BYD ist der Riese unter den Chinesen und ein Riese im Automobilgeschäft – weltweit gesehen. In Deutschland ist BYD noch ein kleines Licht – trotz immensem Marketingaufwand während der Fußball-EM. Noch. Laut BYD sind etwa ein Viertel aller Neuwagen, die weltweit verkauft werden und einen Plug-in- oder Elektroantrieb haben, von BYD. In Deutschland sollen in diesem Jahr 50.000 Fahrzeuge zugelassen werden – so die Ansage von BYD im März 2025. Ende August, also nach acht Monaten, sind es 8.563. Da müssen die 120 Händler, die laut BYD bis Ende 2025 in Deutschland agieren (bis Ende 2026 sollen es 300 Standorte sein), noch einige Eigenzulassungen machen, oder es müssen Verkaufswunder geschehen.
BYD Seal 6 DM-i Touring

Es gibt zu viele Automarken und -modelle
An den Autos liegt die Kaufzurückhaltung hierzulande eher weniger – fast egal, um welchen chinesischen Hersteller es sich handelt – denn die taugen oft. Es liegt vermutlich viel mehr an dem Überangebot an Autos generell und im Speziellen dem aus China. Hinzu kommen die Unbekanntheit der Marken, der meist zu geringe Preisvorteil (sofern überhaupt vorhanden), ein (im besten Fall dünnes) Händlernetz und somit keine oder wenig persönliche Ansprechpartner. Daher ist eine gesunde Grundskepsis nicht gleichzusetzen mit Ablehnung. Negativbeispiele, bei denen das Vorhaben „Deutschland“ in die Hose ging, gibt es: Borgward, Aiways, Byton … „more to come“, wie es so schön heißt.
Bei BYD dürfte diese Sorge unbegründet sein, und doch scheint sie zu existieren – sonst wäre man wohl deutlich näher an den 50.000 Einheiten. Vielleicht auch deswegen investiert BYD verstärkt in Europa, um zu zeigen, dass sie bleiben werden. Ein Werk in Komárom für Elektrobusse gibt es seit 2017, bis Ende 2025 soll das für Pkw in Szeged stehen. In 29 Ländern Europas ist BYD präsent und der neue BYD-Deutschlandchef, Lars Bialkowski, weiß, dass Deutschland der speziellste und schwierigste Markt für alle Autohersteller ist – weltweit. Bei der Pressekonferenz zum Seal 6 Kombi sagte er: „Wir denken uns konstant etwas aus, was Kunden in Europa haben möchten.“ Der Kombi scheint für BYD ein Schlüssel zum Europa-Erfolg zu sein.
Seal 6 Touring zwischen Kompakt- und Mittelklasse
Das nach eigener Zählweise 11. BYD-Modell in Deutschland ist nun der Seal 6 DM-i Touring, wie der sperrige Name des Kombis heißt, der Ende des Jahres beim Kunden anrollt. Größenmäßig ist er mit 4,84 Metern in der Mittelklasse beheimatet, muss sich aber ebenso mit Skoda Octavia und Co. – also „Kompaktklasse“ – messen lassen. Und das wird nicht einfach, obwohl der BYD Seal 6 DM-i Touring die kontinentspezifischen Kundenanforderungen erfüllen möchte.
Wir steigen in den nicht mehr kompakten Kompakten und nicht ganz so mittelklassigen Mittelklässler ein und freuen uns übers Platzangebot, das den Erwartungen entspricht. Und zwar auch im Heck, 535 Liter passen rein. Wer umklappt, landet bei 1.535 Litern und kann die Fracht auf einer fast ebenen Fläche mittels Spanngurten fixieren. Ausgekleidet ist der Kofferraum mit kratzunempfindlichen, angenehmen und vermeintlich staubsaugerfreundlichen Materialien. Die 60:40-Teilung der Lehne ist hingegen etwas altbacken, viele können das dreiteilig. Ein Unterbodenfach fehlt, wie bei vielen Plug-in-Hybriden, irgendwo muss der Akku ja hin. Dafür befindet sich unter dem nicht vorhandenen Unterbodenfach ein Benzintank, der sich bis zu 66 Liter einschenken lässt. Rekord in der Klasse und Möglichmacher für die bei der Fahrvorstellung immer wieder erwähnten 1.350 Kilometer, die mit einem Tank und einer Akkuladung machbar sein sollen.

