Lange galt Wasserstoff vor allem als Hoffnungsträger für den Autoverkehr. Doch im Pkw-Alltag hat sich der Energieträger bislang nicht durchgesetzt: Es gibt zu wenige Tankstellen, die Herstellung ist teuer, die Konkurrenz durch batterieelektrische Modelle stark. Trotzdem ist Wasserstoff im Mobilitätssektor längst nicht tot – nur findet der nicht auf der Autobahn im Familien-SUV statt, sondern dort, wo es hart, schwer und groß wird: im Fernverkehr, auf Baustellen, auf dem Acker und auf der Rennstrecke.
Eine zentrale Rolle spielt dabei ein Unternehmen, das selten auf den Motorhauben steht, aber fast überall darunter steckt: Bosch. Der schwäbische Zulieferer gehört zu den Unternehmen, die sich entlang fast der gesamten H2-Wertschöpfungskette positionieren – von Brennstoffzellen über Komponenten für Wasserstoffmotoren bis hin zu Technik für die Erzeugung von Wasserstoff. Kürzlich hat das Unternehmen einen Elektrolyseur am Standort Bamberg in Betrieb genommen - als Teil einer ganzen Wasserstofflandschaft, in der unter anderem gezeigt werden soll, wie das Gas produziert, gespeichert und weiterverwendet werden kann. Aus Sicht von Bosch ist Wasserstoff nicht Nischenexperiment, sondern ein künftiges Massenprodukt für anspruchsvolle Mobilitäts- und Industrieanwendungen.
Wasserstoff: Kein natürlicher Primärenergieträger
Wasserstoff ist kein natürlicher Primärenergieträger, sondern muss zunächst mit Energie hergestellt werden, etwa durch Elektrolyse. Nur wenn dieser Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, spricht man von "grünem" Wasserstoff. Die Umwandlungskette von Strom zu Wasserstoff und zurück ist deutlich verlustreicher als das direkte Laden einer Batterie. Das ist der Hauptgrund, warum für normale Pkw das batterieelektrische Auto effizienter und wirtschaftlich attraktiver ist. Wo das Ladenetz dicht ist, die Fahrzeuge vergleichsweise leicht sind und im Alltag überschaubare Strecken zurücklegen, spricht also nicht viel für Wasserstoff.
Interessant wird der Energieträger dort, wo Batterien an ihre Grenzen stoßen – bei sehr hohen Lasten, extrem langen täglichen Laufzeiten, engen Standzeiten und begrenztem Bauraum oder Gewichtsspielraum. Genau diese Rahmenbedingungen finden sich im schweren Güterverkehr, bei Baumaschinen und Landtechnik, im Schienen- und Schiffsverkehr, teilweise in der Luftfahrt und im Motorsport. Hier eröffnet Wasserstoff zwei technologische Pfade: die Brennstoffzelle, die aus Wasserstoff Strom erzeugt, und den Wasserstoff-Verbrennungsmotor, der im Prinzip funktioniert wie ein herkömmlicher Motor, nur eben mit einem anderen Kraftstoff.
Im Lkw-Fernverkehr gilt Wasserstoff immer noch als ein Kandidat für klimafreundliche Transporte. Verschiedene Hersteller erproben Brennstoffzellen-Sattelzüge, die mit einer Tankfüllung mehrere Hundert Kilometer zurücklegen und sich in wenigen Minuten nachfüllen lassen. Parallel entstehen Prototypen und erste Vorserien von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren, die auf vorhandenen Dieselaggregaten basieren und deshalb vergleichsweise schnell in die Flotte gebracht werden könnten. Bosch mischt auf beiden Feldern mit: Der Konzern hat Brennstoffzellenmodule entwickelt, die speziell für schwere Nutzfahrzeuge ausgelegt sind und in Deutschland in Serie gefertigt werden. Gleichzeitig investiert das Unternehmen in Einspritztechnik, Steuergeräte und Abgasnachbehandlungssysteme für Wasserstoffmotoren.
Beide Ansätze haben ihre Vorzüge – die Brennstoffzelle bei der Effizienz, während der H2-Verbrenner die für viele robustere und vertrautere Technik ist. Welche Lösung sich durchsetzt, hängt von vielen Faktoren ab: vor allem von den Kosten für Wasserstoff, der Dichte der Tankstellen und vom Wettbewerb durch batterieelektrische Fahrzeuge.
