Schwarz - seit Jahrhunderten gilt diese Farbe als Sinnbild für Tod, Trauer und Abschied. Sie dominiert traditionell nicht nur Kleidung und Rituale, sondern auch die Fahrzeuge, mit denen Verstorbene ihre letzte Reise antreten. Doch diese Konvention beginnt sich in den letzten Jahren aufzulösen. Immer mehr Bestattungsunternehmen setzen auf andersfarbige Leichenwagen: zunächst vorsichtig in Weiß, Grau, Silber, Gold, Anthrazit oder sanften Pastelltönen.
Manche andere aber auch in Grün, Rot oder Himmelblau. Dieser Wandel ist eher in Städten sichtbar. Dort zeigen sich viele Menschen offener gegenüber einem weniger düsteren Umgang mit dem Tod. Die Wünsche der Hinterbliebenen verändern sich: Ein Abschied soll das Leben der Verstorbenen widerspiegeln - individuell und nicht selten farbenfroh. Zudem gibt es kein Gesetz, das eine bestimmte Kolorierung vorschreibt. Die Wahl der Fahrzeugfarbe bleibt hier rechtlich flexibel.
Bestatter setzen bei Leichenwagen auf Farbe
Wie sich dieser Trend in der Praxis zeigt, erklärt Tobias Göck, Gründer und Geschäftsführer der Trauerhilfe Göck in Speyer. "Bei uns ist nichts schwarz, noch nicht einmal die Tinte der Kugelschreiber." Das Unternehmen hat heute zehn Mitarbeiter, wurde 2013 gegründet und setzte von Anfang an auf Blau, "denn das ist meine Lieblingsfarbe, die wir in verschiedenen Tönen nutzen: dunkelblau, hellblau, mit Gold verziert, sehr edel. Wir waren noch nie schwarz und wollten das auch nicht sein."
Der Unternehmer berichtet weiter: "Im Gründungsjahr hatten wir einen alten gebrauchten Mercedes W124 (Baujahr 1987) mit einem Aufbau von der Bremer Firma Pollmann gekauft. Dieser war schon graublau und zweifarbig. Nachdem es damals viele positive Rückmeldungen wie ,Oh schön, nicht schwarz' gab, war klar: Das bleibt so. Ein Jahr später hatten wir den ersten Wagen bereits durch einen Mercedes W211 ersetzt und diesen komplett himmelblau foliert. Unsere Fahrzeuge und das Konzept ,Himmelblau' spielen in unserem Marketing eine große Rolle und wir sind dafür bekannt."
Das blieb nicht unbemerkt, wie Göck erzählt: "Es gab unterschiedliche positive Berichterstattungen, unter anderem in der SWR-Landesschau Rheinland-Pfalz, aber auch in Online-Magazinen. Zudem haben wir regelmäßig Konfirmantengruppen bei uns. Da hören wir schon mal bei Sterbefällen, dass die jungen Leute gesagt haben: ,Wir gehen zu dem mit dem himmelblauen Bestattungswagen'."
Tobias Göcks Leitsatz lautet daher: Den letzten Weg zu einem guten Anfang machen. Für die, die bleiben. Und danach handelt Göck und sein Team, "denn jeder Mensch ist individuell und einzigartig" - und dem wollen sie gerecht werden.
Derzeit hat Tobias Göck zwei Bestattungsfahrzeuge im Einsatz: einen Mercedes E 280 CDI (W211) mit einem Aufbau von Kuhlmann-Cars und einen Mercedes E 220 CDI 4Matic (W213) mit einem Aufbau von Pilato aus Nervesa, Italien, sowie Mitarbeiterfahrzeuge der Marken Skoda, VW und BMW.
Auch andere Unternehmen setzen auf Himmelblau: In München gibt es die gleichnamige Firma seit 2023. Gegründet wurde das Bestattungsinstitut 2012 in Österreich. Die Vision der Gründer Jacob Homan, Klemens Figlhuber und Georg Haas war und ist: "positive Abschiedsmomente zu schaffen und für alle Menschen ein kompetenter, verlässlicher und hochwertiger Partner zu sein", sagt Silvia Vertetics, die Leiterin der Kommunikation. "Heute ist Bestattung Himmelblau mit Standorten in Wien, St. Pölten und Graz das größte private Bestattungsunternehmen Österreichs und eröffnet in München demnächst zwei weitere Standorte." Aktuell zählt das Himmelbau-Team rund 120 Mitarbeiter.
Warum gerade Blau?
"Der Tod eines Angehörigen bedeutet eine Ausnahmesituation mit Trauer und Schmerz. Umso wichtiger ist es, dass sie in dieser Situation nicht nur Schwarz sehen. Blau steht in der Farbpsychologie für Vertrauen, Schutz, Zuversicht und Kraft und ist außerdem Teil unseres Firmennamens. Genau dafür steht das Himmelblau bei Bestattung Himmelblau", weiß Silvia Vertetics. "Daher steht unsere Fahrzeugflotte in Himmelblau symbolisch für einen neuen Zugang zur Bestattung: freundlich, würdevoll, zeitgemäß.
Den gesellschaftlichen Wandel bestätigt Christian Jäger, Geschäftsführer vom Bestatterverband NRW aus Düsseldorf: "Die Gesellschaft lässt seit einigen Jahren wesentlich individuellere Vorstellungen zu, was eine Bestattung betrifft. So sind auch die Akzeptanz und die Auffassung der Lackierung eines Bestattungsfahrzeugs offener geworden. Es obliegt jedem Bestattungsinstitut, die Farbe des Fahrzeuges selbst zu wählen."
