – nicht ergangen.
6. Preisänderungen zwischen Ankunft und Tankvorgang | Kraftstoffpreise ändern sich mitunter mehrmals täglich. Es kommt daher immer wieder vor, dass Kunden nach dem Einfahren in die Tankstelle bemerken, dass der ausgewiesene Preis nicht mit dem an der Zapfsäule angegebenen übereinstimmt. Der Kunde wird durch vermeintlich günstige Preise „angelockt“, nimmt häufig längere Wartezeiten in Kauf und stellt dann fest, dass er einen höheren Betrag bezahlen muss.
Nach § 8 der Preisangabenverordnung (PAngV) sind Kraftstoffpreise an Tankstellen so auszuzeichnen, dass sie für den auf der Straße heranfahrenden Kraftfahrer deutlich lesbar sind. Dabei sind nach § 1 Abs. 1, 6 PAngV die Endpreise anzugeben, einschließlich Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. Es besteht dabei nicht nur eine Pflicht zur formalen Preisangabe, sondern auch zur Wahrheit des Deklarierten. So müssen die ausgewiesenen Preise auch die tatsächlich verlangten sein.
Andernfalls könnte sogar eine Irreführung des Verbrauchers vorliegen. Bisher wurde jedoch die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Tankstellen verpflichtet sind, die Werbetafeln, die den Kunden anlocken, umzustellen, von Gerichten nicht abschließend geklärt.
Für die Frage, welchen Preis der Verbraucher zu bezahlen hat, ist ohnehin allein ausschlaggebend, zu welchen inhaltlichen Bedingungen ein Vertragsschluss zustande gekommen ist und nicht, ob ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung vorliegt.
Die Problematik mit den Werbetafeln ist rechtlich mit den Preisangaben in einem Schaufenster vergleichbar. Im Allgemeinen wird angenommen, dass es sich bei der Auszeichnung im Schaufenster noch nicht um ein verbindliches Angebot handelt, sondern nur um eine Einladung zum Kauf. Der Kunde wird damit eingeladen, selbst ein Kaufangebot abzugeben (invitatio ad offerendum). Erst die Bezugnahme des Kunden auf die Ware im Schaufenster stellt damit ein verbindliches Kaufangebot dar, das der Verkäufer annehmen oder ablehnen kann.
Das bedeutet, dass der Kunde ein Kaufangebot abgibt, indem er den Zapfhahn abhebt. Er entscheidet sich für das Tanken zu dem an der Zapfsäule angegebenen Preis und richtet ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages an den Betreiber. Der nimmt dieses Angebot konkludent an, indem der Kraftstoff in den Tank des Kundenfahrzeuges zu fließen beginnt. Der vertraglich vereinbarte Preis ist daher der an der Zapfsäule angegebene und nicht der an der Standarte ausgewiesene. Ein formaljuristisch korrekter – wenn auch verwirrender – Erklärungsansatz.
7. Wegfahren ohne Bezahlung | Bleibt noch die Frage, was geschieht, wenn der Kunde – versehentlich oder absichtlich – ohne Bezahlung der Tankrechnung davonfährt. Der BGH hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 (Az. VIII ZR 171/10) entschieden, dass Kunden, die eine Selbstbedienungstankstelle ohne Bezahlung der Rechnung verlassen, die angefallenen Kosten zur Ermittlung ihrer Person als Verzugsschaden zu erstatten haben.
Der Kunde, der nicht bezahlt, gerät bereits mit Verlassen des Tankstellengeländes mit seiner Zahlungspflicht in Verzug. Nach Ansicht des BGH ist eine verzugsbegründende Mahnung durch den Betreiber nicht notwendig, weil es für Kunden einer Selbstbedienungstankstelle selbstverständlich ist, die Rechnung unverzüglich zu begleichen.
Als Ermittlungskosten wurden im Fall des BGH Detektivkosten in Höhe von 137 Euro, eine Auslagenpauschale von 25 Euro und vorgerichtliche Anwaltsgebühren von 39 Euro als angemessen angesehen.
8. E10-Problematik | Die Kraftstoffanbieter werden gesetzlich verpflichtet, neben E10-Kraftstoff auch Kraftstoff mit E5-Qualität weiterhin anzubieten. Art. 3 Abs.3 Satz 1 der Richtlinie 98/70/EG (geändert durch die Richtlinie 2009/30/EG) verlangt zwar nur ein verpflichtendes Anbieten bis 2013. Die im nationalen Recht enthaltene Bestandsschutzsortenregelung (§ 3 Abs. 2 und 3 der 10. BImSchV) gilt jedoch – jedenfalls bis auf Weiteres – zeitlich unbefristet.
