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Autonomes Fahren: So koordiniert Vay seine Telefahrer

10.07.2023 11:13 Uhr | Lesezeit: 3 min
Autonomes Fahren: So koordiniert Vay seine Telefahrer
Die Telefahrer werden in der eigenen Akademie ausgebildet und steuern Kia e-Niros im Fahralltag
© Foto: Vay

Mit Vay startet das autonome Fahren in eine neue Phase. Autoflotte besuchtet den vielbeachteten Fahrdienst in Hamburg, der 20 Fern-Fahrer auf die Straße schickt.

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Der Vergleich mit den PC- und Konsolenspielen ist nicht von der Hand zu weisen. Vor uns aufgebaut sind ein Sitz sowie ein Auto-Cockpit vor drei Bildschirmen mit einer 360-Grad-Rundumsicht. Ein "Telefahrer" steuert damit das E-Auto über die Straßen: Er bremst, fährt an, steuert das Auto um die Kurven – Geräusche des Straßenverkehrs, wie Einsatzfahrzeuge und andere Warnsignale inklusive.

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Was nach Spielen wie "Need für Speed" oder "City Car Driving" aussieht, ist Realität: Der Telefahrer sitzt in der Telefahrzentrale und steuert das Fahrzeug über die Straßen von Hamburg-Bergedorf. Im vergangenen Jahr hat das Deeptech-Start-up-Unternehmen Vay vom Hamburger Senat die Ausnahmegenehmigung erhalten, auf bestimmten Straßen im Bezirk der Hansestadt, ein Fahrzeug ohne Sicherheitsfahrer an Bord im öffentlichen Verkehr zu leiten.



Fünf Jahre Anlauf bei Vay

"Unsere Telefahr-Technologie ermöglicht es einer Person, ein Fahrzeug aus der Ferne zu steuern. Telefahrer sitzen an einer Telefahrstation mit Lenkrad, Pedalen und allen notwendigen Bedienelementen, die nach den Standards der Automobilindustrie entwickelt wurden. Die visuelle Wahrnehmung wird über mehrere in den Fahrzeugen installierten Kamerasensoren aufgenommen und auf die Bildschirme in der Telefahrstation übertragen. Geräusche des Straßenverkehrs, wie Einsatzfahrzeuge und andere Warnsignale, werden über Mikrofone auf die Kopfhörer der Fahrer übertragen", sagte Thomas von der Ohe, CEO von Vay.

2018 hat von der Ohe gemeinsam mit Fabrizio Scelsi und Bogdan Djukic das Start-up gegründet und hat nun – fünf Jahre später – mit der Hamburger Ausnahmegenehmigung einen hohen Meilenstein aufgestellt. "Mit Vay vereinen wir das Beste aus beiden Welten. Software- und Produkt­erfahrung aus dem Silicon Valley und Automotive-Hardware und -Sicherheitstechnik aus Europa", sagt der ehemalige Manager von Zoox, einem Tochterunternehmen von Amazon, bei dem er in seinen Jahren im Silicon Valley autonome Fahrzeuge entwickelt hat.


Autonomes Fahren - Entwicklung

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Vay: Vom autonomen Fahren zurück zum Telefahrer

Mit Vay verlässt der Mittdreißiger, der seinen Master of Science in Management Science and Engineering an der Universität Stanford abgelegt hat, den reinen autonomen Weg und modifiziert ihn. Das von dem Telefahrer gesteuerte Fahrzeug wird zum Kunden gebracht, der sich anschließend selbst ans Steuer setzt und zu seinem Ziel fährt.

Auf diesem Weg sollen in Zukunft auch autonome Fahrfunktionen den Fahrer entlasten. Am Ziel angekommen, übernimmt dann wieder der Telefahrer aus der Zentrale das Auto und steuert es zum nächsten Kunden oder zur Ladestation auf dem Firmengelände. "Damit entfällt die zeitaufwendige Suche nach einem Parkplatz", sagt der Vay-Chef.

Wie etwa beim Homeoffice ist es für die Telefahrer egal, an welchem Ort sie sitzen. Beim Mobile World Congress (MWC) im März 2023 in Barcelona konnte ein in Berlin stationiertes Fahrzeug von Spanien aus pilotiert werden. Im Falle eines Netzausfalls würde das Auto innerhalb von Millisekunden zum Stillstand kommen.