Gute Materialanmutung im BYD Seal 6 Touring
Der Kniewinkel, die Kopffreiheit (mit Schiebedach) und die seitliche Bewegungsfreiheit sind über jeden Zweifel erhaben, große Fensterflächen ergeben eine nicht allzu schlechte Rundumsicht. Eine Sitzheizung gibt es im Fond erstaunlicherweise nicht. Also ab nach vorn. Als Beifahrer fällt die hohe Sitzposition auf, eine Höhenverstellung bekommt nur der Fahrer. Die stets elektrisch verstellbaren Sitze bieten wenig Seitenhalt, könnten aber dennoch langstreckentauglich sein. Rundherum sind die Türrahmen mit Kunststoff verkleidet. Das sieht zwar nicht jeder sofort, strahlt aber unterbewusst eine gewisse Noblesse aus. Generell kann man an den Materialien kaum meckern und die Einrichtung sieht nicht nach uniformer China-Stangenware aus. Echte Schalter, Tasten und Rollwalzen gibt es in der Mittelkonsole und im Lenkrad. Alles zusammen vereinfacht die Bedienung des Seal 6 Touring. Ebenso der Wahlhebel für die stufenlose Automatik, der – wie bei Mercedes – an der Lenksäule angebracht ist.
Nicht wirklich erstklassig gelöst ist die „Ausnutzung“ der Displaygrößen. 12,8 Zoll hatten wir in der gefahrenen Launch-Ausstattung „Comfort Lite“. Der Bildschirm ist hier nicht drehbar, was jedoch keinen Verlust darstellt. Die Schriften – vor allem im Kombiinstrument – sind jedoch viel zu klein. Den Infotainmentscreen kann man indes schön individualisieren: langer Druck aufs Symbol und es ist verschieb-, ersetz- oder einfach löschbar. Das hilft, sich „seinen“ Touring zu konfigurieren.
Zwei Phev für den BYD Seal 6 Touring
Beim Antrieb gibt es nicht viel zu konfigurieren. Zwei Plug-in-Hybride bietet BYD für den Seal 6 DM-i Touring an. Dabei ist die Basisversion Boost ausschließlich mit dem kleinen 10-kWh-Akku erhältlich, der – bei gewerblicher Zulassung – weder die nötigen 50 Gramm unterschreitet noch 80 Kilometer weit elektrisch fährt.
Wer auf die 0,5-Prozent-Versteuerung abzielt, muss den von uns bewegten Comfort (Lite) wählen. Der besitzt dann einen 19-kWh-Akku und leistet 212 PS (anstelle 184) in Gänze. Beim Laden haben die Chinesen aber nicht sonderlich aufgepasst, was vor allem in Deutschland funktioniert. V2L, also das Laden „fremder“ Elektrogeräte, ist nice to have, aber kein Grund, ein spezielles Auto zu kaufen. Mit 3,3 kW Ladeleistung (also von Wallbox ins Auto) beim Boost und nur 6,6 kW (bei passender Lademöglichkeit) beim Comfort (Lite) schießt man am obligatorischen 11-kW-Ziel vorbei. Dass beim Comfort (Lite) ein CCS-Anschluss dabei ist und der Akku mit maximal 26 kW geladen werden könnte, bleibt wohl meist im Konjunktiv, denn DC-Laden ist besonders teuer und einen Vielfahrertarif mit monatlicher Grundgebühr (für günstigere Strompreise) wird sich kaum ein Plug-in-Hybrid-Fahrer „gönnen“.
Beide Versionen werden bei Tempo 180 eingebremst und besitzen den identischen 1,5-Liter-Vierzylinder, der China-typisch, eine mystische Bezeichnung von BYD bekam: „Xiaoyun“, was Morgendämmerung bedeutet. Der starke Elektromotor fungiert meist seriell, kann bei voller Last auch parallel betrieben werden. Der Verbrenner dient in den meisten Fällen also als Generator. 43 Prozent soll der Wirkungsgrad des Vierzylinders betragen, was enorm wäre oder ist.