Besonders groß ist das Potenzial von Wasserstoff jedoch dort, wo es die Ladeinfrastruktur fehlt oder Maschinen nahezu im Dauerbetrieb laufen: auf Baustellen, in Minen, in der Land- und Forstwirtschaft. Radlader, Bagger, Mähdrescher oder große Traktoren benötigen enorme Energiemengen. Eine rein batterieelektrische Auslegung würde zu sehr schweren und teuren Akkupaketen führen oder den Betrieb durch lange Ladezeiten einschränken.
Wasserstoffmotoren, die auf bekannten Plattformen aufbauen, versprechen dort einen pragmatischen Einstieg in die Dekarbonisierung. Hersteller können bestehende Motorenfamilien anpassen, Werkstätten bleiben bei vertrauten Technologien, die Betankung funktioniert ähnlich schnell wie bei Diesel. Bosch arbeitet gemeinsam mit Maschinen- und Motorenherstellern an H2-fähigen Aggregaten für Baumaschinen, Landtechnik und stationäre Anwendungen. Entscheidend ist allerdings, ob sich parallel flexible Wasserstofflogistik durchsetzt – etwa mit mobilen Tanklösungen, die Baustellen oder Agrarbetriebe zuverlässig versorgen.
Auch der Motorsport entdeckt Wasserstoff zunehmend. Langstreckenserien und Entwicklungsprogramme bereiten Fahrzeugklassen vor, in denen Prototypen mit Brennstoffzelle oder Wasserstoff-Verbrennungsmotor an den Start gehen sollen. Ziel ist es, zu zeigen, dass hohe Leistung, schnelle Tankstopps und lokal emissionsfreier Betrieb zusammengehen können. Für Zulieferer ist das attraktiv: Im harten Renneinsatz lassen sich Komponenten testen, die später in Serienfahrzeugen für Lkw, Busse oder Spezialmaschinen eingesetzt werden können.
Bosch will das Thema entlang der Wertschöpfungskette vorantreiben. Das Unternehmen entwickelt nicht nur Brennstoffzellen-Stacks und komplette Module für Nutzfahrzeuge, sondern auch Sensorik, Steuergeräte, Ventile, Leitungen und Einspritztechnik für Wasserstoffmotoren. Hinzu kommen Aktivitäten im Bereich der Elektrolyse, also der Herstellung von Wasserstoff, bei denen Bosch Komponenten und Fertigungskompetenz einbringen will. Diese Breite ist strategisch wichtig: Sie erlaubt es, flexibel auf unterschiedliche politische Rahmenbedingungen und Kundenwünsche zu reagieren – egal, ob sich am Ende Brennstoffzelle, der H2-Motor oder Mischszenarien durchsetzen.
Orientierung bietet dabei die Politik. Die fortgeschriebene Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung sieht Wasserstoff als einen zentralen Baustein der Energiewende, setzt aber klare Prioritäten. Grüner Wasserstoff soll vor allem dort eingesetzt werden, wo es nur wenige Alternativen gibt: in der Stahl- und Chemieindustrie, im internationalen Schiffs- und Luftverkehr sowie im schweren Straßengüterverkehr. Für den Massenmarkt der privaten Pkw ist er dagegen nicht bevorzugtes Einsatzfeld. Genau diese Schwerpunktsetzung spielt Unternehmen wie Bosch in die Karten, die ihre Entwicklungsressourcen auf Nutzfahrzeuge und Spezialanwendungen konzentrieren. Gleichzeitig steigt damit der Druck, funktionierende Lieferketten und eine verlässliche Tankstellen-Infrastruktur entlang der wichtigsten Güterkorridore aufzubauen.
Wie groß ist die künftige Rolle von Wasserstoff?
Trotz aller Dynamik ist die Frage, wie groß die künftige Rolle von Wasserstoff im Mobilitätsbereich ist, noch offen. Grüner Wasserstoff bleibt vorerst knapp und teuer, der Ausbau von Elektrolysekapazitäten und Importkorridoren braucht Zeit und Kapital. Die Infrastruktur für Transport und Betankung ist komplexer als das Aufstellen einzelner Ladesäulen. Parallel machen batterieelektrische Nutzfahrzeuge schnelle Fortschritte, Reichweiten steigen, Ladeleistungen wachsen, Kosten sinken.
Wasserstoff wird den klassischen Verbrennungsmotor im Privatwagen nicht flächendeckend retten. Aber er hat die Chance, genau jene Lücken zu füllen, in denen Batterien an physikalische, logistische oder wirtschaftliche Grenzen stoßen. Wenn dieser Plan aufgeht, werden ein großer Teil der künftigen H2-Kilometer nicht im Stadtverkehr gefahren, sondern von Erntemaschinen, Großbaggern, 40-Tonnern und Hightech-Rennfahrzeugen.