Was macht einen perfekten Reisewagen aus? Komfort. Doch Komfort spiegelt sich nicht nur im komfortablen Vorankommen wider, sondern auch darin, wie gut sich ein Automobil bedienen lässt. Hinzu kommen Dinge wie Eleganz und Noblesse. Die Mercedes E-Klasse gehört qua Konstruktion in diese Ecke. Wenngleich ein 17-Zoll-bereifter E 200 d optisch nicht zur Crème de la Crème gehört – in Serienausstattung. Ein Mercedes E 450 4Matic gehört per se dazu und macht – trotz nur einem Zoll mehr – irgendwie optisch schon was her.
Mercedes-Benz E 450 4Matic
Mercedes E 450 4Matic für den CEO
Rollt im kleinen Diesel eher der Vertriebsleiter eines Mittelständlers, pilotiert den 450er dessen Chef. Denn auch der Mercedes E 450 4Matic ist ein Selbstfahrerauto. Und so viel vorweg: eines der besten. Zwar sind seine formschönen 4,95 Meter Außenlänge für einen Insassen überdimensioniert, aber in der Klasse darunter gibt es keine Alternative, die diesen Fahrkomfort, hergestellt durch ein Luftfederfahrwerk und den samtigen Reihensechszylinder-Benziner, bietet.
Ja, Sechszylinder gibt es beispielsweise noch im kleineren BMW M340i xDrive und im Audi S5. Jedoch sind beide auf der Sportseite zu finden und kosten ähnlich viel wie der E 450. Die Mercedes C-Klasse gibt es nur mit vier Zylindern – selbst die AMG-Versionen C 43 (421 PS) und C 63 S mit 680 PS (!) plärren mit einem Zweiliter-Turbo um die Wette und sind im Vergleich zu allen oben genannten lächerlich – obwohl mehr Leistung vorhanden ist.
Sechs Zylinder für ein Halleluja
So erfreuen wir uns am sonoren Motorlauf des Reihensechszylinders, der Entspannung garantiert. Selbst bei Leerlaufdrehzahl fühlt er sich kraftvoll an. Fahrstufe D via perfekt bedienbarem Lenkstockhebel eingelegt und es geht sanft vorwärts. Millimetergenau lässt sich der Wagen per Bremse dirigieren, keine Zugkraftunterbrechung, kein Doppelkupplergerupfe, eine Automatik, wie man sie sich wünscht. Die neun Gänge sind eventuell einer oder zwei zu viel. Denn ab und an verhaspelt sich die Wandlerautomatik beim Finden der richtigen Paarung.
So geht es auf Wunsch in 4,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und weiter bis in den Begrenzer bei 250. Begleitet wird solch eine Beschleunigungsorgie mit einem rauchigen, präsenten Sound, der wiedergibt, was gerade passiert. Nimmt man Tempo raus, werden auch mal drei Gänge auf einmal geschaltet und der E 450 schneidet geräuschlos durch den Wind (Akustikpaket für 286 Euro nicht vergessen).
Perfekte Reisegeschwindigkeit im E 450: 170 km/h
Als sehr angenehme Reisegeschwindigkeit erweist sich irgendwas um die 170 km/h. Schnell, leise, sparsam. So bleiben starke Bremsmanöver auf der Autobahn aus und der Verbrauch, dank German-Engineering, im Rahmen. Rund neun Liter genehmigt sich der Dreiliter-Benziner auf unseren knapp 3.000 Kilometern. Bei nächtlicher Vollgasfahrt über annähernd 200 Kilometer steigt er auf knapp 14 Liter an. Bei sparsamem Gasfuß (oder in der tempobegrenzten Schweiz) ist eine Sieben vor dem Komma Realität. 1.500 Touren dreht dann die Kurbelwelle, bei Tempo 200 sind es 2.500 Umdrehungen. Und es handelt sich nach wie vor um eine Zwei-Tonnen-Limousine mit Allradantrieb und rund 400 PS samt Sportwagen-Fahrleistungen.
Auf der anderen Seite kann der E 450 selbst mit den montierten 20-Zoll-Mischreifen komfortabel gleiten – zumindest dann, wenn man sich für die Luftfederung im Paket mit Allradlenkung entschieden hat – eine Empfehlung, für die jedoch 3.320 Euro fällig werden. Mit einher geht ein um rund 90 Zentimeter verkleinerter Wendekreis (gut 11 Meter). Das hört sich nicht viel an, macht im Alltag aber einen riesigen Unterschied.
