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Experten-Kolumne: Sharing 2.0

18.03.2024 14:56 Uhr | Lesezeit: 3 min
Stephan A. Jansen
Stephan A. Jansen schreibt hier in seiner Kolumne "Neue Fahr-Lässigkeit" – wissenschaftlich, bissig, humorvoll oder eben: autonom, elektrisierend und rasant. Für weitere Analysen empfiehlt sich das Buch von Stephan A. Jansen und Co-Autorin Martha Wanat im Hanser Verlag (2022): "Bewegt Euch. Selber!".
© Foto: Privat

Warum wir das bisherige Sharing und dessen Angebote nochmals überdenken müssen - und die Fuhrparks nun selbst ernst machen werden.

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In allen Bereichen der geteilten Mobilität war die Stimmung "heiter bis wolkig" - und zwar genau in dieser Reihenfolge. Nun sogar Sturm und Trockenheit - bezogen auf die Liquidität vieler Anbieter.

Sharing 1.0: keine Entlastung

Das Ökoinstitut hat 2018 für das Carsharing den Auftakt mit Daten von Car2Go (damals noch Daimler) in Stuttgart, Frankfurt und Köln gemacht. Viele weitere Analysen folgten in den vergangenen Jahren. Vor, während und auch nach Corona gab es mehrere klare Trends des Carsharings: 1. Keine positive Umweltwirkung. 2. Kein Rückgang der privaten Neufahrzeugkäufe bei den Kunden, sondern 3. Das Gegenteil: Anstieg der Automobilität um bis zu 15 Prozent durch Sharing. 4. Parkraumdruck zusätzlich erhöht - und nicht wie versprochen gesenkt. Das kann damit erklärt werden, dass Carsharing beispielsweise auf Reisen zusätzlich zum eigenen Fahrzeug genutzt wird - statt ÖPNV, Taxi, Zweirad (Faltrad) oder Fußverkehr.

Die Unternehmensberatung A. T. Kearney hat schon im Jahr 2019 über das "Geschäftsmodell mit rasierklingen-dünnen Margen" gesprochen. Voraussetzung: Bevölkerungsdichte von 3.000 Personen pro Quadratkilometer. In Deutschland sind das: München, Berlin und Frankfurt. Europas dichteste Stadt - Paris - schafft Sharing-Angebote wegen Dichte, Unfällen, Platznöten und zur Stärkung der "umweltverbindlichen" Verkehre ab.

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Die Folgen: massive Marktkonsolidierungen und Fusionen von Fußkranken. Das scheinbar einzig positiv verbliebene Beispiel, Miles, fiel Ende 2023 wegen vermuteten Parkgebührenbetrugs (30 Millionen Euro) bei der Staatsanwaltschaft negativ auf. Der Spiegel hat recherchiert: konsequente Meidung einkommensschwacher Stadtteile bei Flutung in angesagten, ÖPNV-seitig gut erschlossenen Innenstadtvierteln. Wissenschaftler der TU Hamburg-Harburg haben die gleiche Analyse: Verdrängung des öffentlichen Nahverkehrs kosten- und klimaineffizient. Kombiniert mit Relokationsfahrten der Anbieter sorgt dies für mehr Staus und Parkplatzprobleme. In vielen Städten wie Stockholm haben sich Anbieter wieder zurückgezogen. Begründung: "Die Leute dort würden lieber Fahrrad fahren."

Vermieter: ICE statt BEV

Vermieter, die "First Mover", und ihre neuen Elektroflotten waren eine Hoffnung. Es kam anders: Hertz wollte 100.000 Tesla und 65.000 Polestar bestellen - zumindest ein Viertel der Flotte so elektrifizieren. Nun aber werden aktuell 20.000 Elektroautos verkauft und durch Verbrenner (ICE = Internal Combustion Engine) ersetzt. Ähnlich bei Sixt. Begründung: Wiederverkaufspreise der gebrauchten Fahrzeuge sind so niedrig wie die Rabattschlachten bei Neufahrzeugen hoch. Sixt hatte mit "Umsteigebonus von ÖPNV und Deutscher Bahn" geworben und hart am Wind des Widerspruchs im Klimaschutz gesegelt.