Derzeit sitzen über 20 zertifizierte Telefahrer, die an der eigenen Akademie ausgebildet wurden und einen sicheren und defensiven Fahrstil vermittelt bekamen, an den Bildschirmen und bringen die Elektrofahrzeuge zum Kunden oder wieder zurück. "Wir werden die Zahl schrittweise erhöhen, wenn wir unsere Flotte vergrößern", sagt von der Ohe, der sich über ein großes Interesse an diesem neuen Beruf freut. Die Bezahlung erfolgt dabei "pro Stunde und nicht pro Fahrt". Und auch die Flotte, die derzeit aus rund 20 Kia e-Niros besteht, soll sukzessive ausgebaut werden.

Ohne Emissionen und ohne Fahrer sind die Kia e-Niro mit dem Vay-Branding bislang in Deutschland nur in Hamburg unterwegs
© Foto: Vay

Vay 20 Fahrer, 150 Mitarbeiter

Das Konzept von Vay – das Unternehmen verfügt bereits über mehr als 150 Mitarbeiter – stieß auf großes Interesse bei Beteiligungs-Gesellschaften wie Kinnevik sowie prominenten Investoren wie Spotify-Chef Gustav Söderström oder dem ehemaligen Twitter-Boss Patrik Pichette. Skype-Gründer Niklas Zennström, der Investorin Jeannette zu Fürstenberg oder der ehemalige Technikvorstand von Volvo und Audi, Peter Mertens, die laut von der Ohe 95 Millionen US-Dollar beigesteuert haben.

Aber auch Kritiker gibt es neben den in Deutschland bei neuen Ideen zuhauf aus dem Boden schießenden Bedenkenträgern, die von Verkehrs- bis zur Datensicherheit Deutschland in Richtung Abgrund zusteuern sehen. Vor allem der Taxibranche graut es nach dem Einstieg des Fahrdienstvermittlers Uber vor einem weiteren äußerst potenten Konkurrenten im durch die Corona-Pandemie eh schon stark limitierten Taxigeschäft. Und Mobilitätsdienste wie Vay sollen zudem noch bis zu 60 Prozent günstiger sein als Uber, das vor allem in den USA das Taxigeschäft durcheinandergebracht hat. So schreibt der Fahrdienstvermittler zwar noch rote Zahlen, hat aber im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 29 Prozent auf 8,8 Milliarden Dollar zugelegt.


Lidar für autonome Autos

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Keine Parkplatzsuche

Ganz klar, dass Vay die Trends wahrnimmt und abseits der USA in die "Alte Welt" übertragen möchte. "Wir sind optimistisch, in Deutschland eine hohe Akzeptanz zu erreichen, da wir jetzt schon großes Interesse von Kundinnen und Kunden und Städten aus verschiedenen Teilen der Welt erhalten", sagt von der Ohe. Der Meilenstein mit Fahrten ohne Sicherheitsfahrer könnte dabei fast schon als Game-Changer herhalten: "Auch hier haben wir sehr viele positive Reaktionen bekommen. Wir arbeiten eng mit den Behörden zusammen und gehen Schritt für Schritt vor, um die notwendigen Genehmigungen für einen Launch zu erhalten."

Nach den rechtlichen Hürden sollen auch die Hürden in der Praxis genommen werden, die von der Ohe aber als nicht so hoch wahrnimmt. "Wir wollen ein nachhaltiges und günstiges Tür-zu-Tür-Mobilitätsangebot schaffen, das es so noch nicht gibt", sagt von der Ohe. Ein Mobilitätsdienst, der zudem "Ruhe und Gelassenheit verspricht", da das Elektrofahrzeug auf der Straße übergeben und wieder übernommen wird und gerade in Großstädten die Suche nach einem Parkplatz völlig vernachlässigt werden könne.

Zudem sieht der Manager gerade im Autofahrerland Deutschland einen Mehrwert des Dienstes. "Wir haben mit dem Telefahren einen alternativen Ansatz zum autonomen Fahren entwickelt, bei dem ein Mensch in der Verantwortung ist. Dadurch können wir komplexe Manöver wie vollgeparkte Straßen oder Linksabbiegen basierend auf menschlicher Wahrnehmung und Entscheidungsfähigkeit bewältigen - das ist der große Unterschied zu autonomen Systemen", sagt der Vay-Chef, der in dem Teledrive-Ansatz "eine Alternative zu bestehenden Mobilitätsdiensten" sieht.

Sie interessieren sich fürs autonome Fahren und wollen als fuhrparkverantwortliche Person in Ihrem Unternehmen wissen, was das für Sie in Zukunft bedeuten kann? Dann holen Sie sich hier das White Paper, über deren Inhalte wir bereits beim Autoflotte-Webinar Megatrends Fleet berichtet haben.

 

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