Mercedes-Benz Vision Iconic (2025)
Einen Teil des Gewichts hat Mercedes nicht nur in die überragenden Dämmmaßnahmen gesteckt, sondern in ein Interieur, das noch die „alten“ Mercedes-Gene verströmt, mit denen sich die Stuttgarter spätestens seit Mercedes R129 (SL) oder W140 (S-Klasse) in den 90ern an die Qualitätsspitze gesetzt haben. Sei es die gefühlte und haptische Qualität oder die, die nur der Monteur zu Gesicht bekommt und sich noch heute freut, dass Schrauben Schrauben sind und keine Plastikstecker, die beim ersten Angucken abreißen. Zu Beginn der 2000er-Jahre zog Audi an den Stuttgartern beim Thema Qualität vorbei und BMW mischte irgendwo mal davor und mal dahinter – je nach Modell – mit. Der W214 (internes Kürzel der aktuelle E-Klasse) bietet in weiten Teilen ein „Mercedes-Gefühl“. Das schaffen die Schwaben bei den neuen batterieelektrischen Modellen nicht ansatzweise.
Ausgefeilte Software im Mercedes E 450
So ist es schön zu sehen, dass sich beim E 450 das gefühlte Qualitätsniveau im Interieur ebenso ausgefeilt präsentiert und man sich nur über wenige Dinge ärgert. Worüber? Kleinigkeiten wie das putzintensive Cockpit. Vor allem dann, wenn man den „Mbux-Superscreen“ für 1.773 Euro bestellt hat. Dabei handelt es sich um das 12,3-Zoll-Display auf der Beifahrerseite. Ebenso schmutzanfällig ist das Sechsspeichen-Lenkrad. Bürsten, Microfasertücher und Mini-Staubsauger sollte Mercedes auch gleich mit anbieten. Doch halt, das Putztuch gibt es wirklich – Produktnummer: A0009865500. Das ist zwar im Vergleich zum älteren Lappen um 60 Prozent geschrumpft und putzt nicht mehr so gut, dafür kostet es mit 5,90 Euro auch nur noch die Hälfte. Eins aus dem Drogeriemarkt tut es aber auch und sollte an Bord sein.
Nerviger sind aber in der Tat die übel bedienbaren Kapazitiv-Tasten, die sich genauso schlecht bedienen lassen wie bei anderen und beim hastigen Lenken schon mal Funktionen ungewollt starten. Oder, dass die Vierzonen-Klimaanlage 1.011 Euro extra kostet. Ebenso zahlt man knapp 1.900 Euro für die phänomenal guten Multikontursitze – vielleicht das beste Gestühl im Automobilbau.
„Gut“ hingegen: Man kann während der Fahrt Sprach-Feedback geben. Das wird von Mercedes angeblich analysiert. Schlecht: dass man ab und an doch gern Feedback geben möchte. Das sind aber personenindividuelle Kleinigkeiten. Denn die Software funktioniert vergleichsweise gut. Schön gelöst: Die am häufigsten genutzten Funktionen können als „Routine“ abgespeichert werden. Auf Knopfdruck (oder automatisiert) werden die Lieblingsfunktionen aktiviert und in einer Übersicht gebündelt.
Mercedes-Benz GLC (2026)
Beim Digital-Light, also dem HD-Matrixlicht mit einen Million Pixel, muss man nicht viel bedienen. Das funktioniert erstklassig und ist beim 450 serienmäßig an Bord. Es entlastet bei Nachtfahrten die Augen und fokussiert diese mittels aufgehelltem Lichtteppich vor dem Fahrzeug nochmals auf den Blick nach außen.
Grundsätzlich sollte man einen 450er nicht als AMG-Line bestellen. Wer AMG sagt, darf zum E 53 greifen – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Der E 450 ist ein Wagen für wahre Genießer, die schnell und komfortabel reisen möchten. Daher passen auch die am Testwagen montierten 20-Zöller mit Mischbereifung nur bedingt. Empfehlung: Seriengröße in 18 Zoll beibehalten.