Jeep Avenger 4Xe Overland: Bum-Tschak-Bum-Tschak

15.12.2025 14:03 Uhr | Lesezeit: 3 min
Der Jeep Avenger 4Xe Overland ist mit 36.000 Euro deutlich zu teuer.
© Foto: Michael Blumenstein

Jeep. Eine Marke, die Namensgeber für eine ganze Fahrzeugkategorie ist. Der Jeep Avenger versucht als Avenger 4Xe, Allradgefühle zu vermitteln. Teuer ist der 4X4-Spaß des ersten in Polen produzierten Jeeps dennoch, Bum-Tschak.

Vor genau 80 Jahren erschien der erste Jeep, der an "Otto Normalverbraucher" verkauft wurde. Zuvor waren die lediglich 3,30 Meter kurzen, zähen Allradfahrzeuge ausschließlich im militärischen Einsatz und speziell zum Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg konstruiert und produziert worden. Kolportiert wird oft, dass Jeep = Allradantrieb sei. Dem ist aber fast seit Beginn der Zivilfahrzeug-Produktion (1949) nicht so. Bereits damals gab es den ersten Jeep mit Hinterradantrieb – der jedoch noch Willys Station Wagon hieß. Die Marke Jeep startete 1950. Erkennungszeichen eines jeden Jeep ist seither der Kühlergrill mit den sieben "Rippen". Diese besitzt auch der Jeep Avenger, wenngleich nur noch angedeutet und ohne jegliche Funktion – Bum-Tschak.

Von außen repräsentiert der Jeep Avenger definitiv nicht das, was man unter einem Jeep versteht. Da kommt einem beispielsweise nach wie vor der Jeep Wrangler in den Sinn. Der Avenger ist der Filius im Programm, zumindest größenmäßig. Mit knapp 4,10 Metern ist er ein klassischer Vertreter des Kleinwagensegments mit all seinen Vor- und Nachteilen – Bum-Tschak. Seine durchaus noch markante Silhouette macht ihn für viele interessant und mit 6.348 Zulassungen (Ende November 2025) in Deutschland zum mit Abstand beliebtesten Jeep-Modell. 11.245 Jeep (fünf Modelle) wurden bis einschließlich November 2025 zugelassen.

Preislich startet der in Polen produzierte Zwerg bei 26.300 Euro (brutto). An Bord ist dann der bekannte Dreizylinder-Turbo mit 100 PS und Sechsgang-Handschaltung – passt zum 1,2 Tonnen leichten Fronttriebler. Unser Testwagen hört auf den Zusatz 4Xe. Dahinter verbirgt sich zum einen Mildhybridisierung (das "e") und zum anderen eine Art Allradantrieb (das "4X"). Kombiniert werden 4X und e mit einem DCT. Dabei handelt es sich um das mittlerweile omnipräsente Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe – Bum-Tschak. Ein Riemenstartergenerator befindet sich vorn am Motor angeflanscht. Er soll 29 PS generieren. An der Hinterachse befindet sich beim 4Xe ein unabhängig agierender Elektromotor. Er arbeitet entkoppelt vom Verbrenner und steuert per se nochmals 29 PS (und 88 Newtonmeter) bei, und zwar dann, wenn es benötigt wird.

Als Nominalleistung stehen dennoch "nur" 145 PS im Prospekt und 136 im Fahrzeugschein. Letzteres sind die bekannten Verbrenner-Pferde des 1.2-Turbo-Dreizylinders. 145 PS gibt es nur, wenn der Akku (0,42 kWh nutzbar) geladen ist. Aber Jeep garantiert, dass der Allradantrieb bei Bedarf jederzeit Vortrieb generiert. Der mit allem Klimbim ausgestattete Jeep Avenger 4Xe in der Top-Ausstattung "Overland" bringt es dann auf annähernd 1,5 Tonnen Leergewicht. Das könnte auch seinen Teil dazu beitragen, dass das Fahrwerk einen komfortabel-satten Eindruck hinterlassen hat. Beschwerden diesbezüglich werden ignoriert. Bum-Tschak.


