Im Journalismus gilt die Regel: Mit Eigennamen spielt man nicht - keine Verballhornung, keine Wortspiele. Doch bei Autos darf man eine Ausnahme machen, denn ihr Name ist Teil des Marketings. Im Fall vom Genesis liegt ein musikalischer Vergleich nah: Die gleichnamige Popgruppe prägte von den 1970ern bis in die 2000er Jahre ganze Generationen - stilbildend, wandlungsfähig, immer auf der Suche nach Perfektion. Der Ausstieg von Peter Gabriel Mitte der 1970er ebnete den Aufstieg von Phil Collins. Ein Solist von Weltrang, ein veritabler Drummer - und letztlich auch Sänger.
Genesis als Automarke ist ebenfalls noch auf der Suche nach der Idealbesetzung. Gestartet als Concierge-Marke, die dem Nutzer fast alles abnimmt - außer Fahren und Tanken -, hat man sich im anspruchsvollen deutschen Markt bislang schwergetan. Denn hier zählen nicht nur Technik und Ausstattung, sondern vor allem schnelle, zuverlässige und flächendeckende Betreuung. Eine Herausforderung für jeden Importeur. Also bindet man sich wieder enger an die Hyundai-Netzwerke - bleibt aber eigenständig. Und so machen wir uns mit dem Genesis G90 auf Tour. Unser Testwagen hört auf den Namen "Phil" - gespickt mit Songzitaten aus der Diskografie der Band.
Genesis G90: Luxus mit leisen Tönen
Der Genesis G90 ist kein lauter Performer. Eher ein Fading Lights der automobilen Oberklasse. Türen schließen elektrisch wie auf Samt - Easy-Close-Technik samt fein abgestimmter Elektromotoren. Mit einem sanften Knopfdruck werden Massagefunktionen, Klima und Ambientebeleuchtung aktiviert. Wer hinten sitzt, liegt fast waagerecht unter dem zweiteiligen Glasdach - während der Turbo-V6 dezent Invisible Touch spielt.
Trotz seiner 5,28 Meter Länge fährt der G90 wie eine geerdete Ballade. Ruhig, gelassen, souverän - eher Follow You, Follow Me als Land of Confusion. Luxus wie Luftfederung und Hinterradlenkung sind selbstverständlich an Bord und überzeugen. Der Wendekreis? Erstaunlich geringe 11,3 Meter. Selbst mit seinen 2,17 Metern (inkl. Spiegel) bleibt das XXL-Format handlich. Der 2,3 Tonnen schwere Luxusliner sprintet in 5,2 Sekunden auf Tempo 100, bei 250 km/h ist Schluss.
Der Motor ist ein 3,5-Liter-V6 mit 415 PS - kraftvoll, gereift, mit Signature-Sound. Er wirkt fast wie Phil Collins solo: nicht laut, aber präsent. Der Klang: oldschool, nostalgisch, wahlweise unterstützt von einem Soundgenerator, der ihn auf Wunsch in Richtung In the Air Tonight treibt - muss man aber nicht. Der Motorraum ist fast zu klein für dieses Kraftpaket, das ohne große Showeffekte zu beeindrucken weiß.
Stärken im Innenraum
Der Kofferraum bietet mit 368 Litern eher Wochenendspaß. Er ist tief, mit vier Zurrösen gesichert, aber braucht etwas Schwung beim Beladen. Einen Meter weiter vorn auf den Rücksitzen, die selbstredend vom 3,20 Meter langen Radstand am meisten profitieren, wirkt das Interieur wie ein Studioalbum. Die elektrisch einstellbaren Sitze sind so perfekt abgestimmt wie eine gute Setlist.
Wer sich hinten niederlässt, wird schnell merken: Hier geht's nicht um Sprintdistanz, sondern um das große Tourfinale. Der Chauffeursitz fährt in Schlafstellung, das Glasdach öffnet das Kopfkino (Watcher of the Skies inklusive). Die Bang-&-Olufsen-Anlage mit 23 Lautsprechern lässt keinen Zweifel: Hier spielt die Musik.
Genesis G90: Fahrgefühl und Verbrauch
Der G90 gleitet wie ein ICE bei Tempo 200 - in unserem Fall bei artigen 140 km/h mit rund 10 Litern Verbrauch. Bei Nacht und voller Beladung stehen auch mal 14 Liter auf der Uhr - völlig okay für ein 2,3-Tonnen-Allradmobil mit Luxusausstattung und gefahren im ICE-Tempo. Der XXL-Tank mit 73 Litern sorgt dennoch für lange Touren. Auch die Lichtanlage bleibt unaufgeregt: kein Laserspektakel, aber solide Ausleuchtung, pointiert. Die Quad-LEDs vorn sehen gut aus, doch beim Licht bleibt der G90 eher No Reply at All als Headliner.
Modernes Infotainment? Ja. Kabelloses Android Auto? Bei uns jedenfalls nicht, kennt man von den Konzernmarken, die alle erst "jetzt" kabellos unterwegs sind. Immerhin verschwindet das Handy elegant in der Ablage. Weniger Ablenkung, mehr Entspannung. Die Übersicht im Fahrerbereich ist dagegen ausbaufähig: Die B-Säule ist so nah, dass die Rücksicht eher mau wird. Doch Kameras und Assistenten helfen beim Manövrieren durch enge Gassen - Over My Shoulder lässt grüßen.
Weniger Masse, mehr Klasse
Nur 20 Stück des G90 fanden 2024 den Weg in deutsche Flotten - so viele wie G70 und G80 zusammen. Ein Nischenprodukt? Sicher. Aber eines mit Seele. Genesis will nicht laut sein, nicht für die Masse. Sondern für die, die genau hinsehen - und hinhören. Der G90 ist ein automobiler Solist, ein Konzeptalbum auf Rädern. The Lamb lies Down on Broadway, in Blech gegossen.
Fünf Jahre oder 75.000 Kilometer lang begleitet Genesis den Besitzer mit Concierge-Diensten, Wartung und Mobilitätsgarantie. Kein Rockstar-Verhalten, sondern professionelle Unterstützung - leise, zuverlässig.