Fahrtenbuchauflage: Der Datenschutz als Retter?

Wenn Bußgeldbehörden den Dienstwagennutzenden eines Kfz nach einem punktebewährten Verkehrsverstoß nicht ermitteln können, greifen sie immer häufiger zur sogenannten Fahrtenbuchauflage. Dies ist schon deshalb praktisch, weil sich bereits die bloße Androhung oftmals als hilfreich bei der Sachverhaltsaufklärung erweist, damit die Daten des Fahrers oder der Fahrerin herausgegeben werden.

Doch darf der Fuhrparkleiter diese privaten Daten an die Behörden überhaupt herausgeben? "Nein, meine Daten kriegt Ihr nicht!", hört man oft von Dienstwagennutzern, die dem Fuhrpark mit dem Hinweis auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) untersagen, Namen und Privatanschrift herauszugeben.

DSGVO - ein scharfes oder eher stumpfes Schwert?

Auf den ersten Blick klingt das durchaus schlüssig. Wäre da nicht der § 31a StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Die DSGVO soll ja zwar dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten dienen und die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten schützen. Grenzenlos und soweit, dass jede Namensnennung in einen Schadens- oder Schmerzensgeldanspruch mündet, geht der Schutz dann aber doch nicht.

Als Leitlinie gilt, personenbezogene Daten dürfen nur für festgelegte, eindeutige, legitime Zwecke erhoben und verarbeitet werden. Außerdem muss die Datenverarbeitung erforderlich sein, zum Beispiel, um eine Aufgabe wahrzunehmen, die hier im öffentlichen Interesse liegt (vergleiche Art. 6 f DSGVO).

Fahrtenbuchauflage: Kein Datenschutz-Verstoß

Genau hier liegt der Trumpf des Flottenmanagers. Denn die Herausgabe der Daten des Fahrzeugnutzenden ist erforderlich, damit die Behörde ihrer Arbeit nachgehen kann. Abgesehen davon kann er im Zweifel nur so eine Fahrtenbuchauflage für die gesamte Flotte verhindern. Schließlich spielt hier die Halterhaftung mit hinein.

Wurden Fahrtenbuchauflagen verhängt, sollte man dies anwaltlich prüfen lassen.

Fahrtenbuch: Aktuelles Urteil

Bereits in der Vergangenheit hatten weder das OLG Koblenz (Beschluss vom 2.10.2020, Az. 3 OWi 6 SsBs 258/20) noch das OVG Hamburg (Beschluss vom 1.12.2020, Az. 4 Bs 84/20) Probleme im Hinblick auf die Übermittlung von Fahrerdaten an die Bußgeldbehörde. Das OVG Koblenz hat in seinem Beschluss vom 20.6.2023 (Az. 7 B 10360/23) aktuell zwar ausdrücklich offen gelassen, ob der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO im Ordnungswidrigkeitenverfahren (OWi) überhaupt eröffnet ist. Für den Fall, dass dem so sein sollte, stellte es aber Folgendes fest:

1. Die Preisgabe persönlicher Daten der Fahrzeugführer an die Polizei- oder Bußgeldbehörden ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht war und mit (mindestens) einem Punkt geahndet werden kann (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 17.04. 2019, Az. RN 3 K 19.267).

2. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.7.2022, Az. 11 ZB 22.895). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuches und die damit verbundene Datener­hebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschl. v. 30.11.2022, Az. 11 CS 22.1813; ferner OVG Hamburg, Beschl. v. 1.12.2020, Az. 4 Bs 84/20)

DSGVO andersherum?

Was ist, wenn andersherum die Behörde gegen die DSGVO verstößt? Einem Beschluss des AG Landstuhl zufolge (Az. 2 OWi 4211 Js 12883/19 vom 8.1.2020) beseitigt ein erheblicher Verfahrensverstoß der Bußgeldbehörde gegen datenschutzrechtliche Vorschriften den Strafanspruch zwar nicht. Ist er aber erheblich im Sinne eines vorsätzlichen Vorgehens, ist eine Sanktionierung des Verstoßes mittels der Rechts- und Regelfolgen der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) nicht vereinbar.

Das Amtsgericht Schleswig (Be. vom 19.11.2018, Az. 53 OWi 24000/18) hatte konstatiert, dass, wenn die Verwaltungsbehörde bei der Aufklärung eines Verkehrsverstoßes gegen Vorgaben des Personalausweisgesetzes (PAuswG) verstößt, die Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG gerechtfertigt ist. Dies sind Ausnahmeentscheidungen.

Fazit Fahrtenbuchauflage

Die Idee, eine Fahrtenbuchauflage unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Aspekte und die DSGVO zu verhindern, erscheint für den Fahrer durchaus reizvoll zu sein. Die existierende und als gefestigt zu betrachtende Rechtsprechung hilft aber eher dem Fuhrparkmanager als dem Fahrenden. Wenn ein Fuhrparkverantwortlicher die Verhängung einer flottenbezogenen Fahrtenbuchauflage verhindern will, ist ein Mittel die datenschutzrechtskonforme Benennung des Fahrers.

Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass Fahrtenbuchauflagen zwar nicht unumstößlich sind, aber diesen durch entsprechende Prozesse im Fuhrpark mehr als nur dringend vorgebeugt werden sollte. Denn: Bei Firmenfahrzeugen sollte jeder Fuhrpark - schon unter Compliancegesichtspunkten - sein "Knöllchenmanagement" so organisiert haben, dass die Fahrtenbuchauflagen bereits im Ansatz verhindert werden. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls und deshalb sollten Fahrtenbuchauflagen, wenn diese denn verhängt wurden, anwaltlich geprüft werden.

Praxistipp Fahrtenbuchauflage

Damit sich der Dienstwagennutzende nicht hinter einem eigenen Aussageverweigerungsrecht "verstecken" kann, welches ihm gegenüber der Behörde zustehen könnte, empfiehlt sich auch die Aufnahme einer Klausel im Dienstwagenüberlassungsvertrag, der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin im Rahmen einer behördlichen Verfolgung nach Überlassung des Kraftfahrzeuges an Dritte dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber Name und Anschrift des tatsächlichen Fahrers/ der tatsächlichen Fahrerin unverzüglich mitzuteilen, damit dieser die Daten an die Behörde weitergeben kann.

Ausblick: Ein wirksames Knöllchenmanagement ist für Fuhrparks wichtiger denn je. Die Arbeitskreise VI und VII des Verkehrsgerichtstages Goslar 2023 fordern eine Änderung des § 31a StVZO. Damit könnten eine bußgeldbewährte Fahrerbenennungspflicht und die Verschärfung der Fahrtenbuchauflage einhergehen.

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