Ride Hailing: Stau und Abgase

Firmen wie Uber und Lyft waren mit ihren Plattformen eine weitere Hoffnung. Forschende der "Singapore-MIT Alliance for Research and Technology" und der Tongji-Universität fanden heraus: Dieses Modell führe zu mehr Verkehrsaufkommen und zu zirka fünf Prozent längeren Stauzeiten. Der ÖPNV hat um fast neun Prozent nachgegeben. Leerfahrten waren über 40 Prozent.

E-Bikes wirklich Vorreiter?

Aufreger der frühen Jahre: unvorstellbare Mengen Bio-Bikes und E-Scooter über Nacht. Dann E-Bikes. Die früh erwartbare kommunale Regulatorik, die Relokations- und Ladeaufwände und die Parkierung führten zu deutlich weniger Anbietern wie Angeboten. Die Marktkonsolidierung läuft nun im Endspiel: Tier Mobility hat Flotten mit 250.000 Fahrzeugen von ertraglosen Anbietern zusammengekauft inklusive dem gut gestarteten Next Bike. Nun die Übernahme durch den deutlich kleineren Anbieter Dott - mit gemeinsam 55 Millionen Euro Verlust und vielen Entlassungen.

Ansätze fürs "Sharing 2.0"

Die Grundgedanken "Nutzen statt besitzen" oder "Sharing statt Leasing" sind so richtig wie offenbar unwirtschaftlich. Auslastungsfragen, Qualitäts- und Individualisierungsthemen bei Fahrzeugen und ehrliche Betreibermodelle, Preise sowie passendere Lokalisierungen stehen im Zentrum der nächsten Generation des Sharings. Der Treiber fürs Sharing 2.0 ist die betriebliche Mobilität als betriebliche mobile Flexibilität.

  1. Mobilitätstrategie im Kontext von CSRD: Einige Unternehmen haben schon während Corona den Startpunkt einer neuen Mobilitätsstrategie gesetzt - aus Gründen der betrieblichen Gesundheitsvorsorge, der Neuzonierung von Büro-, Verkehrsinfrastruktur-, Parkierungsflächen, der nachhaltigen Home-Office-Strategie - und zuvorderst wegen des Klimaschutzes mit den nun seit 2024 greifenden EU-weit verschärften Reporting-Pflichten der Corporate Sustainability Reporting Directives (CSRD).
  2. Mobilitätsbudget: Flexibilitätsbedarfe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer steigen - daher wird der Fuhrpark 2024 nicht einfach weiterfahren. Das Mobilitätsbudget ist nun steuerpolitisch verstanden, digital umsetzbar - und Dienstwagen und Diesel sind eben nicht mehr durchgängig das (Verkehrs-)Mittel der Wahl. Keine Moralisierung, aber Flexibilisierung.
  3. Mobilitätsstationen: Ein zentraler Aspekt der Mobilitätsstrategien von Unternehmen wie auch Stadtquartieren werden die gemanagten und die flexiblen Bedarfe der Mobilität abbildenden Mobilitätsstation bzw. Mobility Hubs sein - mit mehreren Verkehrsmitteln vom E-Car, E-Bike, E-Roller und E-Scooter. Dazu zwingend: Wartungsservice, relevante Infrastruktur, Packstation, gutes Café und weitere soziale Funktionen.