Die Kraftstoffanbieter werden daher durch die Bestandsschutzsortenregelung zeitlich unbefristet verpflichtet, auch nach 2013 noch Kraftstoff mit E5-Qualität deutschlandweit an jeder Tankstelle – von wenigen Ausnahmen abgesehen – anzubieten.
Es hat sich bei der Markteinführung von E10 seit Ende Januar 2011 gezeigt, dass Super E10 zum bisherigen Preis des herkömmlichen Super E5 angeboten wird. Gleichzeitig wird Super E5 zum gleichen Preis wie Super Plus E5 vertrieben beziehungsweise es wird nur noch Super Plus E5 mit 98 Oktan als Bestandsschutzsorte angeboten.
Sollte ein Schaden am Fahrzeug eintreten, obwohl der Hersteller eine Freigabe für E10 erteilt hat, kommt ein Anspruch gegen den Hersteller entweder aus der Produzentenhaftung oder aus einem selbstständigen Garantieversprechen in Betracht. Zuvor wäre allerdings der Nachweis zu führen, dass entgegen der Herstellerfreigabe das Fahrzeug durch die E10-Betankung zu Schaden gekommen ist.
Soweit nur vereinzelt Fahrzeuge betroffen sind, ist dieser Nachweis technisch kaum zu führen. Nachdem mit dem derzeitigen E5-Kraftstoff bereits der potenziell schädliche Bioethanol im Sprit enthalten ist, wäre ein technischer Beweis erforderlich, dass die Erhöhung des Bioethanol-Anteils auf zehn Prozent die alleinige Schadensursache darstellt. Erst wenn eine Vielzahl gleicher Modelle von demselben einschlägigen Schadensbild betroffen ist, wird der technisch notwendige Nachweis erleichtert.
Motorschaden durch E10 | Die Beweisbarkeit unterstellt, käme zunächst ein Anspruch gegen den Hersteller wegen Verletzung seiner Instruktionspflichten in Betracht. Im Gegensatz zur Produkthaftung umfasst die Produzentenhaftung auch den Mangelschaden, sodass ein Motorschaden durch E10 aufgrund einer Instruktionspflichtverletzung vom Umfang des Schadensersatzes erfasst ist. Zwar ist für den Anspruch auch ein Verschulden des Herstellers erforderlich, dieses wird aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung faktisch vermutet. In der Verbindlicherklärung der DAT-Liste zur E10-Verträglichkeit der Fahrzeuge ist ein selbstständiges Garantieversprechen gegeben. Damit ist diese Anspruchsgrundlage von einem Verschulden unabhängig. | Dr. Michael Ludovisy
Fahrverbote | Parallelvollstreckung nach § 25 II StVG
– Mehrere Fahrverbote, auf die nicht die Regelung des § 25 II a StVG Anwendung findet, werden parallel vollstreckt. Beide Fahrverbote werden auf der Grundlage des § 25 II StVG im Rahmen eines Bußgeldverfahrens verhängt. Danach wird das Fahrverbot mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam. Eine dem § 25 II a StVG entsprechende Regel hat der Gesetzgeber in § 25 II StVG ausdrücklich nicht aufgenommen. Demzufolge sind mehrere Fahrverbote nach § 25 II StVG in der Regel nebeneinander zu vollstrecken. Dass letztlich nur die heutige Regelung in § 25 II a StVG Gesetzeskraft erlangt hat, zeigt, dass der Gesetzgeber die Parallelvollstreckung in den Ausnahmefällen, in denen eine Parallelvollstreckung durch gleichzeitige Rechtskraft gemäß § 25 II StVO entsteht, tolerieren wollte. An den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hat sich die Rechtsprechung zu halten, auch wenn diese Regelung nicht sinnvoll erscheint.
AG Dillenburg, Az. 3 OWI-2 JS 60458/11, ADAJUR-Archiv
Pick-ups | Pkw oder Lkw?
– Bei Pick-ups mit Doppelkabine ist typisierend davon auszugehen, dass diese Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht. Bei Pick-ups, deren Ladefläche größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche ist, erfolgt die Abgrenzung nach den allgemeinen Kriterien. Überwiegt die Ladefläche die Fläche zur Personenbeförderung nur unwesentlich, kann davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zur Lastenbeförderung bestimmt ist. In die Berechnung der Ladefläche sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören regelmäßig auch Ausbeulungen in den Laderaum, zum Beispiel für Radkästen, die aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche genutzt werden können.