Jeep Avenger 4Xe

Kurvenfahrt im Kreisverkehr mit einem rot lackierten Jeep Avenger Bildergalerie

Lohnt Allradantrieb im Jeep Avenger 4Xe?

Die Fahrleistungen sind aber nicht der Grund, warum man den "Allradler" kaufen sollte. Da reicht vermutlich fast allen der 110-PS-Mildhybrid inklusive Doppelkupplung. "Ersparnis": satte 5.600 Euro brutto, sofern man auch auf Ausstattung verzichtet. Den Avenger 4Xe sollte man sich gönnen, wenn häufig bei Schnee oder auf unbefestigten Wegen gefahren werden muss. Ein echter Allradantrieb ist der 4Xe dennoch nicht. Das spürt man bereits beim Beschleunigen aus dem Stand auf nasser Straße. Die Vorderräder bringen die 230 Newtonmeter nicht auf den Asphalt, die Hinterachse wird etwas zu spät mit Kraft beaufschlagt und die Elektronik regelt generell eher gemächlich – vor allem beim Abbiegen.

Ob das Gesamtsystem auch Schuld an der etwas unharmonischen Abstimmung des Doppelkupplungsgetriebes hat, ist nur zu vermuten. Die "Automatik" greift beim Anfahren oft ruppig ein, was den Leistungsüberschuss provoziert und den Avenger einen kleinen Satz nach vorn machen lässt. Im Stop-and-Go-Verkehr dotzt nicht selten der Kopf oft an die Kopfstütze, da sich der Antrieb nicht einig ist, ob er mit Benzin oder Strom fahren soll, und zu oft den Modus spürbar wechselt. All das wirkt unfertig. Und mindestens 36.000 Euro (den Avenger 4Xe gibt es nur in den Ausstattungslinien Upland und Overland) sind ein kräftiger Preis. Bum-Tschak.

Avenger 4X4 mit hohem Elektro-Anteil in der Stadt

Der Antrieb agiert dafür im "Dauerfahrbetrieb", beispielsweise auf der Landstraße oder Autobahn, astrein, kräftig und laufruhig. Auch die Windgeräusche sind für einen Kleinwagen erstaunlich niedrig. Lediglich das DCT muss manches Mal manuell überstimmt werden. Als störend empfanden wir rund um Tempo 130, der am meisten genutzten Geschwindigkeit auf Autobahnen, eine unangenehme Brummfrequenz vom Antrieb, die man bis in den Sitz spürt. Verbrauchstechnisch sind vom "Doppel-Mild-Hybrid" keine Wunder zu erwarten. Auf der Schnellstraße sind es eher knapp sieben Liter. In der City rollt der Avenger 4Xe dafür easy mit einer 5 vor dem Komma und in Tempo-30-Zonen sehr oft elektrisch. Eine Anzeige im Kombiinstrument gibt den gefahrenen E-Anteil in Prozent an. Nicht selten liegt der innerstädtisch im Bereich der 50-Prozent-Marke.

Nicht ganz fertig sind auch einige Assistenzsysteme. Wer den serienmäßigen ACC meiden möchte und lieber den Limiter setzt, muss beim Tempowechsel manuell in 5er-Schritten anheben oder absenken. Ein auf Knopfdruck ("Set") aktivierbares Limit der aktuellen Geschwindigkeit ist nicht möglich. Ebenfalls störend: Im Stau, beim Einhalten der Rettungsgasse (links, dicht an die Leitplanke fahren), poppt ständig die Grafik der Einparkhilfe großflächig im Touchmenü auf, begleitet von einem Parkpieper. Ein Wegklicken bringt Ruhe bis zum nächsten Detektieren der Leitplanke – Bum-Tschak.