Parameter fürs Sharing 2.0

Die vier Zieldimensionen sind klar: 1. Wirtschaftlichkeit, 2. Reporting & Regulierung, 3. Prozessoptimierung und 4. Nachhaltigkeit. Die Lösungsansätze sind relativ einfach:

  • Stationsbasierte Modelle mit nachhaltigem und refinanzierendem Betreibermodell, z.B. Mobilitätsbudget, Nebenkosten bei Mieten oder Kosteneinsparungen bei Totalkostenbetrachtung der bisherigen Mobilitätskosten.
  • Optimierte Flottenauslastung bei ausreichender Verfügbarkeit der Fahrzeuge und einer Optimierung der Preisstruktur zur Deckung der Kosten. Dies kann durch Anrainer-Modelle erfolgen.
  • Verknüpfte ÖPNV-Angebote: Ermöglichung intermodaler Verkehre und damit auch einer räumlichen Nähe zum ÖPNV.
  • Individualisierung der Flottierung auf Basis von konkreten Mobilitäts- und Infrastruktur­bedarfsanalysen - mit Blick auf Fahrtanlässe, Entfernung, Topografie, Demografie der Belegschaften bzw. Mieterschaften, Letzte-Meile-Verkehre etc.

Fazit

Nahverkehr & Bahnhöfe, Arbeitgeber & Wohnungsquartiere sind die neu-ralgischen Punkte. Mobilitätswende ist Verhaltenswende. Verhalten wird dort wahrscheinlicher, wo die Mobilitätsanlässe beginnen. Daher unterscheiden wir drei Typen:

  1. Arbeitgeber bauen Car-, Rad- und Mikromobilitäts-Sharing 2.0 auf. Der "Firmen Mobility Hub" als ehrliches Betreibermodell, integriert und refinanziert durch ein Mobilitätsbudget, kombiniert mit einem Dienstrad-Programm und dem Deutschland-Ticket.
  2. Gegenpart sind die "Quartiers-Mobility-Hubs" in Quartiersgaragen bzw. gesonderten Orten - kombiniert mit vielen Zusatzfunktionen von Packstation, Kiosk, Service-Station etc.
  3. Der "Bahnhofs-Hub": Als sogenannter "Dritter Ort" neben Wohnen und Arbeit wird der Bahnhof bzw. der ÖPNV-Anschluss entscheidend sein. Denn der Nahverkehr - wie die Berliner Verkehrs-Betriebe und Jelbi (Sharing-Anbieter) in Berlin oder Hochbahn und Switch in Hamburg - zeigen den Weg auch gemeinsam mit der Deutschen Bahn und deren Ressorts Station & Service und DB Smart Citys.

Die Betreibermodelle sind vielschichtiger Natur - refinanzierbar durch nicht notwendige Stellplatz-bau- und Betriebskosten, Nebenkosteneinbindung und Nutzungsgebühren bzw. eingesparte Mobilitätskosten der alten Modelle. Das Sharing ist tot. Lange lebe das Sharing!


Praxisbeispiele: Ermutigend einfach

In der Gesellschaft für Urbane Mobilität Bicicli und der Mobilitätskonzeptberatung Mond werden in vielen Branchen Beispiele auf die Straße gebracht. Von der Beratung bis zur Wartung, Analyse, Strategie, Umsetzung und Kommunikation:
1. Co-Worker & Wohnungsbau: Mit dem Marktführer in Deutschland sind 42 Flotten in 13 Städten im Lauf. Mit der Gewobag AG - mit 130.000 Einheiten - eine der größten in Deutschland - geht es um Mobility-Hubs und Fahrrad-Oasen in Stadteilentwicklungen.
2. Makler & Musiker: Immobilienmakler wie Orchestermusiker nehmen Flotten von Faltrad bis Lastenrad für die Kontrabasse in Anspruch.
3. Studentenwohnheime & Schulen wie in Stuttgart oder an der FU Berlin wie auch private Institutionen.
4. Gesundheit & Pflege: Die Wohlfahrtsverbände bauen Gesundheitsquartiere und setzen ihre ambulanten Pflegekräfte aufs Rad.
5. Behörden & Stadtentwickler: Städtische Gesellschaften, Eigenbetriebe oder auch die IHK setzen ihre Mitarbeiter aufs kombinierte Dienstrad- und Flottenprogramm - von Berlin bis Essen und Kiel.


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