BFH, Az. II R 7/11, ADAJUR-Archiv
Dachlawinen | Keine Pflicht zur Reinigung eines Hausdachs ohne Schneefanggitter
– Es gilt keine allgemeine Verkehrssicherungspflicht dahingehend, dass Schneefanggitter ab einer bestimmten Dachneigung zu installieren sind und dass bei Tauwetterbeginn Dächer von Schnee und Eis zu befreien sind. Eine derartige Verpflichtung wäre, wenn sonstige besondere Umstände nicht vorliegen, viel zu weitgehend. Sie liefe darauf hinaus, dass bei starkem Tauwetter nahezu jeder Eigentümer eines Hauses, das an öffentliche Verkehrsflächen grenzt und das nicht mit einem Flachdach ausgestattet ist, das Dach von Eis und Schnee reinigen lassen muss.
OLG Oldenburg, Az 4 U 35/12, MDR 2012, 1339
Arglistige Falschangabe | Leistungsfreiheit einer Versicherung
– Eine Versicherung ist leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer auf dem Diebstahlsfragebogen bezüglich eines Fahrzeugdiebstahls bewusst wahrheitswidrig angibt, zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt zu sein.
LG Dortmund, Az 2 O 30/12, SP 2012, 408
Nutzungsausfallersatz | Dauer und Umstände des Anspruchs
– Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für ein beschädigtes Fahrzeug kann sich auch auf eine Dauer von über 15 Monaten erstrecken, wenn die Ausgleichszahlung der gegnerischen Versicherung erst nach Beendigung eines Prozesses über Haftungsquoten und Schadenshöhe vorgenommen wird und dem Geschädigten eine Ersatzbeschaffung aus eigenen finanziellen Mitteln nicht möglich war und er dies der Gegenseite auch mitgeteilt hat. Es ist anerkannt, dass der Eigentümer eines privat genutzten Pkw einen Schadensersatzanspruch hat, wenn ihm die Nutzung des Fahrzeugs zeitweise unmöglich gemacht wird.
LG Hamburg, Az. 302 O 265/11, NJW 2012, 3191
Neuwagenkauf | Rücktrittsberechtigung bei Sachmängeln
– Ein Neuwagen, der Lackkratzer an mehreren Fahrzeugteilen aufweist, ist auch dann mangelhaft im Sinne des § 434 I S. 2 Nr. 2 BGB, wenn es sich nicht um Unfall-, sondern um bloße Transportbeschädigungen handelt, die über einen Bagatellschaden hinausgehen.
LG Saarbrücken, Az. 3 O 356/11, ADAJUR-Archiv
Merkantiler Minderwert | Anspruch auf Ersatz bei älterem Fahrzeug
– Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat auch bei einem älteren Fahrzeug – im entschiedenen Fall 6,5 Jahre – mit einer hohen Laufleistung (111.021 km) einen Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts gegen den Schädiger. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung sich ein Unfall nachteilig auf die Preisbildung bei einem Verkauf auswirkt. Denn auch beim Verkauf älterer Fahrzeuge pflegt ein Käufer nach der Unfallfreiheit zu fragen und erwartet einen deutlichen Preisnachlass, wenn das Fahrzeug Vorschäden aufweist.
OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 149/11, SP 2012, 407
Rechts vor links | Nicht auf Parkplätzen ohne Fahrbahnmarkierungen
– Die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ gilt auf Parkplätzen nur, wenn die einander kreuzenden Verbindungswege hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrsführung im Wesentlichen gleichartige Merkmale aufweisen, die den Straßencharakter der Fahrbahn klar und unmissverständlich wiedergeben.
Das Gericht sieht die Betriebsgefahren der Fahrzeuge nach § 17 III StVG als gleichwertig an. Auf Parkplätzen markierte Fahrspuren sind grundsätzlich keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deswegen keine Vorfahrt. Allein das Vorhandensein von Fußgängerüberwegen gibt dem übrigen Parkplatz nicht den Charakter eines geregelten Straßenverkehrs.
LG Detmold, Az. 10 S 1/12, ADAJUR-Archiv
- Ausgabe 2/2013 Seite 64 (3.2 MB, PDF)