Emphatischer Auftritt
Sympathisch auffallen war einer der Beweggründe, eine entsprechend lackierte Fahrzeugflotte zu etablieren. Ein weiterer Grund war, weniger Angst, Schrecken oder Düsterheit zu verbreiten, wenn die verstorbenen Personen abgeholt werden. "Unser Ziel war nie Provokation, sondern ein zeitgemäßer Zugang zu einem sensiblen Thema", betont Silvia Vertetics.
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"Viele verbinden Bestatter noch immer mit dunklen Anzügen und starrer Ernsthaftigkeit. Wir sind überzeugt: Ein offenes Lächeln, Empathie und moderne Kommunikation sind hier genauso wichtig wie Seriosität und Respekt."
Aktuell hat Himmelblau um die 30 Fahrzeuge im Fuhrpark: Peugeot Boxer, Mercedes-Benz Sprinter und den Fiat 500 für die Hausbesuche des mobilen Beratungsteams.
Vieles ist normiert
Neben Farbkonzepten spielt auch die technische Seite der Bestattungswagen eine Rolle. So wie es kein Gesetz zur Lackierung gibt, gibt es auch keins, welches die Ausstattung eines Leichenwagens vorschreibt. Es gibt allerdings eine DIN-Norm (75081), die Anforderungen an Ausstattung, Hygiene, Aufbau und Ladesicherheit stellt, an die sich die Hersteller und Umbaufirmen halten müssen.
Die Norm definiert Prüfkriterien für folgende Bereiche: Trennwand (muss fest und luftdicht sein, Geruchsübertragung verhindern und den Fahrer schützen), Geruchs- und Hygieneschutz (Sargraum muss aus Materialien bestehen, die leicht zu reinigen und zu desinfizieren sind), Ladungssicherung (Sarg, Urnen, Kränze müssen während der Fahrt sicher fixiert sein) und Beladehilfen sowie ein ergonomischer Aufbau (Ausstattung mit Ausziehbühnen oder Schlitten, um den Sarg schonend ein- und auszuladen). Dazu gibt es noch weitere Kriterien zu den Türen und Klappen (robust und funktional) und der Innenraumgröße (mindestens 2,20 m lang).
Umgesetzt wird die DIN-Norm von spezialisierten Firmen, die Bestattungswagen anbieten. Dort können die Kunden ihren Wagen individuell konfigurieren, fertige Modelle kaufen, die natürlich nach der DIN-Norm umgebaut wurden, oder sich auch eigene Fahrzeuge umbauen lassen.
Zweifarbig ist möglich
Ulrich Kamps, Geschäftsführer der Bestattungswagen Hentschke GmbH & Co. KG, die 1991 gegründet wurde und heute 20 Mitarbeiter an zwei Standorten hat, bestätigt Blau als die Farbe, die am häufigsten aus den angebotenen Designs gewählt wird. Doch auch andere Kolorierungen wurden bereits angefragt. "Es gibt Wünsche nach Sonderlackierung, zum Beispiel zweifarbig oder eben von der reinen Herstellerfarbe abweichende Nuancen", so Kamps, der von keinen Geschichten gehört hat, dass wegen bunter Kfz mit Behörden oder Bürgern negative Erfahrungen gemacht wurden.
Farb-Abweichler
Mercedes-Benz Vito, V-Klasse und Ford Transit Custom sind die häufigsten Modelle bei Hentschke und auch er merkt, dass Bestattungsunternehmen offener für Farbalternativen werden. "Traditionell werden die Standardfarben gekauft. Ungefähr 3 bis 5 Prozent weichen von Schwarz, Silber, Grau oder Weiß ab, und nach meinem Kenntnisstand hat sich dieser Prozentsatz nicht wesentlich verändert."
Stefan Salzmann, Geschäftsführer Kuhlmann Cars (Gründung vor mehr als 30 Jahren, heute an vier Standorten präsent), sieht eine leicht höhere Zahl: "Zirka 5 bis 10 Prozent. Vor fünf oder zehn Jahren lagen die Werte noch bei unter fünf Prozent", und bestätigt, dass ein Trend zu erkennen ist. Laut Salzmann sind das Rot, Blau und seit gut einem Jahr vor allem Gold. Zweifarbige Fahrzeuge sind auch dabei. Die ausgefallenste Wahl bei Kuhlmann war Magenta-Metallic.
Buntes Königreich
Mit dem Bild eines Leichenwagens in Magenta-Metallic im Kopf lohnt es sich, über die Grenzen zu unseren Nachbarn zu schauen. Im Vereinigten Königreich bietet die Firma Green's Carriage Masters Bestattungswagen in Regenbogenfarben, im Union-Jack-Design, im Leopardengewand oder auch im "schlichten" Pink an. Diese ausgefallenen Vehikel werden dann von Unternehmen wie N. S. Wibberley Funerals gemietet und gehören so selbstverständlich zu deren Angebot wie auch die traditionellen Pferdekutschen. Die Tiere kommen dann allerdings in den herkömmlichen Farben Schwarz oder Weiß.
Mit verschiedenen Cadillac-Modellen geht es bei der Rotterdamer Firma Uitvaart Store sehr edel auf die letzte Reise. Limousinen in dunkelblau, rosé oder rot können gebucht werden, auch zwei Cadillac-Oldtimer stehen zur Auswahl. Interessant ist ebenfalls die Webseite der Firma Vos Uitvaart (vosuitvaart.nl). Das Angebot reicht vom weiß-hellblauen VW-Bus über einen bunt bemalten Cadillac bis hin zu Jeep-, Volvo- und Citroën-Oldtimern sowie einem Fiat-500-Leichenwagen. Da fällt die Wahl schwer - sofern man sich rechtzeitig Gedanken darüber macht …