Schön gelöst ist die Direkttaste zum Öffnen des Assistenzmenüs direkt unter dem Display. Mit vier Klicks sind Tempowarner und Spurhalteassistenten im Entspannungsmodus, mit dem fünften kommt man ins Hauptmenü zurück. Diese Taste befindet sich jedoch unmittelbar neben dem Warnblinkschalter – semioptimal. Doch diese Warntöne im Avenger sind wenig nervend. Fast unhörbar agiert die Ein-Zonen-Klimaanlage mit idealer Bedienleiste im Armaturenträger: eingängig, drückfreudig und gut gelöst. Ein daneben platzierter Drehregler macht die Musik laut oder leise. Noch weiter unten befindet sich die ungewöhnliche Bedienung des Doppelkupplungsgetriebes. Mittels vier separater Tasten werden die Fahrstufen aktiviert, das dauert vor allem beim schnellen Rangieren oft zu lang. Zeit lässt sich der Avenger auch fürs Motoranschmeißen. Wer flott nach dem Einsteigen den unbeleuchteten Startknopf findet und drückt, erntet oft die Anzeige "Schlüssel nicht erkannt" und macht das ein zweites und auch drittes Mal.

Währenddessen kann man es sich jedoch im Avenger-Gestühl gemütlich machen. Die Einstellbereiche sind groß genug und der Sitz ist per se komfortabel – für Kurzbeinige. Für Normalgewachsene ist die Sitzfläche zu kurz geraten. Beim gefahrenen Overland kostet Leder in Kombination mit Kunstleder 1.400 Euro. Das könnte man sich aber sparen, denn egal wo Leder verwendet wurde, alles fühlt sich nach Kunstleder an. Klar, wir sitzen im Kleinwagen – jedoch zum Preis eines vernünftig ausgestatteten Kompaktklasse-Autos. Daher fällt auch das Plastik im Interieur mehr auf, als wenn man die Basisversion für rund 10.000 Euro weniger bestellt hätte. Und mittlerweile beweisen Renault, BYD, Leapmotor und einige andere (chinesische) Hersteller, dass es auch anders klappen kann. Qualitätsempfinden kann auch gesteigert oder gesenkt werden, in dem man beispielsweise das Scheibenwischwasser sauber über das Dach ablaufen lässt. Beim Jeep Avenger fließt es jedoch direkt über die Seitenscheibe beim Fahrer nach hinten und behindert damit – vor allem im salzigen Winter – die Sicht.

Foto der Rückbank des Jepp Avenger mit Leder
Viel Platz gibt es im Jeep Avenger nicht. Die Rückbank taugt für kleine Menschen.
© Foto: Michael Blumenstein

Bum-Tschak im Jeep Avenger

Kleinwagen ist auch das Stichwort beim Platzangebot im Fond. Sitzt vorn ein ausgewachsener Mitteleuropäer, wird es hinten echt eng. Der "Fake-Allrad" kostet übrigens auch Platz im Kofferraum – 55 Liter, um genau zu sein. Es verbleiben mickrige 325. So kann man den Jeep Avenger vor allem Leuten ans Herz legen, die einen markanten Kleinwagen fahren möchten. Wer den Handschalter wählt, bekommt dank wählbarer Basisausstattung einen pfiffigen Kleinwagen zum fairen Kurs. Der Jeep Avenger 4Xe ist eher für Fans und auch dann noch teuer. Bum-Tschak.

Kommen wir zum Ende und zur Auflösung des achtmal erwähnten Bum-Tschak (jetzt neunmal). Wer blinkt, hört im Jeep Avenger eine Art "Kick-Snare-Backbeat" oder einfach: Bum-Tschak-Bum-Tschak-Bum-Tschak. Es gibt aktuell wohl keinen Blinkerton im Automobilbau, der mehr nervt. Wir haben diesbezüglich eine nicht repräsentative Umfrage unter acht, Bum-Tschak, Menschen gemacht. Nicht einer sagte: "Hört sich klasse an." Und wer ab jetzt Avenger fährt, wird Bum-Tschak nicht mehr aus dem Ohr bekommen. Danke, Jeep.


Jeep Avenger 4Xe Overland

Testwagenpreis: 39.670 € (brutto)
R3/1.199 cm3
Systemleistung: 107 kW/145 PS 230 Nm ab 1.750 U/min
6-Gang-DKG | 194 km/h | 9,5 s 
WLTP: 5,4 S | 123 g/km
Effizienz: D
Maße: 4.088 x 1.808 x 1.541 mm
Kofferabteil: 325–1.218 Liter
Versicherung: HK 18 | VK 23 | TK 19
Wartung: 25.000 km/jährlich
Garantie: 2 Jahre




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